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Marie Luise von Halem spricht zur Aktuellen Stunde auf Antrag der CDU-Fraktion „Keine Bildungsexperimente beim Lehrplan: Fach-lichkeit sichern, Beliebigkeit verhindern“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

„Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ – sagt Einstein. Mancher, der für eine Prüfung büffelt, mag darüber lachen. Aber wissen wir nicht alle längst, dass wir Schule, dass wir Lernen anders organisieren müssen? Dass es nicht mehr darauf ankommt, Fakten verfügbar zu haben, sondern darauf, sich die richtigen Fakten verschaffen zu können, sie einzuordnen, zu kombinieren und mit den Fragestellungen zu verbinden, die sich uns stellen?

Wie viel ist in den letzten Jahren von der notwendigen Entschlackung der Lehrpläne geredet worden, und davon, wie wichtig es sei, den Fokus von den Fakten auf die Kompetenzen zu verlagern? Die nationalen Bildungsstandards der KMK treiben diese Entwicklung voran und die hier diskutierten Rahmenlehrpläne sind eine Antwort darauf. Auch wenn für viele diese Rahmenlehrpläne überraschend kommen mögen, so sind sie doch seit Jahren vorbereitet worden. Sie bauen auf einer Online-Befragung von Fachkonferenzen durch das LISUM im Jahr 2012, zu der es 1258 Rückmeldungen gab. Und sie setzen systematisch die von der KMK empfohlene Kompetenzorientierung und die Empfehlungen zur Medienbildung um. Auch die curriculare Grundlage für individuelle Förderung im Rahmen nicht nur von Inklusion, sondern auch der ganz normalen Heterogenität wird hier endlich gelegt. Dabei sind die vorgesehenen Niveaustufen sehr wohl leistungsorientiert und nicht der kuschelpädagogische Untergang des Abendlandes. - Ein weiteres Plus: Sowohl der Rahmenlehrplan als auch ihn unterstützende Unterrichtsmaterialien werden online verfügbar sein.

Allerdings, mal wieder: Es rumort in der Kiste. Manche Lehrkräfte fühlen sich überrumpelt. Insbesondere von den Geschichtslehrer_innen kommt Kritik an der für 5. und 6. Klasse vorgesehenen Zusammenfassung zum Fach Gesellschaftswissenschaften sowie an der für 7./8. Klasse vorgesehenen Längsschnittbehandlung einzelner Themen. Ich selbst habe gerade durch eine solche Längsschnittbehandlung, nicht das chronologische Abarbeiten historischer Fakten, sondern erst durch die Anknüpfung an der eigenen Lebenswelt, an den aktuellen politischen Fragen, den Geschmack für Geschichte entwickelt, Geschichte-Leistungskurs gewählt und dann auch ein paar Semester Geschichte studiert. Für mich war genau die Loslösung vom chronologischen Abarbeiten der Zündfunke!

Und wir zaubern ja hier keinen Alleingang. Viele Länder haben bereits diese Fächer zusammengelegt. Auch an Universitäten werden Lehrkräfte danach ausgebildet. Nur leider noch nicht bei uns. Die Welt funktioniert eben nicht entlang von Fächergrenzen wie Geschichte oder Politik, und schon gar nicht in den Köpfen von 5.- oder 6.-Klässlern. Viele Fragestellungen sind übergreifend und müssen von den Lernenden auch als Problemstellungen in ihre Lebenswelt integriert beantwortet werden. Klar ist ja auch: Die Stundentafel bleibt dieselbe!

Allerdings gibt es auch Bildungsforscher, die vor einer Verflachung der Inhalte warnen, vor zunehmend fachfremd erteiltem Unterricht und davor, dass diese Fächerzusammenlegung zum Sparschwein für ländliche Regionen zu werden droht. Da müssen wir genau hinsehen.

Diese Umsetzungsfragen scheinen noch nicht ganz klar. Manche Lehrkräfte befürchten, schon zu Beginn des neuen Schuljahres die neuen Rahmenlehrpläne 1:1 umsetzen zu müssen. In Berlin wie in Brandenburg geistert zudem das Gerücht, die Konsultationsphase sei eine Farce, weil die Schulbuchverlage die Bücher schon fertig hätten. Hier muss vielleicht an der Kommunikation noch nachgebessert werden.

Die Grundlinie, die Ansprüche an das Wissen zu reduzieren und statt dessen auf Kompetenzen zu setzen, ist gut und richtig. Bei der Umsetzung jedoch dürfte noch etwas mehr Phantasie ins Spiel kommen.