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Marie Luise von Halem spricht zum Konzept der Landesregierung zur Stärkung von Schulzentren

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Was die Landesregierung hier vorlegt, ist alles schön und gut. Der große Wurf ist es nicht. Eher ein erneutes Beispiel dafür, wie man mit vielen wohlformulierten Sätzen überdecken kann, dass man eigentlich nicht viel Neues zu sagen hat. Frei nach Hans Christian Andersen: Eigentlich ist der Kaiser nackt!

‘Konzept zur Stärkung von Schulzentren’ heißt das neue Kleid, das sich der Kaiser hat weben lassen. Es ist auch nur vermeintlich neu, denn – wie im Konzept aufgeführt – es gibt schon 36 solcher ‘Schulzentren’ – wenn die auch wohl noch nicht wussten, dass sie so heißen. Trotzdem steht manches Gutes in dem Papier:

Z.B. das kommunale Infrastrukturprogramm. Das kann man in jedem Fall sinnvoll einsetzen. Insgesamt 80 Millionen, für mehr Barrierefreiheit, für die Umsetzung von Ganztagskonzepten, aber gerne auch für Schulzentren.

Wir begrüßen es auch, dass für die geplanten Zusammenlegungen von einer Grund- mit einer Ober- oder Gesamtschule in Zukunft auch mehr Anrechnungsstunden für Schulzentren zur Verfügung stehen sollen, wenn auch niemand weiß, ob die überhaupt für die Schulen spürbar sein werden. Auch die wissenschaftliche Begleitung ist positiv. Und dass in diesen schulstufenübergreifenden Einrichtungen ein Kollegium Primar- und Sekundarstufe betreut, ist sicherlich auch pädagogisch ein guter Ansatz.

Aber auf die Frage, was denn wirklich mit diesem Konzept anders wird, gibt es nur eine magere Antwort: Es ist die wissenschaftliche Begleitung. Die ist neu. Das war’s.

Für längeres gemeinsames Lernen ist wenig gewonnen.

Denn es geht vor allem um eine räumliche und organisatorische Zusammenlegung. Die Schülerinnen und Schüler lernen in den selben Klassen wie vorher, nur die Kontinuität beim Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule dürfte etwas größer sein. Das gepriesene gemeinsame Lernen definiert sich dadurch, dass es weiterhin Klassenverbände gibt und keinen Einzelunterricht. Nur die Lehrerinnen und Lehrer im neuen schulstufenübergreifenden Kollegium: Die lernen vielleicht etwas mehr gemeinsam als das sonst üblich ist.

Für einen pädagogischen Gewinn brauchen wir mehr. Z.B. wissen wir seit langem von den Defiziten bei den Ganztagsangeboten. Im Frühjahr letzten Jahres gab es eine Debatte im Zusammenhang mit der Genehmigung von Ganztagskonzepten an verschiedenen Grundschulen: Minister Baaske hatte angekündigt [im LSB im Mai 2015], Qualitätskriterien formulieren zu wollen. Wo sind die eigentlich?

Abgesehen davon gibt es noch zwei große Kritikpunkte:

Erstens: Mehr Durchlässigkeit soll erreicht werden, wird an mehreren Stellen im Konzept betont. Aber bei der Durchlässigkeit geht es doch vor allem um die unterschiedlichen Schulformen im Sekundarbereich! Da wäre es doch sinnvoll gewesen, das Gymnasium mit einzubeziehen! Oder über Fusionen von Ober- und Gesamtschulen in ländlichen Regionen nachzudenken?

Das leitet über zum zweiten großen Knackpunkt: An der eigentlichen Herausforderung, nämlich der demografischen Veränderung, haben Sie völlig vorbei gedacht! Was ist mit der Empfehlung der Demografiekommission, organisatorische Zusammenschlüsse mehrerer Grundschulen an unterschiedlichen Standorten zu erproben?

Im Antrag vom Dezember 2015 steht „Kleine Grundschulstandorte sollen mit flexiblen Modellen erhalten und mit Filialstandorten gesichert werden.“ – Dazu steht in dem jetzt vorgelegten Konzept kein einziges Wort! Da ist immer nur die Rede von EINER Grundschule und EINER weiterführenden Schule. Wo ist denn die Antwort auf das Problem der kleinen Grundschulen? Das wäre doch jetzt genau der richtige Anlass gewesen, diese Anregungen mit einzubeziehen!

Das, was Sie hier machen, ist kein schlechtes Vorhaben. Nur: In der Sache geht das alles heute schon. Und an den eigentlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen, geht es vollkommen vorbei. Das Haus muss dringend umgebaut werden und Sie putzen schon mal die Fenster. Viel gewinnt man damit nicht. Das mag die CDU beruhigen, die immer noch nicht kapiert hat, dass gemeinsamer Unterricht nach individuellen Konzepten nichts mit ‚Einheitsschule’ zu tun hat - aber für die Linke, die sich deutliche Schritte zu mehr Gemeinschaftsschulen im Land ins Programm geschrieben hat, ist es leider keine Heldentat.