Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der AfD-Fraktion „Erfassung des Unterrichtsausfalls“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Ja, Unterrichtsausfall ist ein Problem. Auf mehreren Ebenen. Erstens: Ein Schulfach wird nicht unterrichtet, Wissenslücken können entstehen. Zweitens: Im Gegensatz zu von Lehrerinnen und Lehrern schlecht erteiltem Unterricht oder von Kindern verträumten Stunden ist der Ausfall von Unterricht etwas, das Eltern wahrnehmen. Und natürlich pochen Eltern darauf, dass die Kinder kriegen, was ihnen zusteht: Unterricht. Dafür ist das Land verantwortlich! Drittens: Wenn Lehrkräfte ausfallen, findet Teilungsunterricht und individuelle Förderung oft nicht statt. Das ist ein großes Problem vor allem für schwächere Schülerinnen und Schüler. Nicht zuletzt deshalb gibt es die großen Vorbehalte gegen das Projekt Inklusion. Diese Entwicklung sehenden Auges hingenommen zu haben, gehört zu den großen Versagen dieser Landesregierung.

Knapp 1.500 Schülerinnen und Schülern fehlten Noten im Halbjahreszeugnis. Nein, das darf nicht hingenommen werden! Natürlich muss das Land den Unterricht garantieren, der den Kindern zusteht. Aber trotzdem – um das gleich vorweg zu nehmen – werden wir Ihren Antrag ablehnen.

So wie Sie ihn gestellt haben, ist er gar nicht umzusetzen. Was ist denn „fachliche Adäquanz“? Ist es fachlich adäquat, wenn nicht der vorgesehene Fachlehrer in der Klasse ist, aber Unterricht in dem Fach stattfindet? Oder muss die vertretende Lehrerin Fachlehrerin für das Fach sein? Was passiert, wenn der vorgesehene Fachlehrer ausfällt, und statt dessen fachübergreifender Projektunterricht stattfindet? Oder Unterricht in einem anderen Fach und der fehlende Fachunterricht nachträglich ausgeglichen wird? Da schnüffelt das Bürokratiemonster.

Und selbst wenn wir uns auf ein Erfassungsverfahren einigen könnten, was wäre dann gewonnen? Rein gar nichts.

Wir sind doch schon viel weiter, wir wissen doch längst, dass die Probleme ganz woanders liegen!

Wir haben schulinterne Vertretungsbudgets, die nicht abgerufen werden, weil es die Menschen nicht gibt, die einspringen könnten.

Wir haben höchst unterschiedliche Vertretungskonzepte in den einzelnen Schulen. Woran liegt es, dass die einen das besser schaffen als die anderen und welche Unterstützung gibt es vom Land, vom LISUM, bei der Konzeption von Vertretungskonzepten? Der neue Rahmenlehrplan wird da helfen, da gibt es Unterrichtsmaterialien, mit denen dann wahrscheinlich im Vertretungsfall auch die fachfremde Lehrerin fachgerecht unterrichten kann!

Und wir wissen, dass es nicht um die einzelne Stunde geht. Erinnern Sie sich doch an Ihre eigene Schulzeit. Oder, wenn das zu lange her ist, erinnern Sie sich an die Plenarsitzungen (die Lehrkräfte mögen den Vergleich entschuldigen!). Wächst unser Wissen linear mit jeder hier verbrachten Stunde oder hängt es von den RednerInnen ab, ob wir uns merken, was sie sagen?

Schließlich müssen wir uns allmählich von der ‚Ein-Lehrer-steht-vor-der-Klasse-und-macht-Frontalunterricht-Wunschvorstellung’ lösen. Im Zusammenhang mit der Unterrichtsausfall-Debatte ist ‚Stillbeschäftigung’ das große Unwort. Wie erklären Sie es sich denn, dass Schulpreis-gekrönte Schulen einem sagen, bei ihnen gelinge individuelle Förderung so gut, weil sie Lehrer einsetzen können, die dadurch frei werden, dass Kinder sich Lerninhalte selbständig erarbeiten?

Ja, wir brauchen mehr Lehrkräfte und vor allem mehr Fortbildung und mehr Unterstützung. Aber wir brauchen unsere Schulen nicht mit dem bürokratischen Mehraufwand zu belasten, der Ihnen vorschwebt. Wir wissen, in welchem Pfeffer der Hase liegt und wir wollen die spärlichen Ressourcen da einsetzen, wo sie Schule besser machen!