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Marie Luise von Halem spricht zum Bericht der Landesregierung „Qualitätsoffensive für die Verpflegung von Kindern und Jugendlichen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Laut OECD sitzt auf jeder dritten Kinderhüfte zu viel Fett. Die durch Übergewicht ausgelösten Krankheiten nehmen rapide zu. Das liegt – allseits bekannt! – an mangelnder Bewegung und falscher Ernährung.

Essensgewohnheiten werden früh geprägt. Insofern ist das, worüber wir heute reden, im Effekt wohl unendlich wertvoller, als der Preis, den wir heute dafür ausgeben. Und gleichzeitig ein Paradebeispiel dafür, wie schwer sich Politik immer wieder tut, langfristige und ressortübergreifende Folgewirkungen in aktuelle Entscheidungsfindungen einzubeziehen. Gemessen an diesem Anspruch ist der vorliegende Bericht eine Nullnummer.

Gewiss, es hat sich viel verändert in Sachen Ernährung, auch beim Schulessen in Brandenburg. Trotzdem: Laut aktueller Schulleiterbefragung werden trotz steigender Preise die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nicht erfüllt. Es gibt zu viel Fleisch, zu wenig Gemüse, Salat und Fisch. Das Essen wird zu lange warm gehalten, die Pausenzeiten sind zu kurz, die Akzeptanz gibt zu denken.

Dass die Vernetzungsstelle Schulverpflegung großartige Arbeit leistet, bezweifelt hier niemand.

Aber nur jede zweite Schule kennt sie, und nur eine von vier Schulen hat schon eine ihrer Veranstaltungen besucht. Klar – denn mit 1,3 Stellen hat sie gar nicht die Kapazitäten, 900 Schulen angemessen zu beraten (von den zusätzlichen 1.900 Kitas mal ganz zu schweigen!).

Die Beratung fördert die Sensibilität aller Akteure, die sich wiederum in einer höheren Teilnahme ausdrückt (S.3). Ja, das wissen wir schon lange: Wer an der Auswahl teilhaben darf, dem schmeckt das Essen besser. Darum ist es auch nur folgerichtig, das Schulgesetz so zu ändern, wie wir es seit langem fordern, und endlich die Schulen verbindlich am Essensangebot zu beteiligen. Ihnen würde doch auch der Appetit vergehen, wenn man Ihnen tagtäglich einfach eine Kantine vorschreiben würde, nach dem antiquierten Motto von ‚Was auf den Tisch kommt, wird gegessen’!

Was ist nun eigentlich passiert seit unserem Landtagbeschluss? Es hat noch 2016 einen ‚Tafelrundenprozess’ gegeben. Wieviele Schulen beteiligt waren, erfahren wir nicht. Das MdJEV hat sich für „Förderpolitik“ entschieden und es liegen drei vernünftig klingende Förderanträge vor.

Da fühle ich mich schon ziemlich verschaukelt: Ein halbes Jahr nach Ende des ‚Tafelrundenprozesses’ nennt die Landesregierung im Bericht keinerlei Fördersumme und außer einer genehmigten Förderung für eine Übersichtskarte für Übungsküchen nur drei beantragte Projekte!?

Normalerweise schreiben Sie in den Berichten immer auf, was Sie Gutes tun, selbst wenn es keinerlei Neuigkeitswert hat. Geschenkt. Die Opposition darf sich dann rauspicken, was nicht in den Berichten steht. Aber hier schreiben Sie nichteinmal auf, was Sie Gutes tun, sondern nur, was Andere bei Ihnen beantragen. Das kann ich doch selbst als wohlgesonnenes Oppositionsmitglied nur so interpretieren, dass an tatsächlichen Wohltaten überhaupt gar nichts mehr übrig bleibt (außer der Karte für die Übungsküchen)!

Die Antworten auf die konkreten Arbeitsaufträge aus unserem Beschluss erschöpfen sich dann weitgehend in einer Beschreibung der intendierten Sachverhalte. Als ob wir das nicht gewusst hätten. Schön zumindest, dass die Vernetzungsstelle jetzt bis 2020 gesichert ist.

Besonders schmerzhaft ist die Banalität des Berichtes bei der Ausweitung der Beratung auf Kitas: Die Informationen der Vernetzungsstelle stünden auch den Kitas zur Verfügung, heißt es. Und würde die Vernetzungsstelle ihre dezentrale Angebotsstruktur für etwa 1.900 Kitas ausweiten, müsste berücksichtigt werden, dass Kindertagesbetreuung eine kommunale Aufgabe ist, an der sich das Land lediglich mit einem Zuschuss beteiligt. – Es ist nett, dass die Landesregierung uns das jetzt erklärt. Ja, genau das wollten wir! Dass wir jetzt hören, die zuständigen Ressorts würden sich zum weiteren Verfahren abstimmen, heißt im Klartext, dass nichts passiert ist, dass wir von einer vernünftigen Beratung von Kitas genauso weit entfernt sind wie vor einem Jahr. Das ist schon eine selten dreiste Art und Weise, sich über den Auftrag des Parlamentes einfach hinweg zu setzen.

Man war fast versucht, die Forderungen aus dem letztjährigen Beschluss als Entschließungsantrag nochmal einzubringen, so deutlich ist es, dass die Landesregierung sich hier nicht bewegen will. Welch vergeudete Zeit!