- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
‚Alternativlos‘ war das Unwort des Jahres 2010. Die Begründung der Unwort-Jury dazu: Das Wort ersticke den politischen Diskurs. Und weiter der Sprecher der Unwort-Jury, Horst Dieter Schlosser: „Behauptungen dieser Art sind 2010 zu oft aufgestellt worden, sie drohen, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken.“
„Alternativlos“ haben Sie, Frau Ministerin Dr. Münch, die Schulbehördenreform in der abschließenden Ausschusssitzung genannt. Und das, obwohl weiterhin alle Beteiligten dagegen Sturm laufen. Es gibt Unterschriftensammlungen dagegen und unzählige Briefe haben uns in den letzten Monaten erreicht.
Damit wird nach der Auflösung des Landesjugendamtes und dessen Eingliederung in das MBJS ein weiteres der sogenannten Modernisierungsvorhaben der Regierung auch gegen den Einspruch der Betroffenen umgesetzt. Eines dieser Vorhaben, die die Landesregierung als Modernisierung verkauft, die sie begründet mit blumigen, aber völlig substanzlosen Begriffen wie ‚Synergieeffekte‘ und ‚Optimierung von Geschäftsabläufen‘, eine Modernisierung, hinter der sich nichts anderes verbirgt als Personaleinsparungen. Einmal daran geklopft und der Lack blättert sofort ab.
Gewiss, mit den Schulämtern lief nicht alles rund. Sie haben unterschiedlich und aneinander vorbei agiert. Dass das so war, liegt aber allein an der mangelnden Koordination durch das Ministerium. Jetzt eine weitere Verwaltungsebene einzuziehen, mag das Versäumnis kaschieren, macht es aber nicht wett. Die Regionalstellen zu verringern, erschwert den für die Beratung so wichtigen persönlichen Kontakt. Ihre Anzahl und Verortung schreiben Sie nicht ins Gesetz, so kann damit im Ministerium nach Gusto verfahren werden. Warum was effektiver bearbeitet werden könnte, wenn Landesschulamt und LaLeb zusammen geführt werden, versteht von den Beteiligten niemand. Aber Sie, Frau Ministerin, nennen es alternativlos.
Die Anzuhörenden – zumindest die, die aus Brandenburg kamen – können für Ihr Vorhaben keine Notwendigkeit erkennen, mehr noch, es ist ihnen vollkommen unklar, was eigentlich inhaltlich besser werden soll. Die Rede ist von inhaltleerem Aktionismus, allein bezogen auf Strukturen. Für die Versäumnisse des Ministeriums müssen jetzt die Schulämter und als Kollateralschaden auch noch das LaLeb büßen. Zudem kommt die Reform zur Unzeit. Es gibt keinen Grund, nicht abzuwarten, wie in der nächsten Legislaturperiode mit den Ergebnissen der Enquete zur Funktional- und Kommunalreform umgegangen wird. Und Sie, Frau Ministerin, nennen das Vorhaben ‚alternativlos‘.
Damit peitschen Sie eine Reform durch, die der fachlichen Begründung entbehrt. Und Sie tun das zu einer Zeit, in der alle Energien der Menschen, der Schulräte und derjenigen, die mit der Lehrerbildung beschäftigt sind, auf die beiden großen Herausforderungen gerichtet sein sollte: auf die Gewinnung von Lehrkräften und auf die Umsetzung der Inklusion. Wir brauchen bis zum Sommer fast 1000 neue Lehrkräfte und Sie lassen die Schulämter und das LaLeb in eine Umstrukturierung laufen, anstatt sich um den Nachwuchs zu kümmern.
Damit passiert genau das, was die Unwort-Jury formuliert hat: Die Politikverdrossenheit der Bevölkerung wird verstärkt. Und die Verdrossenheit derer, die wir in dem System Schule so dringend brauchen, noch gleich mit dazu. Deshalb haben wir im Ausschuss beantragt, die Reform der Schulämter auszusetzen und wir halten das auch weiterhin für richtig.
Wer in der Politik – wohlgemerkt in einer Demokratie und nicht in einer Diktatur! – von Alternativlosigkeit redet, hört entweder nicht zu, hat keine Phantasie, oder frisst unreflektiert anderen aus der Hand. Sehr geehrte Frau Ministerin Münch, nichts auf dieser Welt ist alternativlos!