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Michael Jungclaus spricht zum Antrag von SPD und DIE LINKE „Verkehrssicherheitsprogramm konsequent umsetzen“

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Einerseits ist es zu begrüßen, dass sich die Regierungsfraktionen des wichtigen Themas der Verkehrssicherheit annehmen. Irgendwie entbehrt es aber auch nicht einer gewissen Komik, wenn Sie einen Antrag im Plenum brauchen, um Ihre eigene Regierung dazu aufzufordern, über die Umsetzung Ihres eigenen Programms in einem Ausschuss zu berichten - denn das ist ja der Inhalt des Antrags. Wenn Sie diesen Antrag dazu noch priorisieren, lässt das tief blicken. Ich frage mich schon, warum Sie das nicht einfach auf die Tagesordnung des Ausschusses setzen. Sie sind ja sonst nicht so schüchtern, und der Ausschussvorsitzende beißt schließlich nicht.

(Beifall B90/GRÜNE)

Aber gut, Sie haben diesen Weg gewählt. Verkehrssicherheit in Brandenburg ist auch ein Thema, das nicht nur uns Verkehrspolitiker interessieren sollte. Gemessen an der Einwohnerzahl ist das Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, in Brandenburg bundesweit am größten. Auch die absoluten Zahlen sind nach wie vor erschreckend: 179 Menschen kamen vergangenes Jahr bei Verkehrsunfällen in Brandenburg ums Leben, 40 Personen mehr als 2014. Solch hohe Opferzahlen wären bei keiner anderen Technologie in Kauf genommen. Im Jahr 2015 ereigneten sich insgesamt 80 723 Verkehrsunfälle. Die Zahl der Verletzten lag bei 10 771. Angesichts dieser Zahlen kann man der Überschrift Ihres Antrags nur zustimmen. Deshalb werden wir dem Antrag auch zustimmen.

Der geforderte Bericht sollte aber auch Anlass sein, einen kritischen Blick auf das Thema zu werfen, zum Beispiel erstens auf die Prävention für besonders gefährdete Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Welche Maßnahmen für Kinder, Jugendliche, Senioren und Menschen mit Mobilitätseinschränkung haben sich als

erfolgreich herausgestellt? Wie können wir diese Maßnahmen weiter unterstützen und verbreiten? Wie reagieren wir zudem auf den bundesweiten Trend, der sich auch für Brandenburg bestätigt? Demnach sind ältere Menschen nicht nur besonders gefährdet, sondern auch immer öfter Hauptverursacher des Unfalls. In Brandenburg saßen 2015 bei knapp 11 400 Unfällen Senioren am Steuer. Ich habe versucht, dem persönlich Rechnung zu tragen, indem ich meiner Mutter Verkehrssicherheitstraining zum Geburtstag geschenkt habe.

(Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Oh, oh! - Beifall CDU)

- Ja. - Zweitens die Umsetzung von Tempolimits. Die Verkehrsministerkonferenz hat vorletzte Woche ein generelles Tempolimit vor Schulen, Kitas und Krankenhäusern beschlossen. Damit würde nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern auch der Lärmschutz verbessert. Diese positiven Effekte des Tempolimits sollten wir nicht aus dem Blick verlieren, übrigens auch bezogen auf den Berliner Ring, wo Sie sich bislang nicht zu einem Tempolimit durchringen konnten.

Drittens geht es um Verkehrskontrollen. Aus der Unfallbilanz von 2015 geht hervor, dass viele Unfälle durch die Nichteinhaltung von Regeln entstanden sind: zu schnelles Fahren, Alkohol oder Drogen am Steuer usw. Zugleich wurden seit Jahren nicht mehr so viele Radarkontrollen durchgeführt wie 2015. Strafen - so heißt es vonseiten der Polizei - hätten aber nicht ausgereicht, das Verhalten der Verkehrsteilnehmer zu ändern. Diese Erkenntnis bestätigt, was die Verkehrspsychologie seit langem weiß: Neben Sanktionen müssen wir vor allem auch positive und emotionale Anreize setzen. Die Forschung zeigt auf, dass sich Raser dadurch weitaus stärker beeindrucken lassen als durch neutrale Verkehrsschilder.

Als jemand, der vorwiegend mit der Bahn unterwegs ist, möchte ich aber nicht allein die Perspektive durch die Windschutzscheibe einnehmen. In Ihrem Antrag ist die Rede von der „Vision Null Tote“: Diese Vision, die ursprünglich aus dem Bereich der Arbeitssicherheit stammt, geht weit über den motorisierten Individualverkehr hinaus. Der Schienenverkehr ist mit Abstand das sicherste Verkehrsmittel. Verkehrssicherheit besteht also auch darin, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Ihre sture Weigerung, die Kürzung bei den Regionalisierungsmitteln mit Landesmitteln zu kompensieren, ist also auch für die Sicherheit absolut kontraproduktiv.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Wie Sie sehen, haben wir beim Thema Verkehrssicherheit auch zukünftig genug Diskussionsstoff. Ich bin daher auf die angeforderten Informationen von der Landesregierung gespannt. Zum Schluss noch ein Angebot: Wenn Sie sich das nächste Mal nicht trauen, einen Bericht im Ausschuss zu beantragen, dann fragen Sie uns. Ich mache das gerne für Sie. - Vielen Dank.

(Heiterkeit B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe - Beifall B90/GRÜNE, CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)