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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der von SPD und LINKE, „Konzept für eine systematische Qualifizierung der Berufsorientierung“

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Manchmal wundert man sich über die verborgenen Kräfte, nach denen bei dieser Landesregierung Dinge in Bewegung gesetzt oder auch ausgebremst werden. Da wird Herr Baaske Bildungsminister und nimmt in dieses Ministerium die berufliche Bildung, die in der letzten Legislaturperiode in seinem alten Ministerium angesiedelt war, mit. Da denkt man sich natürlich: Aha, der Mann hat etwas vor. Er denkt sich sicher etwas Konkretes dabei. Oder etwa nicht? Warum stellt jetzt die Linke diesen Antrag?

(Zurufe: Die Koalition!)

- Ja, ich höre zu und bin sehr gespannt, was dabei herauskommt.

In Brandenburg hatten im Jahr 2013 2,2 % der Menschen ab dem 15. Lebensjahr keinen Berufsabschluss. Damit liegen wir im Bundesvergleich auf dem vierten Platz und sind um 1,6 % besser als der Bundesdurchschnitt, der bei 3,8 % liegt. Das ist im Gegensatz zu so vielen anderen Dingen im Bildungsbereich ausnahmsweise keine rote Laterne, sondern ein richtig guter Wert. Zum Teil liegt es sicher auch daran, dass die wirklich schwierigen Gruppen, nämlich Jugendliche mit Migrationshintergrund, bei uns statistisch kaum relevant sind. Natürlich ist jeder Jugendliche ohne Berufsausbildung einer zu viel, und die Debatten, die momentan bundesweit mit dem Ziel einer Ausbildungsgarantie geführt werden, sollten an uns nicht vorbeigehen.

Ja, Analyse und konkrete Empfehlungen zur Umsetzung sind gut und richtig. Wir begrüßen auch die besonderen Angebote für Menschen mit schlechten Startchancen. Eines wäre zum Beispiel, die Inklusion im Bereich der Schule weiter voranzutreiben, aber das haben Sie ja leider ausgesetzt. Schaffung und Ausbau zuverlässiger Verantwortungsstrukturen auf regionaler Ebene - auch das könnte eine spannende Forderung sein, aber da ja nicht einmal erwähnt wird, wie sich denn eigentlich Verantwortung in diesem Zusammenhang definiert, bleibt die Forderung ziemlich diffus. Die Verknüpfung schulischer Berufsorientierung mit den Systemen der beruflichen Ausbildung ist sicher der richtige Weg und wird an vielen Orten hervorragend praktiziert, wie Frau Dannenberg schon gesagt hat. Lassen Sie die Oberstufenzentren an die Schulen! In den OSZs sitzen die Fachleute, wenn es um Berufsorientierung geht.

Apropos OSZs: Wie schaffen wir es eigentlich, dass das Angebotsspektrum der OSZs, die derzeit etwa für 200 Berufe ausbilden, angesichts der demografischen Veränderungen auch nur annähernd erhalten bleiben kann? Wie unterstützen wir die OSZs bei der jetzt schon dringenden Suche nach Fachlehrkräften? Darauf wird ein solches Konzept hoffentlich auch Antwort geben. Was sich hinter einem flächendeckenden Regelangebot „Übergangsmanagement“ verbirgt, darauf dürfen wir gespannt sein.

Wir hoffen natürlich, es geht um das, was beispielsweise in Hamburg umgesetzt und in Berlin diskutiert wird: eine Form der Jugendberufsagentur, die auf die Bedürfnisse eines Flächenlandes zugeschnitten ist und in der für Schülerinnen und Schüler sowie Ausbildungsanbieter der schier unüberschaubare Dschungel an Maßnahmen gelichtet wird. Der Antrag benennt das Instrument „Jugendberufsagentur“ zwar nicht, aber das ist eigentlich das, was wir brauchen: eine ganzheitliche, rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit an der Schnittstelle zwischen SGB II, III und VIII, also der Agentur für Arbeit, den Grundsicherungsstellen und den Trägern der Jugendhilfe gemeinsam unter einem Dach. So profitieren die Jugendlichen von Angeboten, die unter den Instanzen abgestimmt sind. Wir könnten so Ressourcen verstärken und die Integration in Ausbildung oder Arbeit für junge Menschen deutlich fördern. Das Ziel muss natürlich sein, jeder und jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anzubieten.

Wenn ich den Entschließungsantrag der CDU lese, frage ich mich, warum wir so eng gehäkelt denken müssen, wenn wir die Fragestellung doch auch ein bisschen umfassender angehen könnten? Was ihr da aufgeschrieben habt, ist unschädlich. Aber warum so kleinteilig, wenn es der Debatte doch guttäte, würden wir etwas umfassender an die Fragestellung herangehen?

(Vereinzelt Beifall)

Ich denke, wir werden dem CDU-Antrag zustimmen. Hättet ihr euch in der Schule ein bisschen mehr der Gedichtinterpretation gewidmet, dann hättet ihr wahrscheinlich sehen können, dass das, was ihr wollt, aus dem Koalitionsantrag eigentlich auch herauszulesen sein könnte.

(Hoffmann [CDU]: Es steht da aber nicht drin; darum haben wir ja einen eigenen Antrag geschrieben!)

In der Hoffnung, dass die Punkte, die ich genannt habe, in dem Konzept, das die Koalition sich wünscht, enthalten sind und dass wir in der Debatte hinsichtlich der Umsetzung noch konkrete Ziele vereinbaren können, dass die potenziell Beteiligten früh an die Hand genommen und einbezogen werden - von der Kooperation mit Berlin will ich gar nicht mehr reden -, warten wir die verbleibende Zeit ab und stimmen natürlich zu.

(Beifall B90/GRÜNE und der Abgeordneten Große [DIE LINKE])