- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Gäste,
„Wir leben seit 8.000 Jahren inmitten des indischen Ozeans[…]; selbst wenn wir woanders hinziehen […], frage ich mich, wo sollen die Schmetterlinge hingehen und wo die Farben und die Geräusche?“
Diese Aussage des damaligen Präsidenten der Malediven ist bald ein Jahrzehnt alt. Viele erinnern sich bestimmt an die Unterwassersitzung des maledivischen Kabinetts. Die Regierung wollte mit dieser Aktion darauf aufmerksam machen, dass die Malediven, und mit ihnen viele andere kleine Inselstaaten, aufgrund des Klimawandels vom Untergang bedroht sind. Dies wollen sie um jeden Preis verhindern.
Wie hohl klingen dagegen die Zitate von Bundeswirtschaftsminister Altmaier und FDP-Chef Lindner: „Klimaschutz funktioniert nur, wenn er den Wohlstand nicht gefährdet.“ oder „Die Menschen sollen weiter Fleisch essen, Auto fahren und mit dem Flugzeug verreisen dürfen.“
Was bedeutet es für unsere globale Solidarität, wenn wir bei dem Wort „Freiheit“ nur an unsere eigene denken und dann zuallererst ans Fleisch essen, Auto fahren und fliegen?
In der Klimakrise geh es eben nicht allein um die jeweils persönlichen Entscheidungen des einzelnen, ob man Fleisch isst oder vegan und die Bahn oder PKW nimmt.
Es geht um tief verankerte gesellschaftliche Strukturen – und darum, wie Machtverhältnisse verteilt sind, vor Ort und global.
Wir müssen Altmaiers Aussage umdrehen: „Wohlstand funktioniert nur, wenn er den Klimaschutz nicht gefährdet.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen.
Was sollen denn die Menschen in einem kleinen Inselstaat denken, wenn sie hören, was für uns Freiheit ist, während sie um den Boden unter ihren Füßen fürchten müssen? Und jene, wo die Regenzeiten unberechenbar geworden sind, wo man sich mit Fluten und Dürren herumschlägt und die Landwirtschaft nicht mehr möglich ist?
Schauen wir nach Mosambik: große Teile des Landes wurden verwüstet vom Zyklon Idai, der nicht vom Klimawandel verursacht wurde, dessen Auswirkungen durch den Klimawandel aber krass verstärkt werden.
Auf der globalen Rangliste der Klimasünder liegt Mosambik mit seinem winzigen CO2-Fußabdruck – auf Platz 177.
Selbst wenn man Wetter nicht mit Klima verwechseln soll – hat der Sommer des vergangenen Jahres auch hierzulande vielen gezeigt was es bedeuten kann wenn sich Wetterphänomene langfristig verändern.
Der Klimawandel wird sich auch bei uns abspielen.
Nur: Menschen in anderen Regionen erfahren das schon längst am eigenen Leib. Im Gegensatz zu uns, sind sie aber weder dafür verantwortlich, noch können sie sich dagegen wappnen.
Und das Klima ist nur ein System von vielen, bei dem wir eine Grenze überschritten haben. Mindestens genauso besorgniserregend sind das weltweite Artensterben die Auswirkungen von Antibiotika in der Tierhaltung oder die Situation der Meere.
Im vorliegenden Antrag geht es um das Prinzip Verantwortung und um Brandenburgs Mitschuld an globalen Umweltproblemen.
Auch in Brandenburg verbrauchen wir mit unserem Lebensstil mehr Ressourcen als nachwachsen. Auch wir sorgen dafür, dass die Meere leergefischt und vollgemüllt werden und auch in Brandenburg haben wir einen überdurchschnittlichen Prokopf-Ausstoß an CO2.
Nun kann Brandenburg sicherlich nicht die Welt retten – wir können aber unseren Anteil daran leisten.
Es geht darum, wie wir unserer Verantwortung gerecht werden, die Lebens- und Entwicklungschancen von Menschen in allen Teilen der Welt sowie zukünftiger Generationen zu verbessern.
Hierfür gibt es bereits seit drei Jahren international ausgehandelte Ziele:
Die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, kurz SDGs.
Diese sind aber nach wie vor in Brandenburg nicht angekommen. Beispielsweise wurden weder die Entwicklungspolitischen Leitlinien noch die Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne der SDGs überarbeitet.
Wir schlagen vor, Brandenburg soll mit einer Region des globalen Südens, die vom Klimawandel besonders betroffen ist, eine konkrete Entwicklungspartnerschaft anbahnen. Wie beispielsweise Baden-Württemberg oder Rheinland Pfalz. Auf wissenschaftlicher Ebene haben wir hier in Brandenburg doch schon hervorragende Partner sitzen. Ich denke an das PIK, die HNE oder das ZALF.
Ich bin in diese Debatte mit einem Zitat aus den kleinen Inselstaaten eingestiegen, weil bereits jetzt absehbar ist, dass Menschen aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels ihre Heimat werden verlassen müssen.
Wir schlagen daher auch vor, dass Brandenburg würdevolle Einreiseoptionen bietet, wenn Resettlement-Optionen in der Heimatregion ausgeschöpft sind, Eine Möglichkeit dafür stellen die Aufnahmeprogramme der Länder nach § 23 Aufenthaltsgesetz dar.
Dabei sind uns natürlich die Fallstricke und Gegenargumente beim Klimapass bewusst. Umweltflüchtlinge gibt es völkerrechtlich nicht, sie tauchen weder in der Genfer Flüchtlingskonvention noch in der VN-Menschenrechtscharta auf.
Und natürlich wollen wir nicht, dass für einen vor dem Klimawandel Flüchtenden ein Mensch in einem Bürgerkriegsgebiet bleiben muss.
Uns ist ebenso klar: die Uckermark ist nicht das primäre Fluchtziel eines Menschen aus Kiribati.
Nur: Der Klimapass, das ist keine Forderung aus dem Grünen Luftschloss. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu Globalen Umweltveränderungen fordert den Klimapass - neben einer grundlegenden Kehrtwende in der Klimapolitik und der Unterstützung betroffener Länder bei der Klimakrise.
Entwicklungs- und Nachhaltigkeitspolitik muss selbstverständlich auch in den Kommunen stattfinden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Kommunen, zu den SDGs beizutragen. Dazu zählen etwa kommunale Handlungsstrategien für die Vermeidung von Lebensmittelabfällen oder das Bekenntnis zu „Fair Trade“. In dieser Hinsicht ist Brandenburg aber selbst noch ein Entwicklungsland: Nur zwei der bundesweit knapp 600 Fair-Trade-Kommunen befinden sich in Brandenburg.
In den Kommunal- und Landesverwaltungen – werden jedes Jahr mehr als drei Milliarden Euro vergeben. Sie könnten also Vorreiter einer nachhaltigen Entwicklung sein. Wir wollen, dass ein Leitbild „Nachhaltige Behörde“ entwickelt wird. Worum geht es? Faire Löhne und Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern und Nachhaltigkeitskriterien, wie der ökologische Fußabdruck von Produkten.
Gerade Kinder und Jugendliche, die ihre Sorge über unseren Planeten inzwischen jeden Freitag auf die Straße tragen, zeigen wie stark das Bewusstsein für globale Probleme und ihre regionalen Aspekte gestiegen ist. Diese neue Aufmerksamkeit sollte sich nicht nur außerhalb, sondern auch in der Schule niederschlagen.
Ja, ich gebe „Fridays for Future“ recht: Der Zustand unserer Erde ist besorgniserregend und die Auswirkungen treffen diejenigen am härtesten, die am wenigsten dafür können. Ich freue mich daher auf die Diskussion zu Brandenburgs Beitrag zu globaler Gerechtigkeit und bitte Sie um Zustimmung zum Antrag.
Vielen Dank!
Teil 2, nach den Redebeiträgen von SPD, CDU, DIE LINKE, AfD und Minister Vogelsänger für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft:
Vielen Dank für diese interessante Debatte, genau das wollten wir ja:
Eine Debatte anstoßen.
Ja, der Klimapass ist natürlich auch ein Stück weit Symbol. Er ist ein Symbol dafür, dass wir als Verursacher von Umweltzerstörung und Klimawandel Verantwortung übernehmen müssen.
Und die Umsetzung des Klimapasses wird sicherlich nicht unproblematisch. Aber wir haben ja bei den Flüchtlingsbewegungen 2015 alle gesehen zu welchen Problemen es kommt, wenn man als Politik nicht vorrausschaut.
So wie vieles damals vorauszusehen war, ist auch beim Thema „Flucht vor Folgen des Klimawandels“ sehr klar abzusehen was auf uns zukommt.
Da hilft auch kein Wegschauen oder Ignorieren. Also sollten wir uns zügig damit beschäftigen wie wir damit umgehen – nicht erst wenn die ersten Menschen sich auch zu uns auf den Weg machen weil ihr Land im Meer versinkt.
Uns war natürlich klar, dass die Koalitionsfraktionen drei Monate vor Ende der Legislatur keine umfassende Kurskorrektur vornehmen werden. Trotzdem bin ich vom Redebeitrag der Landesregierung enttäuscht.
Sie haben leider die Chance vertan sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen. Scheinbar wurde nur die Überschrift gelesen, dort das Thema Nachhaltigkeit entdeckt. Okay, das macht dann eben der Umweltminister.
Hätten Sie sich die Mühe gemacht, die Forderungen und Begründung zu lesen wäre die Wahl vermutlich anders ausgefallen.
Mich hätte schon interessiert, was der eigentlich zuständige Minister für Entwicklungszusammenarbeit zu unseren Punkten zu sagen hat.
Wenn der Agrarminister uns dann wenigstens erläutert hätte, wie er die Zusammenhänge bewertet, dass auch unser Handeln in dem von ihm verantworteter Bereich der stark subventionierten Landwirtschaft massive Auswirkungen auf die Länder im globalen Süden hat. Man denke nur an die Zerstörung der dortigen Geflügelzucht durch den Export billiger Ausschussprodukte unserer hiesigen Massentierhaltung.
Es hätte auch der Umweltminister etwas dazu sagen können, dass wir hier einen der weltweit höchsten CO2-Ausstoß wegen der umweltschädlichen Braunkohleverstromung haben (ich hatte das Stichwort extra ausgelassen um nicht das Klischee bestimmter Leute zu bedienen).
Leider wurde auch diese Chance vertan. Aber wenigstens wollte er uns bei diesem Thema sein Haus nicht als das Ministerium der Herzen und schnellen Arbeit verkaufen.
Aber auch wenn der Antrag nun vermutlich abgelehnt wird, möchte ich mich für die unter den Abgeordneten, zumindest zum Großteil – konstruktive Debatte bedanken. Sie kann uns helfen in der nächsten Legislatur das Thema vertieft aufzunehmen. Denn das ist bitter nötig.
Vielen Dank!