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Marie Luise von Halem spricht zur Aktuellen Stunde der SPD-Fraktion „Auf den Anfang kommt es an - Bildungschancen unserer Kinder weiter verbessern“

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Als Bildungspolitikerin freue ich mich natürlich über jede Gelegenheit, Bildungspolitik zu diskutieren – wenn auch aus dem Antrag für die Aktuelle Stunde nicht so richtig hervorgeht, worum es eigentlich geht?

Ich will nicht verhehlen, dass vieles in den letzten Jahren gut läuft – so gut, dass man sich zuweilen fragt, warum das eigentlich in der letzten Legislaturperiode so schwierig war?

Erst zum Antrag, 1.: IQB: Ja, ich habe mich auch über die Ergebnisse gefreut (Lob an MBJS & LuL), und inbesondere bei den Englisch-Kenntnissen haben sie mich auch überrascht. „Größter Kompetenzzuwachs“ heißt es. Da kann ich mir nicht verkneifen, ein bisschen Wasser in den Wein zu gießen: Im letzten Ländervergleich für Englisch, dem der Jahre 2008/09, lag Brandenburg beim Leseverständnis auf dem vorletzten, beim Hörverständnis auf dem letzten Platz bundesweit! Und jetzt stehen wir immer noch deutlich auf den hinteren Plätzen, erheblich unter dem Bundesdurchschnitt. Es gibt keinen Grund für die Hängematte!

Antrag 2.: Betreuungsgeld: Sie schreiben, Sie würden dafür sorgen, dass die zusätzlichen Mittel – 2016-18 knapp 60 Mio – „vollständig in unsere Kitas fließen werden“. Das ist schon ziemlich unlauter! Denn alle Verbesserungen im Kita-Bereich, sowohl die im Nachtragshaushalt 2016 verzeichneten als auch die aus dem jetzt diskutierten Doppelhaushalt 2017/18, übersteigen zwar in Summe die Mittel aus dem Betreuungsgeld, basieren aber entweder auf Tarifsteigerungen oder waren schon vor der Entscheidung über das Betreungsgeld von der Koalition versprochen worden! Sie nehmen also die Geldspritze für Dinge, die Sie sowieso vorhatten! Von einer zusätzlichen Investition in den Bildungsbereich kann also keine Rede sein!

3. im Antrag: Ziel der Aktuellen Stunde sei die Debatte weiterer Schritte in der frühkindlichen Bildung – Aber warum schreiben Sie kein einziges Wörtchen darüber, was Ihnen da eigentlich vorschwebt? Das Eigenlob gibt’s im Antrag nur rückwärts gewandt?

Gucken wir in die Pressemitteilung der SPD vom 27. September:

Da lesen wir viel Gutes: Kiez-Kitas, Leitungsfreistellung, Sanierungsprogramm, Entlastung der Elterngebühren ab 2018/19. Das ist alles prima, insbesondere die Leitungsfreistellung, unsere langjährige Forderung, die letztlich auch eine Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation bedeutet, also mehr Zeit für die Kinder. Die Frage nach der tatsächlichen Gruppengröße ist die entscheidende Stellschraube für mehr Qualität in der frühkindlichen Betreuung, das wissen Sie alle, und der SPD-Beschluss vom 7. September spricht sich ja zu recht dafür aus, die Investitionen deshalb an genau dieser Stelle zu konzentrieren.

Trotz der Verbesserung in den letzten Jahren stehen wir hier im Bundesvergleich immer noch auf letzten Plätzen. Weitere Anstrengungen sind nötig!

Wir beantragen in der HH-Debatte: 30 Mio für eine dritte Betreuungsstufe und die Einstellung von jährlich 200 Mio in der mittelfristigen Finanzplanung, aus dem Geld für den Länderfinanzausgleich, für eine weitere Verbesserung des Betreuungsschlüssels und Einstieg in die Gebührenfreiheit: Mit den 15 Mio, die die SPD ab 2018/19 dafür vorsieht, kommt man ja nicht weit: Nach Berechnungen des MBJS vom letzten Jahr würde die komplette Elternbeitragsfreiheit für die Kita ca 130 Mio jährlich kosten.

Aber natürlich müssen wir perspektivisch da hin! Die ersten Jahre sind so relevant für die Kinder, deshalb ist es absurd, dass die Kita kostet, die Schule nicht. Erklärbar ist das nur aus der Historie heraus.

Jahrelang haben wir den Stufenplan gefordert für mehr Qualität im Kita-Bereich! Wir brauchen ihn weiterhin, für die Angleichung der tatsächlichen Gruppengrößen, damit die Erzieher*innen mehr Zeit für jedes einzelne Kind haben, und wir brauchen ihn auch zur Entlastung der Eltern. Und wir machen jetzt vor, wie das geht!

Und noch ein Punkt – da ja heute der große Demotag für bessere Arbeitsbedingungen ist: Entlang der Bildungsbiografie verdienen die Pädagogen umso besser, je älter die Kinder sind. Kita niedrigstes Niveau, Hochschule das höchste. Das ist auch absurd, denn für die Chancen der Kinder sind die ersten Jahre die wichtigsten! Auch hier müssen wir besser werden, um den Beruf attraktiver zu machen, übrigens auch für Männer, und um den Anteil der Hochschulabsolvent*innen in den Kitas erhöhen zu können.

Ok, gönnen wir der Koalition einen kleinen Boxenstopp, um Weihrauch zu tanken, dann aber muss die Arbeit weiter gehen.