- Es gilt das gesprochene Wort -
„Förderschulen stärken“ – da reichen die ersten zwei Wörter und Allen hier im Saal müsste klar sein, dass dieser Antrag nichts nach unserem Geschmack ist! Wobei „Mehrinvestitionen für echte Bildungsgerechtig-keit“ ja gar nicht schlecht klingt und hier wahrscheinlich unstrittig ist.
Was eigentlich „gerecht“ ist, darüber können wir uns streiten. Ich zum Beispiel finde es nicht gerecht, Kinder von Schulbeginn an damit zu konfrontieren, dass sie nicht dazu gehören. Sie weite Wege in spezielle Schulen zu kutschieren, deren Besuch dazu führt, dass sie die Nachbarskinder nicht kennen lernen, wahrscheinlich nie in die Regelschule zurück finden und mit aller Wahrscheinlichkeit auch keinen anerkannten Schulabschluss machen. Ich finde es auch nicht gerecht, dass all die anderen Kinder in der Regelschule nie lernen, dass manche Kinder ganz spezielle Eigenarten haben. Sie werden nie erfahren, wie es ist, mit Menschen mit Behinderungen täglich umzugehen, sie werden um diese Menschen immer einen Bogen machen, und sei es nur aus Unsicherheit, und wenn sie mal groß sind und Arbeitsplätze anzubieten haben, werden sie auch keine Menschen mit Behinderungen einstellen, weil die ihnen fremd sind. So werden die Einen die Anderen meiden. Intellektuelle und soziale Möglichkeiten, die unsere Gesellschaft bieten könnte, bleiben dabei auf allen Seiten auf der Strecke. Das finde ich nicht gerecht.
Ja, Sie haben recht, bei der Inklusion läuft Vieles schlecht. Ich toure gerade mit unserem neuen Inklusionsgutachten durch Brandenburg und kriege Einiges mit. Noch immer werden Sonderpädagog*innen für Vertretungsunterricht eingesetzt und noch immer werden Eltern von Kindern mit Behinderungen von Regelschulen verscheucht, selbst wenn sie ihre Kinder am liebsten dort unterbringen würden.
Und ja, es ist richtig, dass sich Schüler*innen mit Förderbedarfen insbesondere in der Pubertät von den Lehrkräften und auch den anderen Kindern und Jugendlichen oft nicht richtig angenommen fühlen. Aber die Erfahrungen aus anderen Ländern, wie z.B. Skandinavien, die das mit der Inklusion besser machen als wir, zeigt doch, dass das nicht an der Inklusion als solcher liegt, sondern daran, dass sich viele Lehrkräfte schwer tun, damit umzugehen! Weil sie es selbst in ihrer Kindheit und Jugend nicht erlebt haben, weil sie es nicht in ihrer Ausbildung gelernt haben und weil ihnen im täglichen Gefecht selbst nicht ausreichend Unterstützung zuteil wird!
Deshalb ist es unsinnig, so wie Sie von der AfD einerseits die Mängel der Inklusion aufzulisten und als Konsequenz Mehrinvestitionen in die Förderschulen zu fordern! Ja, fordern wir Mehrinvestitionen - was übrigens nichts ist, mit dem Sie sich während der Haushaltsdebatten besonders hervorgetan hätten: Sie wollten Mehrinvestitionen beim Sport und ansonsten nur Kürzungen im Bildungshaushalt!
Ja, fordern wir Mehrinvestitionen, aber bitte in die Inklusion, in die Regelschule, für bessere individuelle Förderung von allen Kindern! Alles andere ist rückwärtsgewandt (Sie von der Afd würden wahrscheinlich sagen: „ideologisch“) und nicht mehr mehrheitsfähig. Denn auch das ist ein erfreuliches Ergebnis unseres neuen Gutachtens vom letzten Herbst: Die Mehrheit der Eltern und der Lehrkräfte wollen Inklusion. Nur: Wir müssen sie besser machen!