- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede
„Die Jugendlichen kommen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Irak, dem Sudan oder aus Vietnam. .... [Das Haus] nimmt jeden auf, unabhängig von Nationalität, Kultur oder Religion. ‚Das war damals ein Versuch für das Land Brandenburg, aber ich denke, er ist gelungen. Nach einer Anpassungszeit von etwa einem halben Jahr genießen die Kinder und Jugendlichen das Zusammenleben hier sehr’, sagt die Leiterin Mathilde Killisch. ...
Dabei ist die Situation denkbar schwierig, wenn die Flüchtlingskinder ankommen: Sie befinden sich plötzlich in einer für sie völlig fremden Kultur, ohne Familie oder Freunde. Manche wurden auf der Flucht von ihren Eltern getrennt; andere – vor allem junge Männer - wurden in einen Bus gesetzt und losgeschickt, um sie vor Anschlägen und Terror zu schützen. "Manchmal", sagt Mathilde Killisch, "reichen unsere pädagogischen Erfahrungen nicht aus. Dann beantragen wir eine Psychotherapie, entweder in der Muttersprache der Kinder oder mit einem Dolmetscher.’"
Das ist auf den Seiten der Bundesregierung zu lesen anlässlich der Verleihung der Integrationsmedaille 2014 an Mathilde Killisch, die Leiterin von ALREJU (Alleinreisende Jugendliche) in Fürstenwalde. Seit 20 Jahren ist Frau Killisch dort Heimleiterin, hat 1.750 Jugendliche ins Leben begleitet und ein Haus geschaffen, das bundesweit Vorbildcharakter hat. Ihr und all den MitarbeiterInnen dort gebührt großer Dank dafür.
Handlungsbedarf besteht jetzt, weil der Bund plant, die Verteilung dieser allein reisenden Kinder und Jugendlichen künftig nach dem Königsteiner Schlüssel zu gestalten. Das bedeutet, dass wir statt der momentan 80 künftig ca. 400 Kinder und Jugendliche in Brandenburg betreuen werden. Wir sollten uns also schleunigst Gedanken machen, wie wir mit dieser Verfünffachung umgehen.
Zusätzlich zu ALREJU benötigen wir weitere spezialisierte Jugendhilfeeinrichtungen, die nach unseren Vorstellungen nach dem Vorbild von ALREJU arbeiten. Wichtig ist uns hier vor allem, dass die Unterbringung in den Jugendhilfeeinrichtungen kinder- und jugendhilfegerecht und unter Beachtung des Kindeswohls nach der UN-Kinderrechtskonvention erfolgt.
Dazu müssen auf drei Ebenen Veränderungen erfolgen:
Erstens: Die Kommunen sind laut Gesetz für die sofortige Inobhutnahme der Kinder und Jugendlichen, die ohne Verwandte geflüchtet sind, zuständig. Für sie wird es nun immer öfters heißen, eine passende und vor allem eine spezialisierte Jugendhilfeeinrichtung zu finden, die den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden kann. Hier brauchen wir gut angebunde Kommunen, die medizinische, soziale sowie therapeutische Betreuungsmöglichkeit bieten können. Außerdem ist auf einen jugendadäquaten Sozialraum zu achten. In den Einrichtungen oder besser noch in Kooperation mit Schulen ist der Bildungszugang zu gewährleisten und älteren Jugendlichen Ausbildungsperspektiven zu eröffnen. Erst kürzlich wurde in der Presse die gute Idee des Fürstenwalder Aus- und Weiterbildungszentrums beschrieben, das den jungen Flüchtlingen erst einmal Berufspraktika ermöglicht, aus denen sich dann auch dauerhafte Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisse ergeben können.
Der zweite Adressat unserer Forderungen ist die Landesregierung. Sie muss gewährleisten, dass die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge maximal wenige Tage in der Zentralen Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt oder deren Außenstellen untergebracht werden. Wichtig ist uns, dass das MBJS als oberste Landesjugendbehörde die Unterbringung der Jugendlichen koordiniert und die örtlichen Jugendämter bei dieser Aufgabe unterstützt. Hier bedarf es einer koordinierenden Instanz, die auch ein einheitliches Clearingverfahren im Blick hat. Zudem muss eine Gesundheitsversorgung sicher gestellt werden, die mehr umfasst, als nur die Leistungen nach §6 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Wir begrüßen sehr, dass wir uns mit der Koalition auf das Ziel einer landesgesetzlichen Regelung einigen konnten, in der die Zuständigkeit auf eines oder ausgewählte Jugendämter übertragen wird. Dies darf natürlich nicht zu Lasten der Kommunen passieren. Das Land ist hier finanziell weiterhin verantwortlich.
Der dritte Adressat ist die Bundesebene. Hier fordern wir die Landesregierung auf, sich für die Heraufsetzung der Verfahrensmündigkeit auf 18 Jahre einzusetzen, für bundesweit geltende Clearingstandards und eine Überprüfung des Verfahrens zur Alterseinschätzung.
Wir freuen uns, dass es gelungen ist, im Neudruck einen gemeinsamen Antrag mit der Koalition einzureichen, in der Hoffnung, aus den guten Erfahrungen von ALREJU lernen und davon landesweit profitieren zu können.
Der Antrag wurde angenommen!