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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE „Stärkung und Förderung der Literaturschaffenden in Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

der Schriftsteller ist eine beliebte Roman- und Filmfigur. Gezeigt wird er gerne als introvertierter, psychisch labiler Einzelgänger, ohne Freunde und ohne stabile Liebesbeziehung. Und wenn das eine oder andere auf den einen oder anderen Autoren auch wirklich zutrifft, so ist der Schriftsteller im echten Leben natürlich so verschieden wie alle anderen Menschen auch. Nur ein Klischee ist wirklich wahr: seine Kunst macht ihn in der Regel nicht reich.

Exemplarisch steht für dieses Bild der Ihnen sicher bekannte Mathias Etenhueber, der kurfürstliche Hofpoet, der kümmerlich verarmt 1782 im Münchner Spital der Barmherzigen Brüder verstarbt. Berühmtheit über die Jahrhunderte hinweg erlangte er aber nicht mit seinem literarischen Werk, sondern mit seinem Antlitz: Als „Armen Poeten“ malte ihn Carl Spitzweg 50 Jahre nach seinem Tod in Öl. Mit aufgespanntem Regenschirm liegt Etenhueber unter der Dachschräge auf einer Matratze, eingehüllt in einen Flauschrock, auf dem Kopf eine Schlafmütze, in der linken Hand ein paar Manuskriptseiten. Der Ofen ist kalt und es ist absehbar, dass das davor liegende «operum meorum fasciculum III» (d.h. „das dritte Bündelchen meiner Werke“) bald zu Heizmaterial werden wird. Aus der Feder Etenhuebers stammen die Worte: „Schreibt Bücher! sagt man euch, wer aber gibt indessen, indem ihr eines schreibt, dem Maule was zu essen?»

[https://www.a-d-s.ch/fileadmin/pdfs/Der_arme_Poet_Version_fuer_Homepage.pdf]

Wenn sich auch beinahe alles geändert hat in den letzten 250 Jahren - die wirtschaftliche Situation des Schriftstellers und sogar die des Bestsellerautors ist heute im Jahr 2017 immer noch prekär. Wobei – wer hätte das gedacht! - auch hier die Frauen wieder deutlich weniger verdienen als die Männer!

Einen Bestseller schreibt man heute schon mit einer Auflage von 15.000 Stück. Was das monetär heißt, lässt sich leicht ausrechnen. Der Roman kostet in der Buchhandlung als Hardcover im Durchschnitt etwa 20 Euro. Wenn der Autor Glück hat, bekommt er 10 Prozent vom Verkaufspreis. Bei einem Bestseller mit 15.000 verkauften Exemplaren sind das ungefähr 30.000 Euro, davon gehen noch einmal ein paar Tausend Euro Steuern und Sozialversicherung ab. Um einen Roman zu verfassen, benötigt ein Autor ungefähr zwei Jahre. Ein Bestsellerautor, der am Verkauf seines Romans, sagen wir, 20.500 Euro verdient hat, kommt durch den Verkauf dieses einen Buches auf ein Monatseinkommen von 854 Euro netto. [http://www.taz.de/!5124980/]. Die meisten Schriftsteller brauchen also einen Brotberuf, um über die Runden zu kommen. Wenn es gut geht, dann findet sie ihn berufsnah mit Kursen zum kreativen Schreiben oder der Arbeit in einer Bibliothek. Zeit für den schriftstellerischen Schreibprozess ist automatisch begrenzt.

Ohne Literatur zu leben wäre für mich undenkbar. Ein gutes Buch, ein Gedicht führt mich in andere Welten und setzt meine Phantasie frei. Es bringt mich zum Träumen, zum Lachen, zum Staunen und zum Denken. Da ich weiterhin besondere, experimentierfreudige und überraschende Geschichten und Bücher für uns alle haben möchte, finde ich es richtig, durch unterstützende Maßnahmen talentierten Autor*innen bessere Chancen zur kreativen Entfaltung zu geben und mit öffentlichen Mitteln den Weg zum freien Markt zu ebnen. Das will auch dieser Antrag.

Und sein Anliegen trifft nicht nur auf die Schriftsteller zu: Musiker, bildende Künstler, Dokumentarfilmer und andere stehen vielfach in ähnlich prekären Verhältnissen; auch hier benötigen wir bessere Förderstrukturen für eine interessante und vielseitige Fortschreibung der bisherigen, kreativen Formate.

Das wissen auch die Koalitionsfraktionen, und vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass der Antrag nicht wirklich von Geldsummen redet, nur vom „Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel“. Wir können also gespannt sein, was das eigentlich bedeuten soll? An unserer Zustimmung ändert es nichts.