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Michael Jungclaus spricht zu unserer Großen Anfrage 25 „Situation des Bahnverkehrs in Brandenburg“

>> Unsere Große Anfrage 25 als pdf-Datei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Gäste,

ich habe ja des öfteren kritisiert, dass gerade die Abgeordneten im Verkehrsausschuss, laut Anwesenheitsliste immer fast alle mit dem Pkw zu den Sitzungen anreisen.

Inzwischen kann ich Ihnen das immer weniger verdenken. Seit der Sommerpause habe ich es ganze drei Tage ohne irgendeine Zugverspätung in den Landtag und zurück geschafft.

Technische Störung am Zug, Zugausfall, Polizeieinsatz, technische Störung an der Strecke, Notarzteinsatz, Signalstörung, Weichenstörung, Schrankenstörung, Baustellen, Kabelbrand, Störungen im Betriebsablauf, Verspätung wegen eines vorausfahrenden Zuges, feuchte Blätter auf den Schienen, Kühe im Gleis… die Liste könnte ich noch ewig fortsetzen.

Kürzlich stand ich am Bahnhof Potsdam, da hieß es: „Achtung Zugbetrieb!“ –Ich habe laut aufgelacht. Die Bahnreisenden müssen mittlerweile davor gewarnt werden, dass überhaupt noch Züge fahren!

Den Pendlerinnen und Pendlern ist das Lachen mittlerweile gründlich vergangen.

Auch wenn unsere Große Anfrage die unterschiedlichsten Aspekte wie Güterverkehr, Lärmschutz, Barrierefreiheit und so weiter behandelt:

Wegen der Aktualität möchte ich hauptsächlich zum Landesnahverkehrsplan reden. Der sieht vor: Verbesserungen sollen weitgehend erst ab Dezember 2022 kommen. Bis dahin werden wir aber einen weiteren drastischen Fahrgastanstieg erlebt haben, so dass die geplanten homöopathischen Verbesserungen vermutlich gar nicht zu spüren sind.

Ich kann die Wut jedenfalls gut nachvollziehen, die einem aus den persönlichen Berichten und Bürgerbriefen mittlerweile entgegenschlägt.

Da muss man nicht mehr nur zwischen den Zeilen lesen wenn da steht ZITAT: „Es reicht! Das Fass ist bereits übergelaufen.“

Die Pendlerinnen und Pendler fühlen sich wie Bittsteller, dabei sind sie DER Wirtschaftsfaktor Brandenburgs, das haben auch die Ausführungen von Herrn Leister in der Anhörung zum Landesnahverkehrsplan sehr eindrücklich gezeigt. Wie er ganz richtig bemerkte: „Pendeln ist kein soziales Randphänomen, sondern die Existenzgrundlage des Landes.“

Doch dieser Tatsache wird im Landesnahverkehrsplan völlig unzureichend Rechnung getragen.

Genau genommen leisten uns die Menschen, die mit dem ÖPNV pendeln, einen enormen Dienst.

Gestern auf der Rückfahrt vom Landtag habe ich mir - mal wieder völlig eingezwängt in der S5 – ausgemalt wie das Verkehrschaos aussehen würde, wenn alle Entnervten ab morgen das Auto nehmen würden. Unvorstellbar!

Die Verkehrsministerin müsste eigentlich Mitarbeiter abordnen, die in die überfüllten S-Bahnen und Regionalzüge gehen um sich bei jedem und jeder einzelnen dafür bedanken, den ÖPNV zu nutzen und nicht unseren Straßenverkehrs ins Chaos zu stürzen.

Das wird sie schwerlich tun - einen ordentlichen Landesnahverkehrsplan hat sie allerdings auch nicht hinbekommen. Die Landesregierung war noch nicht einmal vorbereitet auf die zahlreichen Eingaben im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zum Landesnahverkehrsplan. Der Server des Ministeriums verweigerte die Annahme weiterer Emails mit der Fehlermeldung, das Postfach sei überfüllt. Darauf ließe sich vortrefflich herumhacken.

Aber auch wenn dieser Vorfall wirklich sinnbildlich für den öffentlichen Personennahverkehr in Brandenburg ist, würde uns das ja auch nicht weiterbringen.

Vielmehr müssen wir uns auf den Inhalt der Stellungnahmen konzentrieren, von denen uns ja auch zahlreiche erreicht haben.

Die Aussage allenthalben: Wir brauchen Verbesserungen – und zwar nicht in weiter Ferne sondern jetzt!

Die konkreten Zahlen hat ja unserer Große Anfrage sehr schön dokumentiert: Danach sank allein die zwischen 2006 und 2016 bestellte Leistung in Zugkilometern im Regionalverkehr um 674.000 Kilometer pro Jahr. Zwischen 2006 und 2016 wurden 15 Streckenabschnitte im Umfang von 249 Kilometern stillgelegt und dadurch 60 Haltepunkte geschlossen. Und es wurden an 16 Haltepunkten – alle im ländlichen Raum – die Takte weiter ausgedünnt. Gleichzeitig nahm die Zahl der Fahrgäste allein im Regionalverkehr um fast 60 Prozent zu.

Zigtausende Fahrgäste, die sich täglich in überfüllte Regionalzüge zwängen, sind die Visualisierung dieser tristen Zahlen.

Dieses Ministerium, diese Ministerin, ja, die ganze Landesregierung muss den Kopf schon sehr tief in den Sand stecken, um die Forderungen, die dazu aus allen Landesteilen kommen, weiter zu ignorieren.

Selbst aus den Reihen der SPD werden die Stimmen lauter.

Ein Artikel aus der Märkischen Oderzeitung vom 28.11.2017: „Barnimer SPD fordert dringend Nachbesserungen am Landesnahverkehrsplan. Der jetzige Entwurf werde den Bedürfnissen der Pendler nicht ausreichend gerecht. Wir brauchen zügig Verbesserungen für Pendler, nicht erst in zehn Jahren“.

Und auch wir fordern in unserem Antrag dazu auf, den Landesnahverkehrsplan deutlich zu überarbeiten, vor allem mit Blick auf kurzfristige Verbesserungen. Unsere wichtigsten Forderungen:

Erstens, die Regionalisierungsmittel müssen mittelfristig ausschließlich für den SPNV verwendet werden. Diese Politik, dem SPNV Jahr für Jahr Gelder zu entziehen, muss endlich beendet werden.

Und es geht auch nicht an, dass Sie jahrelang zweistellige Millionenbeträge mit Verweis auf schlechte Zeiten in 4 oder 5 Jahren ansparen. Vielleicht haben wir bis dahin ja gar keine schlechten Zeiten mehr, sondern stattdessen eine bessere Landesregierung.

Zweiter Kritikpunkt: Die im Landesnahverkehrsplan angekündigten Mehrbestellungen werden größtenteils erst ab Dezember 2022 greifen.

Mögliche Verbesserungen für den Zeitraum 2018 bis 2022 werden auf gerade einmal lediglich fünf Zeilen abgehandelt – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Die Landesregierung schreibt auf diesen fünf Zeilen, sie führe zu dieser Frage mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen Gespräche.

Wieso beginnen Sie diese Verhandlungen aber erst jetzt?

Im Landesnahverkehrsplan müsste doch idealerweise schon das Ergebnis dieser Verhandlungen drinstehen. Wir wollen Verbesserungen bereits zum Fahrplanwechsel 2018/2019.

Drittens: Verkehrsverträge brauchen Nachsteuerungsoptionen. Die Verkehrsverträge sind oftmals auf Knirsch kalkuliert. Auch wenn es nicht wirtschaftlich erscheint, Züge in der Reserve zu haben, müssen hier Lösungen gefunden werden. Ohne Reserven, was Fahrzeugen, aber auch das Personal angeht, kommt es bei jedem auftauchenden Problem zum Stillstand. Mit Ansage. Dem müssen wir vorbeugen.

Viertens: Dem Ausbau der Schieneninfrastruktur muss eine langfristige strategische Perspektive zugrundliegen, sozusagen der ganz große Wurf, was das Zielnetz oder sagen wir ein Bestellkonzept für 2025, 2030 usw. angeht. Das von der CDU-Fraktion beauftragte Gutachten hat hier bereits eine gute Vorarbeit geleistet. Und angesichts von Planungsvorläufen von zehn bis 15 Jahren brauchen wir hier unbedingt einen gut getakteten Zeitplan.

Fünftens: Angesichts des rasanten Anstiegs bei den Fahrgästen müssen wir endlich auch darüber sprechen, inwieweit es möglich ist, stillgelegte Trassen wieder zu reaktivieren. Vor allen in den Regionen der sogenannten zweiten Reihe. Sonst heißt es in 10 Jahren dann wieder: Hätten wir doch bloß damals schon daran gedacht.

Sechstens: Bei der Vorstellung des Landesnahverkehrsplans hieß es, Verknüpfungen mit den anderen Verkehrsträgern seien von besonderer Bedeutung. Dafür muss es aber auch erst einmal funktionierende andere Verkehrsträger geben! Landesbedeutsame Buslinien, die auf den Bahnverkehr abgestimmt sind, würden einen Quantensprung bedeuten, gerade, was die Querverbindungen im Land betrifft.

Und las but not least: Was den SPNV angeht, können Berlin und Brandenburg nicht als zwei getrennte Einheiten betrachtet werden. Nach wie vor haben die beiden Länder aber eigene Nahverkehrspläne mit unterschiedlichen Laufzeiten. Wenn es schon keinen gemeinsamen Landesnahverkehrsplan gibt, so fordern wir, dass zumindest ein gemeinsames Konzept für den Umlandverkehr entwickelt wird.

Ich muss nochmal ganz deutlich sagen: Wir begrüßen es sehr, dass die Politik der Streckenstilllegungen endlich vorbei ist. Aber das allein wird nicht reichen, wenn wir wirklich eine Trendwende einleiten wollen. Neben den berechtigten Ansprüchen der Pendlerinnen und Pendler kommt ja noch ein weiterer Aspekt zum Tragen: Auch zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele wird eine Wende im Verkehrssektor auch in Brandenburg unverzichtbar sein.

Essentieller Bestandteil ist dabei der Ausbau des Schienenverkehrs zu einer echten Alternative zum motorisierten Individualverkehr.

Ziel muss es sein, diejenigen in die Züge zu bekommen die zwischen Schiene und Straße wählen können, und gleichzeitig diejenigen nicht völlig zu frustrieren, die ohnehin auf die Bahn angewiesen sind.

Ich möchte Sie nochmal daran erinnern:

Wie der Regionalverkehr funktioniert, ist eine Folge politischer Entscheidungen – und kein Wunder!

Seien Sie mutig, wagen Sie den großen Wurf. Die Pendlerinnen und Pendler sowie das Klima werden es Ihnen danken. Ich bitte um Zustimmung zum vorliegenden Entschließungsantrag. Vielen Dank!