Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Verehrte Gäste! Unter dem Motto „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft“ wird das kommende Europäische Jahr die Entwicklungspolitik thematisieren. Ziel des EU-Entwicklungsjahres 2015 ist, die Bürgerinnen und Bürger über die Entwicklungszusammenarbeit der EU sowie der einzelnen Mitgliedsstaaten zu informieren und das Bewusstsein für den Nutzen der Entwicklungsarbeit zu schärfen - den Nutzen aber nicht nur für die Empfänger, sondern vor dem Hintergrund zunehmender Konflikte in vielen Teilen der Welt auch für uns EU-Bürger. Globale Herausforderungen wie Klimawandel, Welternährungskrise, Rohstoffverknappung oder Finanzmarktkrisen verdeutlichen, dass die weltweiten wechselseitigen Abhängigkeiten enorm zugenommen haben - meist auf Kosten der globalen Gerechtigkeit.
Nach wie vor müssen 2,6 Milliarden Menschen von weniger als 2 US-Dollar pro Tag leben, und fast 1 Milliarde Menschen leidet an Hunger und Unterernährung, während auf der anderen Seite 20 % der Menschheit rund 80 % der Ressourcen verbrauchen. Dieser Raubbau an den Ressourcen sowie die immer ungerechtere Verteilung von Reichtum sind nach wie vor die Hauptursachen für Hunger, Krieg und Vertreibung. In Anbetracht der vielfältigen Konflikte auf unserem Planeten muss uns daher eines klar sein: Entwicklungspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist immer auch Friedenspolitik.
(Beifall B90/GRÜNE)
Denn eine Entwicklungszusammenarbeit, die sich an wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen orientiert, kann helfen, Krisen und Konflikte zu vermeiden bzw. zu beenden. Entwicklungspolitik bedeutet aber auch, über den Ressourcenbedarf unseres westlichen Lebensstils zu sprechen. Das Europäische Jahr der Entwicklung hat nicht nur etwas mit den weniger entwickelten Ländern zu tun, sondern auch und vor allem mit uns in den Industriestaaten.
(Beifall B90/GRÜNE)
Es ist wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern diese weltweiten Wechselwirkungen und Abhängigkeiten besser zu verdeutlichen, um Ressentiments und Vorurteile abzubauen. Das Europäische Jahr der Entwicklung bietet die Chance dazu, nötige Impulse zu setzen und die Beschäftigung mit der Entwicklungspolitik der Europäischen Union zu verstetigen. Wir unterstützen daher den vorliegenden Antrag, der die Landesregierung motiviert, sich dieses Themas intensiver anzunehmen, und stimmen natürlich ebenfalls einer Überweisung zu.
Wenn wir die anstehenden Herausforderungen wirklich annehmen wollen, reicht es aber nicht, den Raubbau an Ressourcen anzuprangern, sich über unmenschliche Verhältnisse in Krisenregionen zu beklagen und Geld für Entwicklungsprojekte zu überweisen. Entscheidend ist vor allem, dass wir Vorbild sind und aktiv selbst Missstände angehen. Wann stellen wir endlich auf eine nachhaltige Energiepolitik um? Wie können wir Flüchtlingen, die zu uns kommen, am besten helfen? Wann werden öffentliche Auftraggeber in Brandenburg nur noch fair gehandelte Waren und Dienstleistungen einkaufen?
Das Europäische Jahr der Entwicklung erfordert auch eine intensive öffentliche Diskussion zu diesen Themen, und bei aller Verantwortung der Politik sollten wir auch immer darauf hinweisen, welche Entwicklungshilfe jeder Einzelne als Konsument leisten kann. Letztendlich entscheiden die Kundinnen und Kunden an der Ladentheke auch maßgeblich über die Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern - leider oftmals, ohne sich darüber Gedanken zu machen.
Deshalb möchte ich am Schluss meiner Rede an den Antrag von vor 22 Jahren anknüpfen, auf den ich bei der Recherche zu diesem Thema gestoßen bin; einer der Antragsteller sitzt noch hier: Andreas Kuhnert. Ich war vorhin extra noch einmal in der Kantine und habe gefragt. Es ist kein Fairtrade-Kaffee im Angebot, insofern ist vielleicht das Europäische Jahr der Entwicklung auch ein guter Anlass, diesen Antrag nach 22 Jahren umzusetzen. - Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE)