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Michael Jungclaus spricht zu unserem Antrag „Bahnhofssanierungskonzept für Brandenburg – neue Nutzungen für alte Bahnhofsgebäude ermöglichen“

>> Zum Antrag „Bahnhofssanierungskonzept für Brandenburg – neue Nutzungen für alte Bahnhofsgebäude ermöglichen“ (pdf-Datei)

– Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,

ob ich mich in einer Stadt oder auf dem Land willkommen fühle, hängt meist ganz entscheidend vom ersten Eindruck ab. Zum Beispiel: Welches Bild empfängt mich, wenn ich aus der Bahn aussteige? Ein herausgeputzter Bahnhof mit guten Serviceangeboten und nettem Bahnhofsumfeld oder eine verlassene trostloste Ruine mit verschanzten Fenstern und krakeligem Graffiti? Dieser erste Eindruck bleibt haften, nicht nur bei uns Brandenburgerinnen und Brandenburgern, sondern auch bei unseren Gästen aus dem In- und Ausland.

Und gerade wer in den letzten Hitzetagen bei gleißender Sonne per Bahn unterwegs war kennt den Unterschied. Zwischen einem normgerecht durchsanierten Haltepunkt mit DIN-gerechten Unterstand aus Stahl und Glas und dem schattenspenden efeuberangten Backsteingebäude in dessen Inneren den wartenden Zugreisenden eine erfrischende Kühle empfängt.

Ich habe ja im letzten Halbjahr ca. 40 sogenannte Haltepunkte besucht – vorwiegend vermeintlich nachfrageschwache. Attraktive Bahnhofsgebäude, die möglichst auch noch Serviceangebote für Reisende bereithalten, habe ich dort leider selten gesehen.

In den meisten Fällen müssen sich Bahnreisende mit zugigen Bahnsteigen und wenigen Unterständen, maximal noch einem Fahrkartenautomaten, und einer Infotafel abfinden.

Daneben steht dann meist ein heruntergekommenes Bahnhofsgebäude, was seine besten Zeiten längst hinter sich hat. Dieser traurigen Entwicklung müssen wir Einhalt bieten! Wir können nicht weiter zusehen, wie selbst Bahnhöfe in mittelgroßen Städten verrotten, während wir gleichzeitig an die Bürgerinnen und Bürger appellieren, das Auto stehen zu lassen und mit der Bahn zu fahren. Das passt einfach nicht zusammen.

Derzeit hinterlassen viele Regionen und Städte mit ihren Bahnhöfen keinen guten Eindruck und tragen deshalb auch nicht dazu bei, deutlich mehr Fahrgäste in die Bahn zu locken.

Viele alte Bahnhofsgebäude lassen erkennen, dass es einmal bessere Zeiten gab. Ende des 19. Jahrhunderts galten Bahnhöfe noch als Repräsentationsobjekte der Eisenbahngesellschaften. Die Eisenbahn symbolisierte den Fortschritt. Hiervon ist bei der Deutschen Bahn AG heute kaum noch etwas übrig geblieben.

Abgesehen von wenigen Prestigeprojekten - in den Berliner Hauptbahnhof floss über eine Milliarde Euro bis dann das Geld für das Dach ausging - wird der Großteil der Bahnhofsgebäude auf dem Land von der Deutschen Bahn AG verkauft oder dem Verfall überlassen, auch in Brandenburg. Und der Verkauf geht weiter. Aktuell stehen bei der DB zum Beispiel die Bahnhofsgebäude in Guben, Templin oder Wittenberge auf der Verkaufsliste.

Von den noch existierenden 340 Personenbahnhöfen im Land Brandenburg sind nur noch ganze 40 also weniger als zwölf Prozent öffentlich zugänglich. Service verkommt bei der Deutschen Bahn leider immer mehr zur Nebensache und das ist eine fatale Entwicklung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Da sich die Deutsche Bahn AG als wirtschaftlich agierendes Unternehmen immer mehr der Bahnhofsgebäude und somit auch der Verantwortung entledigt, müssen wir gezwungenermaßen andere Wege finden. Unsere Fraktion ist der festen Überzeugung, dass in vielen Bahnhofsgebäuden unentdeckte Möglichkeiten schlummern, die auch langfristig tragen würden. Wir möchten deshalb Stadt- und Gemeindevertretungen, Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen vor Ort ermutigen und unterstützen, sich dafür einzusetzen, dass in ihren Bahnhof wieder Leben einzieht.

Es gibt bereits gute Beispiele auch aus Brandenburg, die zeigen, dass eine attraktive Nachnutzung realisierbar ist. Hierzu gehören der Bahnhof in Lübbenau, der neben einer Touristeninformation, einem Spreewaldshop und einem Fahrradverleih auch Übernachtungsmöglichkeiten in künstlerisch gestalteten Zimmern anbietet. Oder der Bahnhof in Wiesenburg, bei dem sich das bürgerliche Engagement ausgezahlt hat. Hier finden sich mittlerweile ein Café mit Touristik-Beratung, Ausstellungen und ein Regionalladen im Bahnhof. Auch für Veranstaltungen wird dieser Bahnhof genutzt.

Leider ist es gerade im ländlichen Bereich ja oftmals so, dass der letzte Konsum bereits vor langem dem Einkaufszentrum in der nächstgrößten Stadt zum Opfer gefallen ist, die Kirchengemeinde mit denen der Nachbarorten zusammengelegt wurde, die einzige Gaststätte ebenfalls aufgegeben hat und auch das Kulturleben brach liegt. Ganz zu schweigen von Treffpunkten für Jugendliche. Die Revitalisierung von Bahnhofsgebäuden bietet somit auch eine große Chance das dörfliche Leben wieder stärker zu aktivieren.

Wir sagen jedenfalls auch an dieser Stelle ganz klar: Es lebe das Dorf!

Dabei bietet sich auch ein Blick in unser Nachbarland Sachsen-Anhalt an. Dort gibt es bereits seit einiger Zeit ein Förderprogramm zur Revitalisierung von Bahnhofsgebäuden, mit dem bislang durchweg gute Erfahrungen gemacht wurden. Sieben Bahnhofsprojekte konnten hier bereits abgeschlossen werden, dazu gehören die Bahnhöfe in Thale, Bernburg und Ilsenburg, fünf weitere sind in Planung oder Umsetzung.

Sachsen-Anhalt fördert die Modernisierung mit bis zu 80 Prozent, wenn hierbei öffentliche und verkehrliche Funktionen übernommen werden. Selbst die Deutsche Bahn AG beteiligt sich an den teilweise nicht unerheblichen Kosten, die bei umfassenden Sanierungsprojekten anfallen. Das zeigt doch, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wir halten diesen Weg für einen guten und wünschen uns etwas ähnliches auch für Brandenburg.

Wie Sie in unserem Antrag lesen können, fordern wir, hierfür zunächst ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Inhalte sollten unter anderem eine Bestandsanalyse sowie eine Befragung der Städte und Gemeinden nach Ihren Vorstellungen für eine Wiederbelebung der Bahnhofsgebäude sein. Es sollten aber auch, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, attraktive Fördermöglichkeiten aufgezeigt werden.

Viele Gemeinden schrecken derzeit vor einem Kauf und vor Investitionen in Bahnhofsgebäude zurück, da dies natürlich ein anspruchsvolles Vorhaben ist, dass viel Aufwand, Zeit und Geld bedeutet. Leider werden aber auch bereits vorhandene Fördermöglichkeiten oft unzureichend kommuniziert. Interessierte müssen sich erst einmal durch ein Wirrwarr an Förderrichtlinien wühlen. Und auch bei der Entwidmung der Bahnhofsgebäude wäre eine gute Hilfestellung sicherlich angebracht. Ich bin mir sicher, dass wir mit einem runden und attraktiven Informations-, Beratungs- und Förderpaket vielversprechende Sanierungsprojekte anstoßen können.

Deshalb werbe ich um eine Zustimmung zur Überweisung unseres Antrags in den Fachausschuss. Lassen sie uns dort beraten wie aus Bahnhofsruinen bald wieder prächtige Empfangsgebäude, Zentren für dörfliche Kultur und Aushängeschilder für die jeweilige Region werden. Vielen Dank.

>> Zum Antrag „Bahnhofssanierungskonzept für Brandenburg – neue Nutzungen für alte Bahnhofsgebäude ermöglichen“ (pdf-Datei)

Der Antrag wurde in den Ausschuss für Infrastruktur und Landesplanung überwiesen.

>> Rede aus dem Februar 2011: Michael Jungclaus spricht zum Antrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE: „Ein leistungsfähiger Schienenverkehr zwischen Berlin-Brandenburg und unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarländern“

>> Michael Cramer, MdEP „Für die Wiederaufnahme der Regionalbahn Poznan – Frankfurt (Oder)“

>> Ska Keller, MdEP und Annalena Baerbock MdB Offener Brief an die polnische Regierung“