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Michael Jungclaus spricht zum Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE „Wachstumschancen für das ganze Land Brandenburg nutzen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Gäste,

wer den vorliegenden Antrag einordnen will muss ein paar Wochen zurück schauen.

Die Linke forderte Ende Augst zur Überraschung ihres Koalitionspartners eine umfangreiche Novelle des Finanzausgleichsgesetzes, nach der berlinferne Regionen auf Kosten des Speckgürtels zusätzliche Mittel in dreistelliger Millionenhöhe erhalten sollten. Angesichts der Entwicklung im Ländlichen Raum eine durchaus begrüßenswerte Forderung.

Der Aufschrei ließ aber nicht lange auf sich warten. Zwei Tage später lehnte die SPD-Generalsekretärin den sogenannten Speckgürtel-Soli mit dem Verweis ab: „Das wäre die Gießkanne, bezahlt von den Umlandkommunen“ um anschließend das SPD-Prinzip „Stärken stärken“ als alleinigen Heilsbringer für Brandenburg zu loben.

Der Koalitionskrach erschien vorprogrammiert und der vorliegende Antrag „Wachstumschancen für das ganze Land Brandenburg nutzen“ ist nun offenbar der Versuch, zwei gegensätzliche Positionen unter einen Hut zu bekommen.

Wie unschwer zu erkennen ist – allerdings ein untauglicher.

Ganz davon abgesehen, dass immer mehr Menschen die berechtigte Frage stellen, ob Wachstum als unwidersprochenes Ziel von Politik nicht inzwischen ausgedient hat.

Aber das nur so am Rande.

Jedenfalls es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum Sie, um einen Koalitionskrach zu vermeiden jetzt einen Antrag ins Plenum einbringen der beispielsweise zum Landesentwicklungsplan bereits Vorgaben macht, obwohl das Beteiligungsverfahren dazu noch überhaupt nicht abgeschlossen ist. Alles nur eine Showveranstaltung?

Die Menschen in den Regionen werden Sie so jedenfalls nicht mitnehmen.

Inhaltlich befürworten wir ja durchaus die Idee des Siedlungssterns, aber nicht um den Preis, dass die Gemeinden außerhalb des Sterns abgehängt werden. Brandenburg darf nicht gespalten werden in den Berliner Speckgürtel einerseits und die „metropolfernen“ Regionen andererseits.

Aber vielleicht braucht es ja nur einer verständlichen Sprache bei den teilweise konkurrierenden Spiegelstrichen um das ganze aufzuklären.

Einerseits soll hier beispielsweise die Bündelung auf Ober- und Mittelzentren unterstützt werden. Eine Zeile tiefer dann sollen Grundfunktionen in zusätzlichen Schwerpunktorten gesichert werden.

Würden Sie es „Wiedereinführung von Grundzentren“ nennen, könnte es ja unsere Unterstützung finden und alle wüssten auch was gemeint ist – so ist es wie der Rest des vorliegenden Antrags vor allem eins: Reichlich schwammig.

Das gleiche Bild dann auch bei der Mobilitätsstrategie:

In den ländlichen Regionen fährt vielerorts der Bus nur noch zweimal am Tag für den Schülerverkehr.

Für Einkäufe oder Arztbesuche im nächst größeren Ort reicht dies häufig nicht aus und die Menschen dort sehen immer weniger eine Alternative zum eigenen PKW.

Unter welchen Voraussetzungen ist es überhaupt noch attraktiv, auf das Auto zu verzichten und den Zug oder den Bus zu nehmen?

Aber auch in vielen Berliner Umlandgemeinden fehlen ausreichend Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr.

Ohne den von uns geforderten Einsatz von Landesmitteln für den ÖPNV werden wir in beiden Bereichen nicht weiterkommen. Hierzu lässt der vorliegende Antrag ebenfalls eine klare Aussage vermissen.

Und bei der Wohnraumförderung? Im ersten Halbjahr 2016 wurden lediglich für 28 Mietwohnungen und 5 Eigentumswohnungen Fördermittel beantragt. Nicht eine einzige Wohnung wurde in diesem Zeitraum fertiggestellt. Und das, obwohl in Brandenburg in den nächsten vier Jahren jeweils 100 Millionen Euro für den Bau von bezahlbaren Wohnungen bereitstellen will.

Das zeigt ganz klar, dass es nicht ausreicht, Gelder zur Verfügung zu stellen. Die Kommunen brauchen wesentlich mehr fachliche und organisatorische Unterstützung. Auf meine entsprechende Nachfrage dazu im Infrastrukturausschuss stellte Ministerin Schneider hier allerdings keine Korrektur in Aussicht.

Ich kann die Forderung im Antrag daher nur unterstützen, die „bisherigen Instrumente der Wohnraumförderung“ zu überprüfen. Die wichtigste Frage dabei aber: Welche Initiativen sollte es jenseits davon geben, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen?

Zu all diesen Themen hätten wir uns klare Bekenntnisse gewünscht, wie etwa:

  • Wir führen die Grundzentren wieder ein.
  • Wir investieren zukünftig auch Landesmittel in den ÖPNV.
  • Wir unterstützen die Kommunen zukünftig stärker beim preiswerten Wohnungsbau.

Diese Chance aber haben Sie heute vertan. Schade!

Wir werden diesem Antrag daher nicht zustimmen.