- Es gilt das gesprochene Wort!
[Anrede]
Nun haben wir den dritten Antrag in dieser Legislaturperiode zum Thema fachbezogene Vertretung bei Unterrichtsausfall. Die Begründungen der Ablehnung werden auch nicht anders und die Sach- und Faktenlage hat sich auch nicht verändert. Ja richtig, es ist eine Petition, die mittlerweile mehr als 4.700 Menschen unterschrieben haben. Das macht es aber auch nicht besser. Nun zur Begründung, warum wir diese Petition zu zwei Drittel ablehnen:
Ja, Unterrichtsausfall ist ein Problem. Auf mehreren Ebenen. Erstens: Ein Schulfach wird nicht unterrichtet, Wissenslücken können entstehen. Zweitens: Im Gegensatz zu von Lehrerinnen und Lehrern schlecht erteiltem Unterricht oder von Kindern verträumten Stunden ist der Ausfall von Unterricht etwas, das Eltern wahrnehmen. Und natürlich pochen Eltern darauf, dass die Kinder kriegen, was ihnen zusteht: Unterricht. Dafür ist das Land verantwortlich! Drittens: Wenn Lehrkräfte ausfallen, findet Teilungsunterricht und individuelle Förderung oft nicht statt. Das ist ein großes Problem vor allem für schwächere Schülerinnen und Schüler.
Schließlich müssen wir uns allmählich von der ‚Ein-Lehrer-steht-vor-der-Klasse-und-macht-Frontalunterricht-Wunschvorstellung’ lösen. Im Zusammenhang mit der Unterrichtsausfall-Debatte ist ‚Stillbeschäftigung’ das große Unwort. Wie erklären Sie es sich denn, dass Schulpreis-gekrönte Schulen einem sagen, bei ihnen gelinge individuelle Förderung so gut, weil sie Lehrer einsetzen können, die dadurch frei werden, dass Kinder sich Lerninhalte selbständig erarbeiten? Wie passt das zusammen? Im – auch Schulpreis-preisgekrönten - Evangelischen Gymnasium in Neuruppin unterrichten zuweilen Schüler der höheren Klassen die unteren. Der oder die LehrerIn ist dann auch mal zwischendurch entbehrlich. Und ich glaube nicht, dass die Schülerinnen und Schüler deshalb weniger lernen. Von den Lehrkräften lernen die Schüler übrigens sowieso nur 20 % all dessen, was sie überhaupt lernen.
Das gibt doch zu denken! Wir müssen weg von der Vorstellung, eine Lehrerin müsse eine Klasse möglichst frontal unterrichten, sonst lerne niemand etwas. Um das zu schaffen, brauchen wir gute Lehrerteams, die sich untereinander absprechen und Unterricht gemeinsam planen. Dafür sind die meisten Lehrkräfte nicht ausgebildet, und solange die Fortbildung in diesem Land so stiefmütterlich behandelt wird, wird sich wahrscheinlich wenig bewegen.
Wenn hier nun die fachbezogene Unterrichtsvertretung gefordert wird, dann wird dies nur gelingen, wenn wir so etwas wie Bereitschaftsdienste wie im Gesundheitswesen einführen. Wollen Sie wirklich Lehrkräfte dafür bezahlen, dass sie auf den Stundenausfall der KollegInnen im Lehrerzimmer warten? Das ist nur eine immense Ressourcenverschwendung. – Oder aber fremde Menschen herangekarrt werden, um vor einer Klasse, die sie nie gesehen haben, Fachunterricht abhalten? – Nein, so einfach ist die Welt nicht. Die Hirne von Kindern sind doch keine Trichter (die von Erwachsenen übrigens auch nicht!), die all das ungefiltert in sich aufnehmen, was man in sie hinein schüttet! Nein: Lernerfolge bemessen sich eben nicht allein am abgesessenen Stundenvolumen!
Die geforderte Erhöhung des Vertretungsbudgets auf 10% würde den Unterrichtsausfall auch nicht auf Null senken und birgt in dieser utopischen Höhe auch die Gefahr der eben beschriebenen Bereitschaftsdienste. Zudem schwankt der Krankenstand je nach Monat extrem, von ca. 0% kurz nach den Sommerferien bis hin zu 20 oder 30% in den Grippemonaten.
Hier sehen wir uns auf einer Linie mit dem Landeselternrat. Unsere Unterstützung findet die Petition auch in der Erhöhung der Ausbildungskapazitäten. Hier muss aber auch gesagt werden, dass a) noch lange nicht hier Lehrerin wird, wer hier ausgebildet wird und b) es bis zu 8 Jahre dauert, bis eine Studienanfängerin in der Schule ankommt. Als kurzfristige Lösung kommt diese Forderung deshalb nicht in Betracht.
Allein schon die ewige Wiederholung dieses Themas zeigt doch, dass es beim Lerneffekt nicht auf die Redezeiten ankommt!