- Es gilt das gesprochene Wort!
Kulturelle Bildung soll Kinder und Jugendliche, eigentlich Menschen jeden Alters, an künstlerische Ausdrucksformen heranführen, sie lehren, alles, was sie bewegt, sowohl selbst auch mit anderen Mitteln als Wort und Schrift ausdrücken zu können, als auch, den Ausdruck Anderer, in Bildern, Musik, Tanz, lesen und interpretieren zu können. Das schafft neue Perspektiven: auf sich selbst, die Mitmenschen, die Welt an sich. Ein großer Reichtum, für das Individuum und für die Gesellschaft, wenn auch in den kausalen Effekten schwer empirisch messbar. Das liegt an der großen Vielfalt einerseits der möglichen Erfahrungen kultureller Bildung und andererseits der Auswirkungen – die sich auf das Selbstbild beziehen können, Selbstbewusstsein und Motivation auch in anderen Lebensbereichen positiv beeinflussen können, Interaktionsfähigkeiten und Verantwortung befördern, soziale Kompetenzen befördern.
Wirkungsforschung ist schwierig, gesicherte Erkenntnisse und wissenschaftliche Evaluationen gibt es nur punktuell. So erfahren wir z.B. in der Antwort auf die Große Anfrage (Frage 46) dass die wissenschaftliche Evaluation der Programme ‚Klasse: Musik’ und ‚Klingende Kita’ bei den Pädogog*innen eine veränderte Wahrnehmung der Potentiale der Kinder ergeben hat, „insbesondere leistungsschwache[r], die sich dann in kulturellen Bildungsprojekten ganz anders bewähren.“ Die sozialen Kompetenzen der Kinder haben sich positiv entwickelt, genauso wie Selbst- und Verantwortungsbewusstsein. Sogar die motorischen und sprachlichen Fähigkeiten hat die Musik beflügelt!
Auf die Frage nach dem Stellenwert, den die Landesregierung der kulturellen Bildung beimisst (Frage 2), antwortet sie: „Die Politik der Landesregierung ist darauf ausgerichtet, qualitativ hochwertige Kultur- und Bildungsangebote auch in dünn besiedelten Regionen zu gewährleisten. Kulturelle Bildung ist eine geeignete Methode, ALLE Alters- und Interessengruppen zu erreichen, ihnen Teilhabe und Partizipation an gesellschaftlichem Leben zu ermöglichen und zugleich den Herausforderungen durch Entwicklungen innerhalb der Zivilgesellschaft immer wieder neu zu begegnen.“ Das ist gut so und richtig.
Nur leider werden mit der kulturellen Bildung bei weitem nicht alle erreicht.
Wir alle kennen das Bild von den Blumen in der Wüste. Sie blühen bunt und wunderschön. Aber nur da, wo es Wasser gibt.
Form- und Farbenreichtum dieser Blumen tut uns die Große Anfrage kund:
Es gibt wunderbare Kooperationen zwischen Schulen und Kitas mit Theatern, bildenden Künstlern, Museen und Kunstschulen. Zum Beispiel das Education-Projekt des Brandenburgischen Staatsorchesters in Frankfurt/Oder oder die Kooperation der Kammerakademie Potsdam mit der Drewitzer Stadtteilschule. Das allerdings sind einzelne Highlights, punktuell und nicht auf die Fläche zu übertragen, die ohne essentielle Förderung von Stiftungen nicht denkbar wären. Getragen werden sie von hochengagierten Menschen, die für diese Projekte große Anerkennung verdienen.
Die ‚Plattform kulturelle Bildung‘ mit ihren drei Regionalstellen in Eberswalde, Lübbenau und Potsdam soll Schulen und Kultureinrichtungen miteinander vernetzen sowie Kulturpartner, Lehrpersonal und pädagogische Fachkräfte beraten und qualifizieren – ein lobenswerter Ansatz! Sie könnten mit den kulturellen Landesverbänden ein dichtes Netz vielfältiger Angebote über Brandenburg spannen. Die Regionalstellen werden allerdings jetzt vornehmlich durch das Projekt der Mercator-Stiftung finanziert, das nur bis 2017 läuft. Danach ist – wie bei den Blumen in der Wüste nach dem Regenguss - wohl wieder Ernüchterung an der Tagesordnung. Und auch jetzt schon gilt, dass das Netzwerk zwar sehr erfolgreich vermittelt und gute Ideen austauscht, aber die Frage nach der Umsetzung derselben angesichts der finanziellen Dürre ungelöst verbleibt.
Ein kleiner Lichtblick könnte auch die zentrale Beratungsstelle für kultur- und kreativschaffende Akteure werden, die das Land in Zusammenarbeit zwischen MWFK und MWE noch dieses Jahr einrichten will und die dazu beitragen soll, dass die in Kunst und Kultur Tätigen wirtschaftlich mehr aus ihrem Schaffen ziehen und angemessene Einnahmen erzielen können.
Das groß und zu recht gepriesene Projekt der Mercator-Stiftung - die gibt immerhin 500.000€ in den Jahren 2015-2017 - eröffnet ganzen drei Schulen die Möglichkeit, sich zu ‚Kulturschulen’ zu entwickeln. Drei von insgesamt 857 allgemeinbildenden Schulen.
Im ‚Konzept kulturelle Bildung’ der Landesregierung vom Sommer 2012 wurde ein ‚Fonds kulturelle Bildung’ angekündigt, angelehnt an das erfolgreiche Berliner Modell. Berlin fördert mit einem jährlichen Volumen von etwa 2 Mio € sowohl kleinere Einzelprojekte als auch strukturbildende Vorhaben von stadtweiter Bedeutung, an die Adresse aller Altersgruppen. Der vor Jahren versprochene Brandenburger Fonds kulturelle Bildung hat allerdings nie das Licht der Welt erblickt. Als reines organisatorisches Gerippe hätte er auch wenig Sinn. Solange die Landesregierung nicht imstande ist, ihn mit finanziellen Mitteln auszustatten, können die Samen nicht aufgehen.
Das im Rahmen des Kunst- und Musikschulgesetzes und der Volksinitiative Musische Bildung diskutierte Landesprogramm ‚Klasse: Musik‘ wurde 2014 immerhin 66 Schulen gegönnt (knapp 8%), ‚Klingende Kitas‘ gab es 17 im ganzen Land (knapp 1% aller Kitas). Von der in diesem Haus viel diskutierten spärlichen Unterstützung für die Kunst- und Musikschulen, die sich im Land über wachsende Nachfrage freuen dürfen, mal ganz zu schweigen.
Wird so der auch von der Landesregierung formulierte Anspruch erreicht, sozialer Benachteiligung mit Kultur zu entgegnen und dabei alle Alters- und Interessengruppen zu erreichen? – Wohl kaum.
Kulturelle Bildung bleibt in Brandenburg weiterhin ein Glückstreffer für Zufallskinder, große oder kleine, nur wenige bunte Blumen im trockenen märkischen Sand.
Die Große Anfrage und die Antwort der Landesregierung lesen.