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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der Fraktionen SPD und Linke „Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt in Brandenburg ausbauen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Für alle Charta-Sprachen in Deutschland gilt: Sie sind mittelfristig, latent oder akut vom Aussterben bedroht. ... [Wir] befinden uns in der Intensivstation. Lebensrettende Vorkehrungen sind notwendig." (Dr. Andrea Willi, Mitglied des Expertenkomitees der Europäischen Charta für Regional- oder Minderheitensprachen).

Eigentlich schön, dass wir anderthalb Jahre nach der Verabschiedung des Sorben-Wenden-Gesetzes mal wieder einen Antrag zum Thema Regional- und Minderheitensprachen im Parlament diskutieren!

Aber dieser Antrag, der in der naiven Abstraktheit der formulierten Forderungen ein bisschen den Anschein erweckt, wir redeten über ein völlig neues Thema, ist doch bemerkenswert: Es handelt sich um ein Paradebeispiel für die politische Brückentechnologie der Tatenlosigkeit.

Interessant ist der im heutigen Antrag formulierte Anspruch der ‚Revitalisierung’ – allerdings Bezug nehmend auf den Entschließungsantrag vom Januar 2014 (DS 5/8420; pdf-Datei), in dem wiederum nur von einer Revitalisierung der niedersorbisch/wendischen Sprache im Zeitraum zwischen 1994 bis 2014 die Rede ist, mitnichten also von dem Anspruch einer in die Zukunft gerichteten Revitalisierung! Darf ich Sie daran erinnern: Wir BündnisGrüne haben gemeinsam mit dem Abgeordneten Hoffmann dafür gestritten, dass der Anspruch auf ‚Revitalisierung’ der sorbisch-wendischen Sprache und Kultur Eingang in das Gesetz findet! Sie als Abgeordnete der Koalitionsfraktionen haben das damals abgelehnt! Dass Revitalisierung nicht Ihr Anliegen war, wurde ja auch daran deutlich, dass Sie die mögliche Ausweitung des angestammten Siedlungsgebietes der Sorben/Wenden auf zwei Jahre befristet haben. So wird die im ersten Absatz Ihres heutigen Antrages erwähnte ‚Revitalisierung’ nichts als eine inhaltsleere Worthülse.

Der Antrag bekennt sich zu einem Entschließungsantrag von vor anderthalb Jahren sowie zu einem auf Bundesebene erstellten Grundsatzpapier vom November 2014.

Im Entschließungsantrag vom Januar 2014 wird die Landesregierung u.a. aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass bei Einstellungen in den öffentlichen Dienst regelmäßig geprüft wird, ob – so relevant – niedersorbische Sprachkenntnisse erforderlich sind, dass Lehrkräfte an den Schulen mit Niedersorbisch beim Erwerb von Sprachkenntnissen unterstützt werden, dass die Verwendung der Sprache im angestammten Siedlungsgebiet den Festlegungen entspricht, und so weiter. Wie wäre es denn, wenn die Landesregierung uns mal über das Ergebnis der damals formulierten Aufforderungen berichten würde? Anstatt dass die Koalitionsfraktionen uns solch einen windigen Überbrückungsantrag vorlegen?

Und in der Tat steht es ja nicht zum Besten mit der Förderung: So werden am Niedersorbischen Gymnasium 12 Schülerinnen abgelehnt und gehen damit der Community verloren: Nur Sprachunterricht ist eben etwas anderes als biligualer Unterricht! Hier sollte mal darüber nachgedacht werden, ob nicht zur Minderheitenförderung die starren Regeln zur Klassenbildung gelockert werden sollten! Und warum verzögert sich die Evaluation des Witaj-Projektes so lange? Nur um zu verhindern, dass hier endlich ein Regelstatus festgeschrieben wird? Und warum können nicht wie in Sachsen mit Lehrkräften und Erzieherinnen Vorverträge ausgehandelt werden, um ihnen eine Perspektive anzubieten, bevor sie die Sprachausbildung auf sich nehmen? Das hat alles mit Revitalisierungsunterstützung nichts zu tun!

Kann es sein, dass die Linke hier mal wieder was gewollt hat, der SPD das Nichtstun lieber war und sie dem kleineren Koalitionspartner großzügig konzediert hat, diesen Antrag zu stellen, der nichts Konkretes enthält, außer dem Auftrag an die Landesregierung, ein Konzept zu erstellen in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode! Die beginnt im Mai 2017. Und das Ende der derselben winkt sogleich auch, mit dem alle gegebenenfalls im Nachgang des Konzeptes zu beschließenden Maßnahmen dann wieder der Diskontinuität anheimfallen. – Ein Hoch auf Ihr zupackendes Regierungshandeln!

Das ist Ihre politische Brückentechnologie: Handeln strengstens verboten! Um das zu kaschieren, setzt man mal einen dünnen Pfeiler auf den Boden, nur um nach außen kommunizieren zu können, man habe sich eines Themas angenommen. Und meint, damit wieder auf Jahre die Tatenlosigkeit überbrücken zu können.

Dieser Antrag ist so windig, dass es uns sehr schwer fiel, uns zu einer Zustimmung durchzuringen. Noch tut die Landesregierung zu wenig, um unsere Charta-Sprachen von der Intensivstation zu holen!