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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen „Brandenburger Schulsystem demografiefest machen – Anreize für die Gründung von Schulzentren schaffen“

>> Unser Antrag als pdf-Datei

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Mit der Einrichtung der Demografiekommission zur Zukunft der Grundschulversorgung in der letzten Legislaturperiode hat die Landesregierung einen richtig klugen Schritt getan.

(Beifall der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Schade, dass Frau Münch nicht da ist, ich hätte mir gewünscht, Sie hörte das. Sie hat Vertreterinnen und Vertreter der Schulträger, der Eltern, der Lehrerinnen und Lehrer, der Gewerkschaften, der IHK, der Politik und der Verwaltung und Wissenschaft über einen Zeitraum von einem Jahr über die Zukunft der Grundschulversorgung im ländlichen Raum beraten lassen - angesichts des zu erwartenden Schülerrückgangs von bis zu 65 % in manchen ländlichen Regionen, gerechnet über die Zeitspanne von 2011 bis 2030, eine große Herausforderung und genau die richtige Entscheidung.

Die Landesregierung hat hier nicht - wie zum Beispiel bei dem Projekt „Inklusion“ - den Beteiligten ein Ziel vor die Füße gespuckt, ohne ihnen den Bauplan dafür zu verraten oder das Baumaterial zur Verfügung zu stellen, sondern sie hat alle wichtigen Akteure zusammengerufen, um sie gemeinsam einen Bauplan entwerfen zu lassen.

Im November 2013 wurde er mit der zentralen Empfehlung, zeitnah Filialbildungen von Grundschulen für die Klassenstufen 1 bis 4 generell umzusetzen, veröffentlicht. Hiermit liegt ein Vorschlag vor, der, wenn er sinnvoll eingefädelt wird, auf relativ große Zustimmung im Land hoffen kann. Nun wissen wir alle, dass solche Veränderungsprozesse nicht von selbst zu einem Erfolg werden. Wenn man einen Erfolg haben will, dann braucht es Koordination von einer übergeordneten Ebene und es braucht sensible Beratung und zumindest punktuelle Anreize.

Der Koalitionsvertrag sagt hierzu nur, die Regierung wolle kleine Grundschulen mit flexiblen Modellen erhalten und sich dabei an den Empfehlungen der Demografiekommission orientieren. Das ist noch keine Umsetzungsstrategie. Wenn wir die Chance nutzen wollen, gemeinsam diesen erarbeiteten Bauplan umzusetzen, dann sollten wir uns jetzt - ein gutes Jahr nach der Verabschiedung dieser Empfehlungen - allmählich Gedanken machen, wie die Ziegel aussehen sollen und woher der Mörtel kommt. Das ist die erste Forderung unseres Antrags: bis zum 3. Quartal 2015 Anreize und Unterstützungsangebote für die Umsetzung der Empfehlungen der Demografiekommission zu schaffen.

Zweitens: So sicher wie das Amen in der Kirche wird der Schülerrückgang in der Grundschule ein paar Jahre später auch die weiterführenden Schulen betreffen. Um sich auszumalen, wie groß die Kontroverse sein wird, braucht man kein einziges Mal im Leben im Bildungsausschuss gesessen zu haben. Dann geht es ans Eingemachte, an die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Schulformen, die wir so, wie wir das jetzt kennen, nicht überall werden aufrechterhalten können.

Um diese Veränderungen gut vorzubereiten, ist eine weitere Demografiekommission - nennen wir sie Demografiekommission II - noch viel nötiger, als es bei den Grundschulen der Fall war; denn die Verteilungsdebatten werden im Bereich der weiterführenden Schulen viel härter werden. Und wir täten gut daran, uns des im Lande vorhandenen und auch des externen Sachverstandes zu bedienen und all diejenigen rechtzeitig einzubinden, die wir später dann auch zur Umsetzung brauchen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Die Einrichtung einer solchen Demografiekommission II ist übrigens auch eine dringende Empfehlung dieser genannten ersten Demografiekommission.

Ein kleiner Exkurs: Die Vertretung der Lehrkräfte hat als ergänzendes Votum in den Abschlussbericht aufnehmen lassen, auf regionaler Ebene eine Schulstruktur zu ermöglichen, die gemeinsames Lernen in den Jahrgangsstufen 1 bis 13 realisiert. Nach der Einrichtung der Demografiekommission II komme ich zur dritten Forderung unseres Antrags. Laut Koalitionsvertrag will die Landesregierung ermöglichen, dass sich Grundschulen mit Oberschulen bzw. Gesamtschulen und gegebenenfalls auch Gymnasien zu Schulzentren zusammenschließen. Das ist auch aufgrund der zu erwartenden demografischen Veränderungen ein ausgesprochen sinnvolles Modell, und theoretisch ist dieses Modell schon längst möglich.

Die Tatsache, dass es bislang nur in einigen wenigen Einzelfällen im Land umgesetzt worden ist, macht deutlich, dass eine Ermöglichung allein noch keine reife Frucht vom Baum fallen lässt. Auch hier braucht es Anreize und Unterstützungsmöglichkeiten, Beratung und strategisches Herangehen. Wenn wir unser Schulsystem demografiefest machen und dabei die betroffenen Menschen mitnehmen wollen, tun wir gut daran, sie an den Planungstisch zu holen. Genau das ist mit der Demografiekommission I passiert, und das war richtig gut; denn Hauruckaktionen wie die Auflösung der Schulämter, die keiner hier verstanden hat und die nur Ärger hervorgerufen hat, oder die misslungene Inklusionsplanung, die so viele fassungslos gemacht hat, solche Vorgehen sollten der Vergangenheit angehören. Wir brauchen nicht noch mehr Bauruinen im Bildungswesen, sondern wir brauchen die Menschen, die es umsetzen sollen. Und wir haben jetzt die Zeit dazu, mit ihnen gemeinsam zu planen. Nehmen wir sie mit und nutzen wir diese Chance!

(Beifall B90/GRÜNE)

Das Wort erhält erneut die antragstellende Fraktion, die Kollegin von Halem.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte hinterlässt mich etwas perplex. Erstens ist die Schlussfolgerung daraus, dass wir jetzt beantragt haben, dass über die Überweisung dieses Antrages in den Bildungsausschuss abgestimmt wird - jetzt, im Nachgang. Zweitens habe ich eigentlich von allen gehört, dass Sie das Anliegen insgesamt richtig und gut finden. Nur die SPD will den Antrag nicht, die Sachen allerdings trotzdem machen. Das wirkt auf mich ein wenig wie eine Trotzkindphase.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU sowie des fraktionslosen Abgeordneten Schulze - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Nein!)

- Ich schimpfe doch hier auf die SPD und gar nicht auf Sie. Das können Sie doch ertragen.

Lieber Gordon, Kommunal- und Funktionalreform abwarten - Herr Baaske hat es nochmals aufgegriffen -: Ich sehe das ähnlich. Ich denke, wir können ruhig anfangen. In der ersten Demografiekommission haben wir uns mit dieser Fragestellung auch befasst, Herr Baaske. Aus unserer Sicht ist klar, dass sich das, was wir dort an Schulstrukturen diskutiert haben, an Bevölkerungszahlen und -strukturen bemisst und nicht an Verwaltungsorganisationen. Die sinnvollen Verbünde, die wir vorgeschlagen haben, lassen sich bei egal welcher Verwaltungsstruktur umsetzen. Es ist kein hinreichender Grund, jetzt zu sagen: Wir warten auf die Kommunalreform.

Die Frage, die bezüglich Schulzentren und Gemeinschaftsschulen diskutiert wurde

(Zuruf von der CDU: Weiterführende Schulen!)

bzw. weiterführender, allgemeiner Schulen, macht für mich nochmals deutlich, wie wichtig es ist, eine solche breite Debatte zu führen. Schulzentren sind ein Zusammenschluss zwischen einer Grundschule und einer weiterführenden Schule - das ist gerade der Gedanke von Schulzentren. Das andere - wie wir Vielfalt aufrechterhalten können - betrifft die Frage, welche Schulformen auf der Ebene der Sekundarstufen I und II zusammengeschlossen sind. Das sind zwei Fragestellungen, die zwar in der Grundsache etwas miteinander zu tun haben, von denen aber die eine jeweils auch ohne die andere umzusetzen wäre.

Ich habe aus der Debatte herausgehört, dass es einerseits sehr viel Verständnis dafür gibt, dass wir da etwas machen müssen. Aber Frau Koß zum Beispiel hatte erwähnt, wir wollten die Vielfalt aufrechterhalten, und Herr Vida meinte, wir dürften die Demografie nicht als Berechtigung und Argument für eine gezielte Ausdünnung des ländlichen Raumes verwenden. Wenn ich diese Pole höre - und bedenke, dass wir tatsächlich in manchen ländlichen Regionen mit einer Bevölkerungsreduktion von bis zu 65 % rechnen müssen -, dann machen wir uns doch deutlich, wie groß diese Spanne ist! Dann passiert doch genau das, was ich eben gesagt habe: Da geht es bei dieser Diskussion ans Eingemachte - das ist deutlich geworden. All das ist aus meiner Sicht ein zwingender Grund dafür, dass wir diese Kommission und eine breite Debatte brauchen und früh damit anfangen müssen.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Jungclaus [B90/GRÜNE] und Vida [fraktionslos])

Wenn wir überlegen, was mit den Schulämtern oder der Inklusion passiert ist, dann ist deutlich: Wir müssen so früh wie möglich anfangen und die Leute breit einbeziehen. Offensichtlich stimmen alle inhaltlich zu. Auch die SPD, auch Herr Baaske sagen: Ja, wir werden es sowieso machen, es ist notwendig. - Wenn die SPD jetzt der Überweisung nicht zustimmt, könnte es auch bedeuten: Wir lassen uns ein wenig Zeit, wir strecken das Ganze so, dass es einen größeren Zeitraum umfasst; diese Debatte muss nicht in einem halben Jahr zu Ende sein. - Ich denke, wir sollten im Ausschuss darüber reden. Wenn die SPD den Antrag nicht überweist, ist es wirklich traurig, ein trauriges Zeichen für die Transparenzvorstellungen und den Umgang mit den Beteiligten.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und des fraktionslosen Abgeordneten Schulze)

Was ich jetzt in diesem Antrag gefordert habe, ist nicht auf unserem Mist gewachsen, sondern es sind Forderungen der Demografiekommission I. Wie erzählen Sie den Leuten, wie Sie mit ihnen umgehen, wenn Sie nicht einmal überweisen?

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und des fraktionslosen Abgeordneten Schulze)

Der Antrag wurde abgelehnt.