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Marie Luise von Halem spricht zum bündnisgrünen Antrag „Mehr Qualität und Verbindlichkeit in der Erwachsenenbildung – ein Perspektivvertrag für Brandenburg!“

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede!

Noch nie in der Geschichte der Menschheit hat sich die Welt so schnell gedreht wie heute. Die meisten von uns (Durchschnittsalter MdL 52 Jahre, wie neulich zu erfahren war) können sich doch noch an die erste Mondlandung erinnern, daran, dass Telefon überhaupt ein Luxus war, an Handy und Computer noch niemand gedacht hat, Flugreisen ein Vermögen kosteten und die Menschen noch wussten, was Zollschranken sind. Gut, die Bahnverbindungen innerhalb Europas waren wohl vor hundert Jahren schneller und zuverlässiger als heute und auch bei der Inbetriebnahme von Flughäfen funktioniert heute nicht immer alles besser.

Trotzdem hat die technische Entwicklung, allen voran die Schnelligkeit der weltweiten Kommunikation und die geringen Preise für Transport von Gütern rund um den Globus, unsere Arbeitswelt in nie dagewesener Form verändert. Und diese Entwicklung geht weiter. Wer heute einen Beruf erlernt, kann sich sicher sein, dass der Beruf morgen anders aussieht. Vielleicht gibt es ihn auch gar nicht mehr.
Alle müssen wir heute unser Leben lang offen sein, Neues zu lernen.

Grundvoraussetzung für Lernen ist es, lesen zu können. Deutschland hat 7,5 Mio. funktionale Analphabeten. Denen zu helfen, ist auch Aufgabe von Weiterbildung, damit haben wir uns im August-Plenum befasst.
Bei unserem jetzigen Antrag geht es allerdings um ein umfassenderes Verständnis von Weiterbildung. Auch um Grundbildung, ja, aber darüber hinaus auch um den Erwerb zusätzlicher Fähigkeiten für das berufliche Fortkommen. Und drittens auch um Angebote jenseits der direkten wirtschaftlichen Verwertbarkeit: Sich manchmal mit neuen Dingen zu beschäftigen, die vorher außerhalb des Horizonts lagen, gibt uns neue Perspektiven und bereichert uns in allen anderen Lebenslagen. Das ist der Kern von ‚Lebenslangem Lernen‘.


Unser Antrag, den wir erfreulicher Weise jetzt gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen einbringen, zielt auf zweierlei:
Erstens wollen wir den Landesorganisationen der Weiterbildung mit dem vorgeschlagenen Perspektivvertrag mehr Planungssicherheit geben. Davon profitieren nicht nur die 20 Volkshochschulen mit ihren Regional- und Außenstellen als mit Abstand größter Anbieter, sondern auch kleinere Organisationen wie die URANIA, die Landesarbeitsgemeinschaft für politisch-kulturelle Bildung im Land Brandenburg e.V. mit ihren vielen Mitgliedsorganisationen, die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung sowie auch die vier Heimbildungsstätten.


Diese Akteure in der Brandenburgischen Fort- und Weiterbildungslandschaft bieten ein gutes und hochwertiges Weiterbildungsangebot. Sie stoßen nur mittlerweile an ihre Grenzen, da die Kosten für Personal und Betrieb steigen, die Teilnahmebeiträge jedoch kaum weiter erhöht werden können. Die Volkshochschulen werden zu ungefähr 40% von den Kommunen finanziert und vom Land Brandenburg mit ca. 20%. Die restlichen 40% müssen durch Teilnahmebeiträge und aus anderen Quellen gewonnen werden.
Niedersachsens uns allen bekannte ehemalige Wissenschaftsministerin Wanka hat uns eine Vorlage für den Perspektivvertrag gegeben: Die Landesorganisationen der Weiterbildung sollen sich verpflichten, ihre Arbeit an Qualitätsmaßstäben auszurichten, leistungsgerecht zu entlohnen und bestimmte Themenangebote zu machen. Im Gegenzug dazu verpflichtet sich die Landesregierung, die Finanzierung für mehrere Jahre festzuschreiben und zumindest einen Inflationsausgleich zu gewähren.
Zweitens wollen wir ihre Grundfinanzierung verbessern. Wie wir das aus anderen Bildungsbereichen kennen, finanziert Brandenburg auch seine Weiterbildungseinrichtungen bislang ziemlich nachlässig: Der Bundesdurchschnitt der Landesfinanzierung der Volkshochschulen je EinwohnerIn liegt bei 1,69 EUR. Wir in Brandenburg geben aber lediglich 72 Cent pro EinwohnerIn aus. Das ist fast ein Euro weniger als der Durchschnitt. Nur Schleswig-Holstein mit 65 Cent und Sachsen-Anhalt mit 70 Cent pro EinwohnerIn liegen noch hinter uns. Andere östliche Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern mit 1,33 EUR oder Sachsen mit 96 Cent machen das besser. Und Flächenländer wie Niedersachsen mit 2,83 EUR oder NRW mit 2,57 EUR liegen sogar weit über dem Bundesdurchschnitt und scheinbar unerreichbar vor uns.
Wegen dieser Relationen nehmen wir außer der Verlässlichkeit auch die Höhe der Finanzierung in Blick und hoffen, dass wir mit Hilfe von rot-rot die rote Laterne in diesem Bereich loswerden können. Wir brauchen mehr als nur einen Inflationsausgleich, der nämlich bedeutete nur ca. 50.000 Euro im Jahr, nach Jahren des Stillstands in der Finanzierung. Wir wollen doch gute Bildungsarbeit, mit qualifizierten Kräften, denen auch eine angemessene Bezahlung gewährt wird! Daran muss sich die Landesförderung der Grundversorgung messen. Eine schrittweise Erhöhung (von jetzt 18,80 EUR pro Unterrichtseinheit) wäre da zum Beispiel eine sinnvolle Maßnahme.


Vielleicht kann dieser Antrag ja auch Anstoß zu weiteren Diskussionen geben, zur Verknüpfung von Weiterbildung mit beruflicher Bildung durch Kooperation mit den Oberstufenzentren, also Errichtung regionaler Bildungszentren nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins. Für die ländlicheren Regionen könnte das ein Gewinn sein.
Es gibt uns ja auch neue Chancen, wenn die Welt sich schnell dreht.

Redemanuskript als PDF

Antrag „Mehr Qualität und Verbindlichkeit in der Erwachsenenbildung – ein Perspektivvertrag für Brandenburg!“ als PDF