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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der AfD-Fraktion „Kündigung des Rundfunkstaatsvertrages“

- Es gilt das gesprochene Wort!

„Grundsätze wie Akzeptanz, Transparenz, Staatsferne, Ehrlichkeit, Bürgernähe, Nachvollziehbarkeit und Nachhaltigkeit müssen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch tatsächlich realisiert werden.“ Das steht in der Antragsbegründung und klingt erstmal ehrenwert. Wie das allerdings durch die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge erreicht werden soll, verrät uns die AfD nicht. Pressevertreter*innen aus Parteiveranstaltungen auszusperren, ist zumindest sicher kein Beitrag zu Transparenz und Nachvollziehbarkeit!

Ja, wir müssen in Einzelfällen immer wieder über das Verhältnis zwischen Politik und Medien diskutieren. Auch in unserem Bundesland ist es vorgekommen, dass Landtagsabgeordnete einer Regierungsfraktion z.B. die Presse aufforderten, nicht über die braune Spree zu berichten, weil das unserem Image schade. Oder dass beim RBB eine Sequenz aus den Nachrichten geschnitten wird, nachdem der Regierungssprecher sich beim Chefredakteur darüber beklagte. Oder dass in einer Stadt das Oberbürgermeisteramt und der lokale, allerdings private, einzige TV-Sender in den Händen derselben Familie liegen, ohne dass daran jemand Anstoß nimmt. Oder dass es Streit gibt um die Anzahl von Politiker*innen in Rundfunkräten – darüber entscheiden dann allerdings Verfassungsrichter!

Ja, auch wir müssen immer wieder über die nötige Staatsferne diskutieren. In der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit, veröffentlicht von den Reportern ohne Grenzen, liegt Dtld. auf Rang 16 (absteigend, leider) von insgesamt 180 Staaten. Im Großen und Ganzen können wir aber tatsächlich stolz sein auf die Vielfalt und Unabhängigkeit unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Diese Unabhängigkeit basiert aber auf einer unabhängigen Finanzierung. Ja, auch wir Bündnisgrüne könnten uns gut vorstellen, dass neben einem ALG II-Bescheid auch andere Härtefälle bei einer Befreiung vom Rundfunkbeitrag berücksichtigt würden, wenn Einkommen oder Rente unter der Armutsgrenze liegen. Aber wenn der Rundfunkbeitrag einfach abwählbar wäre, hätte der Rundfunk doch sofort seine Unabhängigkeit verloren! Mal ganz abgesehen davon, dass mit diesen Beiträgen ja auch private und nicht-kommerzielle Rundfunkanbieter unterstützt werden, Medienbildung und Jugendmedienschutz daraus bezahlt wird und auch Filmförderung – der Beitrag also eher eine allgemeine Kulturabgabe ist.

Schimpf und Schande schütten Sie aus über die Öffentlich-Rechtlichen, beklagen zu viele Programme und zu wenig Staatsferne, zu große Konkurrenz mit privaten Anbietern und im Netz verfügbaren Inhalten. Letzteres – die große Konkurrenz von Privaten und im Netz – müsste eigentlich eher ein Argument für die Öffentlich-Rechtlichen sein! Und unter ‚Staatsferne’ verstehen Sie sicher etwas Anderes als ich. Was Sie damit meinen, verbirgt sich wahrscheinlich am besten am Ende des ersten Absatzes auf der zweiten Seite Ihres Antrages: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist nur noch ein kleiner Teil einer weltweit vernetzten, expandierenden und immer weniger zu kontrollierenden Medienindustrie.“ – Ist es das, was Sie wollen, die „Medienindustrie kontrollieren“?

Über diesen Punkt hinaus ist der Antrag der AfD völlig frei von konkreten Vorschlägen, wie denn Rundfunk anders und besser organisiert werden könnte. Ein bisschen so, als würde ich die Abrissbirne bestellen, weil mir die Inneneinrichtung meines Hauses missfiele.

Es kann doch nicht sein, dass Sie wochenlang mit einem Antrag durch die Republik tingeln, ohne die Frage beantworten zu können, was Sie eigentlich wollen! Bei der Auftakt-Pressekonferenz Anfang Dezember war von Ihrer Parteispitze nur eine Kakophonie zu vernehmen, und Sie legen jetzt einen neuen Antrag vor, in dem Sie aber nur das Kündigungsdatum austauschen, aber immernoch keine Antwort formulieren! Nein, Sie äußern sich ja nichteinmal darüber, ob es künftig überhaupt noch einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben solle, geschweige denn, wie er aussehen könnte! Was Sie hier machen, offenbart einmal mehr die Qualität Ihrer Arbeit und ist für uns alle im Parlament mal wieder keine Sternstunde!