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Marie Luise von Halem zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion „Allgemeines Qualitätsmonitoring für die frühkindliche Bildung einführen“

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede!

Sechs mal schon haben wir in dieser Legislaturperiode in unterschiedlichen Rahmungen, aber immer erfolglos, beantragt, endlich einen Stufenplan für mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung aufzustellen. Nur einen Stufenplan, der mögliche Schritte aufzeigt, der deutlich machen könnte, dass es diese Landesregierung Ernst meint mit ihren Absichtserklärungen. Der erstmal noch nichts kostet. Und der klar erkennen lässt, dass auch SPD und Linke wissen, dass es nicht reicht, mit einem kleinen Schritt den Betreuungsschlüssel zu verbessern (wenn das auch 40 Mio € gekostet hat) .... uns aber, wie nicht oft genug wiederholt werden kann, im Bundesvergleich nur von Platz 16 auf Platz 16 katapultiert hat. Nein, die Baustelle Kita braucht viel mehr. Wer von Ihnen Kindertagesstätten besucht hat, wird es immer wieder gehört und gesehen haben, wie schwierig die Situation ist.

Wir haben in den letzten Jahren Unterschriftenlisten bekommen, es gab Demonstrationen, es gibt aktuell eine Kampagne für gute Bildung von Anfang an. Alle fordern einen besseren Betreuungsschlüssel, bessere Leitungsfreistellung, mehr Sprachförderung – und einen Stufenplan zur Umsetzung dieser Forderungen. Und wir wissen auch, warum wir das brauchen: Weil es eine Schande ist, dass in diesem reichen Deutschland die Bildungschancen von Kindern so sehr von ihrer elterlichen Herkunft abhängen wie in kaum einem anderen OECD-Land.

Das zu ändern ist ein zutiefst sozialer Anspruch und ich verstehe nicht, warum Sie das als Vertreterinnen und Vertreter dieser sozialen Regierungsparteien so eiskalt lässt. Zumal Sie immer wieder beteuern, zumindest in Wahlkampfzeiten, Bildung habe bei Ihnen Priorität.

Das einzige Gegenargument, das Sie immer wieder vorbringen, ist, es gäbe kein Geld dafür. Sie müssten eigentlich längst wissen, wie kurzsichtig dieses Argument ist. Richtiger ist wohl: Sie wollen dafür kein Geld ausgeben!

Es gibt viele Studien, die belegen, wie volkswirtschaftlich sinnvoll Investitionen in Bildung sind – mal ganz abgesehen von dem sozialen Anspruch und dem persönlichen Nutzen für jeden einzelnen Menschen! Der berühmteste Wissenschaftler, der sich mit diesen Fragen beschäftigt, ist der amerikanische Mathematiker, Volkswirt und Nobelpreisträger James Joseph Heckman, von dem diese Grafik stammt, die deutlich macht, warum es so viel wichtiger ist, in frühkindliche Bildung zu investieren als z.B. in das Schülerbafög. Sie sehen die Rendite für Investitionen in Bildung in den jeweiligen Altersgruppen – in den Vorschuljahren ist sie doppelt bis gut dreimal so hoch wie in dem Alter, in dem wir uns alle mindestens befinden.

Besser, sozialer und volkswirtschaftlich sinnvoller können wir unser Geld nicht ausgeben. Und ich verstehe nicht, wie der Finanzminister dieser Landesregierung das Land beschwichtigen kann, die nächsten für den BER wohl zusätzlich benötigten 440 Mio € seien da – ohne dabei rot zu werden! Für 2014, 2015, 2016 und 2017 wird jährlich mit gut 200 Mio zusätzlichen Steuereinnahmen gerechnet. Ja, wir wollten diesen Flughafen alle bauen – aber wenn Rot-Rot nicht diesen Flughafenbau so gewaltig an die Wand gefahren hätte, dann gäbe es Geld für Bildungsinvestitionen! Und die Rendite wäre sicher – im Gegensatz zu dem Flughafen, von dem kaum noch jemand glaubt, dass er jemals der Goldesel wird, der uns noch vor Kurzem leuchtend geweissagt wurde.

Ein weiteres von Prof Heckman begleitetes Projekt ist das Perry Preschool Project, das die Einwirkung von frühkindlicher Bildung auf den weiteren Lebenslauf untersucht, unter Einbeziehung von Schulabschlüssen, Berufswahl, Abhängigkeit von sozialer Wohlfahrt, Einkommen und davon abhängig: Steuerleistung. Nach diesem Projekt erstattet sich jeder in Bildung investierte Dollar 14-fach für die Gesellschaft. Aber wir haben dafür kein Geld – wie kurzsichtig.

Die kürzlich veröffentlichte nationale Studie zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit hat ergeben, dass 80% aller Betreuungseinrichtungen in Deutschland nur mittlere Qualität haben. Weniger als 10% leisten gute pädagogische Arbeit, mehr als 10% schlechte. Es gibt auch spezielle Brandenburger Ergebnisse, aber die sind uns bislang vorenthalten worden. Es besteht allerdings kein Anlass zur Annahme, dass das Gesamtergebnis in Brandenburg erheblich von bundesweiten abweicht.

Wir beantragen heute keinen Stufenplan für mehr Qualität in Kitas – und doch geht es uns genau darum. Um mehr pädagogische Qualität. Die wird auch durch die Rahmenbedingungen beeinflusst, aber eben nicht ausschließlich. Pädagogische Prozesse in den Einrichtungen lassen sich natürlich direkt beeinflussen. Hier setzen wir dieses Mal an. Wir wollen, ähnlich wie bei den Schulvisitationen, ein Monitoring-Instrument einrichten, das die Qualität von frühkindlicher Bildung in unserem Land extern und unabhängig erfasst. Dazu beantragen wir vorerst nur ein Konzept.

Dabei geht es uns insbesondere darum, eine Diskussion anzuregen und den Kindertagesstätten eine Hilfestellung für die Weiterentwicklung zu geben. Wir wissen, dass das berühmte Bildungsschwein vom Wiegen nicht fetter wird. Das bedeutet auch, dass qualitative Erfassung natürlich einhergehen muss mit verbesserten Rahmenbedingungen. Das Monitoring, das wir uns vorstellen, bezieht sich in erster Linie auf die sowieso verbindlichen „Grundsätze elementarer Bildung in den Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg“. Selbstverständlich begrüßen wir die konzeptionelle Vielfalt der Kitas und halten es für sinnvoll, dass die Träger ihre eigenen Qualitätssicherungssysteme beibehalten. Die Jugendämter müssen in der Lage sein, bzw. in dieselbe versetzt werden, gemeinsam mit den Trägern Unterstützung für die Einrichtungen anzubieten.

Gleichzeitig muss die pädagogische Qualität und Ausrichtung von Kindertagesstätten für Eltern transparenter und vergleichbarer erfassbar sein, als das heute der Fall ist.

Das ist unser letzter Antrag zur Baustelle Kita in dieser Legislaturperiode und ich bin gespannt, ob wir vielleicht diesmal Zustimmung finden. Oder ob SPD und Linke wirklich alles, was im Bildungswesen jetzt noch verbessert werden könnte, in das große Paket der Wahlkampfverheißungen packen und in die nächste Legislaturperiode verschieben.