Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Liebe Gäste!
Zugeklebte Fenster, angeschraubte Möbel, Matratzen nur nachts, erniedrigende Rituale beim Toilettengang, Zwangsfixierungen - nach dem Skandal um die Haasenburg-Heime 2013 sind im letzten Jahr wieder stationäre Kinder- und Jugendeinrichtungen in Brandenburg massiv in die Kritik geraten. Und es tauchen in den Medien leider immer wieder neue Berichte von Betroffenen auf.
In der Tageszeitung „taz“ schildern Jugendliche, wie sie in einem Heim in Jänschwalde drangsaliert und erniedrigt wurden. Sie tun dies, wie sie betonen, damit nicht weitere Jugendliche ein ähnliches Schicksal erleiden. Obwohl es keine Erlaubnis dafür gab, erfolgten Zwangs- und Gewaltmaßnahmen.
Inzwischen wurde sogar festgestellt, dass ein Mitarbeiter der rechtsextremen Identitären Bewegung angehörte; sein Name ist auf einschlägigen Internetseiten zu finden. Das sind keine Menschen, denen wir unsere Kinder und Jugendlichen anvertrauen können.
Tilman Lutz, Professor für Soziale Arbeit, kritisiert diese Zustände
scharf:
„Das, was die jungen Menschen schildern, ist Gewalt. Vom anfänglichen Freiheitsentzug über die degradierenden Fragerituale bis zu den körperlichen Übergriffen. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung gilt auch in Einrichtungen.“
Zwar hat das Ministerium, als die erneuten Missstände bekannt wurden, umgehend reagiert und Maßnahmen ergriffen. Es wurden Mitarbeiterinnen in die betroffenen Einrichtungen geschickt, ein Aufnahmestopp wurde verhängt und die Heimaufsicht wurde personell um drei auf jetzt sieben Stellen aufgstockt.
Auch ist seit 2013 viel passiert: Der fachliche Austausch zwischen den Jugendämtern wurde intensiviert, die Fortbildungsangebote wurden ausgeweitet. Besonders hervorheben möchte ich das Dialogforum für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen erzieherischer Hilfen sowie die Gründung des Kinder- und Jugendhilfe Landesrats, in dem die Betroffenen selbst ihre Interessen vertreten. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Einrichtungen mit sehr unterschiedlicher Qualität. Rund 350 Träger betreiben ca. 1 500 Standorte mit 7 000 Plätzen.
Hinzu kommen Einrichtungen in anderen Bundesländern und sogar im Ausland. Und, das möchte ich hier ganz ausdrücklich betonen, in den meisten dieser Einrichtungen wird von sehr engagiertem Personal sehr
gute Arbeit geleistet, und dafür gilt ihm mein ausdrücklicher Dank. Davon konnte ich mich bei einigen Vor-Ort-Besuchen selbst überzeugen.
Die Träger sind auch verpflichtet, ein eigenes Beschwerdemanagement vorzuhalten. Doch das ist meist direkt mit dem betreuenden Personal verknüpft, sodass die betroffenen Jugendlichen Schikanen befürchten, wenn sie sich an sie wenden. Deshalb sind unabhängige Beschwerdestellen nötig, die nicht unmittelbar mit den Einrichtungen in Verbindung stehen.
Wir beantragen daher ein Konzept für eine niedrigschwellige, digital unterstützte Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen. Diese Ombudsstelle soll von der Einrichtungsaufsicht unabhängig und organisatorisch getrennt sein. An der Entwicklung des Konzepts sollen alle relevanten
Akteure beteiligt werden: der Kinder- und Jugendhilfe Landesrat, das Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung, weitere Fachleute sowie die kommunalen Spitzenverbände.
Im Konzept ist auch zu klären, wie die Kreise und kreisfreien Städte einbezogen werden, die ja für die Jugendhilfe zuständig sind, und welche Kompetenzen die Ombudsstelle haben soll, beispielsweise
um selbst Beschwerden nachzugehen.
Selbstverständlich lassen sich mit der Ombudsstelle nicht alle Probleme aller Kinder und Jugendlichen, ihrer Eltern und des mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Fachpersonals lösen, liebe Abgeordnete der Linken.
Viele weitere Maßnahmen sind notwendig, um den Kinderschutz weiter zu verbessern. Dazu gibt es gute Vorschläge in Ihrem Entschließungsantrag.
Aber ich bitte Sie: Lassen Sie uns doch erst einmal gezielt und schnell etwas für die Kinder und Jugendlichen tun, die sich jetzt in den stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe befinden. Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Konzeption dieser Ombudsstelle. - Danke schön.