Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der BVB / FREIE WÄHLER Gruppe „Darstellung der Unterrichtsausfallstunden bei Zeugniserteilung“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Ja, Unterrichtsausfall ist ein Problem in Brandenburg. Auf mehreren Ebenen. Erstens: Ein Schulfach wird nicht unterrichtet, Wissenslücken können entstehen. Zweitens: Im Gegensatz zu von Lehrerinnen und Lehrern schlecht erteiltem Unterricht oder von Kindern verträumten Stunden ist der Ausfall von Unterricht etwas, das Eltern wahrnehmen. Und natürlich pochen Eltern darauf, dass die Kinder kriegen, was ihnen zusteht: Unterricht. Dafür ist das Land verantwortlich! Drittens: Wenn Lehrkräfte ausfallen, findet Teilungsunterricht und individuelle Förderung oft nicht statt. Das ist vor allem eine Benachteiligung der schwächeren Schülerinnen und Schüler. Die Sonderpädagogen werden für den Unterricht eingesetzt und können sich nicht der individuellen Förderung Einzelner widmen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Landesregierung es bis heute nicht geschafft hat, das zu unterbinden, glauben immer weniger Menschen an das Projekt Inklusion. Diese Entwicklung sehenden Auges hinzunehmen, gehört zu den großen Versagen dieser Landesregierung. Jahrelang haben wir immer wieder beantragt, mehr Lehrkräfte einzustellen. In den satten Jahren, als wir noch überreichlich Bewerber*innen hatten. Das sieht ja jetzt leider anders aus. Auch hier hat die Landesregierung versagt: Es kann niemand sagen, wir hätten nicht gewusst, dass wir auf einen Engpass zusteuern!

Nein, auch wir wollen, dass Unterricht erteilt wird. Gut erteilt wird. Natürlich muss das Land den Unterricht garantieren, der den Kindern zusteht. Aber trotzdem – um das gleich vorweg zu nehmen – werden wir Ihren Antrag ablehnen.

So wie Sie ihn gestellt haben, ist er gar nicht umzusetzen. Was ist denn „Unterrichtsausfall“? Wenn die eigentlich vorgesehene Lehrerin nicht da ist, aber Unterricht in dem Fach stattfindet? Oder muss die vertretende Lehrerin Fachlehrerin für das Fach sein? Was passiert, wenn fachübergreifender Projektunterricht stattfindet? Oder Unterricht in einem anderen Fach und der fehlende Fachunterricht nachträglich ausgeglichen wird? Oder die Schülerinnen und Schüler sich fachliche Inhalte nach vorheriger Anleitung selbst erarbeiten? – Ich sehe, Ihre eigentliche Sehnsucht ist die nach einem Bürokratiemonster!

Und selbst wenn wir uns auf ein Erfassungsverfahren einigen könnten, was wäre dann gewonnen? Rein gar nichts.

Wir sind doch schon viel weiter, wir wissen doch längst, dass die Probleme ganz woanders liegen!

Wir haben schulinterne Vertretungsbudgets, die nicht abgerufen werden, weil es die Menschen nicht gibt, die einspringen könnten.

Wir haben höchst unterschiedliche Vertretungskonzepte in den einzelnen Schulen. Woran liegt es, dass die einen das besser schaffen als die anderen und welche Unterstützung gibt es vom Land, vom LISUM, bei der Konzeption von Vertretungskonzepten? Der neue Rahmenlehrplan wird Unterrichtsmaterialien anbieten, mit denen im Vertretungsfall auch die fachfremde Lehrerin fachgerecht unterrichten kann!

Und wir wissen, dass es nicht um die einzelne Stunde geht. Mal ehrlich: Wie viele Schulstunden haben Sie selbst verträumt? Oder dieses Plenum hier: Wächst unser Wissen linear mit jeder hier verbrachten Stunde oder hängt es von den Redenden ab, ob wir uns merken, was sie sagen?

Schließlich müssen wir uns allmählich von der überkommenen ‚Ein-Lehrer-steht-vor-der-Klasse-und-macht-Frontalunterricht-Vorstellung’ lösen. Im Zusammenhang mit der Unterrichtsausfall-Debatte ist ‚Stillbeschäftigung’ das große Unwort. Wie erklären Sie es sich denn, dass Schulpreis-gekrönte Schulen einem sagen, bei ihnen gelinge individuelle Förderung so gut, weil sie Lehrer einsetzen können, die dadurch frei werden, dass Kinder sich Lerninhalte selbständig erarbeiten?

Ja, wir brauchen mehr Lehrkräfte und vor allem mehr Fortbildung und mehr Unterstützung. Aber wir brauchen unsere Schulen nicht mit dem bürokratischen Mehraufwand zu belasten, der Ihnen vorschwebt. Wir wissen, wo der Hase im Pfeffer liegt und wir wollen die spärlichen Ressourcen da einsetzen, wo sie Schule besser machen!