Anrede!
Hier haben wir es mit den Nachwehen der einzigen nennenswerten bildungspolitischen Maßnahme der rot-roten Koalition im Bereich der frühkindlichen Bildung zu tun. Es geht darum, wie die durch die Verbesserung des Betreuungsschlüssels erhöhten Gelder an die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt werden. Vor dem Landesverfassungsgericht ist der pauschalierte Berechnungsmodus gescheitert und muss jetzt nach den tatsächlichen Kosten vor Ort verändert werden.
Das uns vorliegende Gesetz löst dies pragmatisch. Die Differenz der benötigten Stellen vom alten zum neuen Schlüssel muss errechnet werden. Diese Differenz wird dann mit den erforderlichen Personalkosten einer Fachkraftstelle multipliziert. Dies liest sich erst einmal sehr simpel und einleuchtend. Auch die anderen Änderungen sind zu begrüßen:
- Die Finanzierung der GebärdendolmetscherInnen oder anderer Kommunikationshilfen für die Wahrnehmung von Elternbeteiligungsrechten.
- Die Klarstellung der nötigen Qualifikationen für Kitapersonal, die in der Kita-Personalverordnung neu geregelt werden.
Auf den zweiten Blick kommen dann aber ein paar Fragen, die weder in der Begründung noch im Gesetz selbst beantwortet werden: Wenn ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt nach dem Verwaltungsgerichtsurteil nun mehr Kosten geltend machen kann als ihr vorher entstanden sind, dann müssen diese Mehrkosten ja irgendwie aus dem Landeshaushalt finanziert werden. Oder geht die Landesregierung davon aus, dass dies sich mit nun geringeren Zuschüssen bei anderen Landkreisen verrechnet? Also wie wirkt sich dieses Gesetz aus?
Nächste Frage: Das Gesetz regelt nur die Finanzbeziehung des Landes mit den Landkreisen und den kreisfreien Städten neu. Wie diese auf sich verändernde Zuschüsse reagieren, wie sich dies also auf die Träger der einzelnen Kita vor Ort auswirkt, ist nicht ganz klar. Kriegen am Ende einige mehr und andere weniger?
Dritte Frage: Im Gesetz wird eine neue Bemessungsgrundlage gelegt, die eine Wirkung entfalten kann, die nicht gewünscht ist: Das Gesetz definiert nämlich die erforderlichen Personalkosten einer Fachkraftstelle mit der fünften Entwicklungsstufe des Tätigkeitsmerkmals S6 der Entgeltordnung für den Sozial- und Erziehungsdienst im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der Kindertagesstätten-Betriebskosten- und Nachweisverordnung. Dies kann im Zusammenspiel mit §16 Absatz 2 des Kindertagesstättengesetzes für den einzelnen Träger vor Ort negative Konsequenzen entwickeln. Denn dort heißt es im Satz 4 zur Finanzierung von Kindertagesbetreuungsangeboten: „Bemessungsgröße sind die Durchschnittssätze der jeweils gültigen Vergütungsregelung.“ Das kann bedeuten, dass zukünftig die eben angesprochene Vergütungsgruppe als Bemessungsgröße genommen wird, obwohl wir alle wissen, dass dies nur die minimale Eingruppierungsstufe ist.
Wir wollen doch aber eine Aufwertung der Bezahlung der Fachkräfte in den Kindertagesstätten erreichen. Wir wollen doch mehr HochschulabsolventInnen für den Job in der Kita gewinnen und wir wollen gut ausgebildetes Personal für Sprachförderung und für Inklusion einstellen können. Wenn die Fachleute tatsächlich da sind: Werden dann die Mehrkosten nicht mehr als erforderliche Personalkosten anerkannt?
Eine weiteres gilt es zu bedenken: Es mag sein, dass die im Gesetzentwurf benannte Normkategorie die derzeit am stärksten verbreitete Lohnkategorie der Fachkräfte in Brandenburg ist. In den letzten Jahren ist aber der Arbeitsmarkt für Fachkräfte im Bereich Erziehung zusammengebrochen. Viele Einrichtungen finden kaum noch qualifiziertes Personal oder müssen deutliche Gehaltsaufschläge bezahlen, um Personal an sich binden zu können. Dies ist hier nicht berücksichtigt. Hier sollten wir im Ausschuss noch einmal diskutieren, ob die jetzige Definition nicht als Mindeststandard oder Ähnliches festgeschrieben werden kann, anstatt sie als Durchschnittsdefinition zu implementieren.
Was uns Grünen auch fehlt, wenn schon das Kindertagesstättengesetz und die dazugehörenden Verordnungen angepasst werden:
- endlich die Leitungsfreistellung im Gesetz zu verankern,
- die Leitungsfreistellung zu erhöhen und
- uns fehlt ein begleitender Stufenplan, um den Betreuungsschlüssel zukünftig weiter zu verbessern.
Diese Forderungen sind nichts Neues, aber wir werden sie immer wiederholen. Schon mit Hinblick auf die heute Vormittag vorgestellte neue Kita-Kampagne und weil es nicht dabei bleiben darf, dass durch die Verbesserung des Betreuungsschlüssels im Jahre 2010 Brandenburg nur von Platz 16 auf Platz 16 im Ländervergleich gesprungen ist. Auch über Qualität in der Kindertagesbetreuung müssen wir weiter diskutieren. Die Baustelle Kita ist noch längst nicht fertig.