- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Zuschauer*innen
Das Infektionsschutzgesetz des Bundes beinhaltet für die Daten aus der Kontaktnachverfolgung eine strikte Zweckbindung. Mir ist nicht bekannt, dass von diesem Grundsatz eine Ausnahme definiert wurde.
Warum haben wir diese Zweckbindung für die Kontaktnachverfolgungsdaten? Weil es unter den Fraktionen im deutschen Bundestag eine große Einigkeit gab, dass es nur so gelingen kann, das Vertrauen der Bevölkerung zu erlangen, das nötig ist, damit nicht am Ende das Gesundheitsamt beim Versuch der Kontaktnachverfolgung nur Mickey Maus und Donald Duck in den Listen findet.
Ich halte die Formulierung im IFSG für eindeutig und das sehen soweit ich weiß auch das Bundesjustizministerium und die meisten Länder und Experten so.
In meinem ursprünglichen Manuskript stand an dieser Stelle, dass außerdem ja die Zweckbindung im IfSG bereits eindeutig ist, keiner Klarstellung bedarf und deshalb der Antrag unnötig.
Inzwischen haben wir gelernt, dass das Brandenburger Justizministerium hier von der allgemeinen Auffassung anderer Justizministerien abweicht und es laut Medienberichten sogar seit September 2020 eine mit der Generalstaatsanwaltschaft abgestimmte Regelung des Polizeipräsidiums gibt, dass nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf Daten zugegriffen werden kann. Falls diese Berichte korrekt sind, stellt sich für mich tatsächlich die Frage, warum darüber in mehreren Ausschussbefassungen zum Thema nicht informiert wurde. Ich denke, diese Fragen werden wir in den nächsten Sitzungen der beiden betroffenen Ausschüsse in Ruhe erörtern können.
Angesichts dieser Situation, kann ich nun hier nicht die Position vertreten, dass es offnsichtlich keinen Klarstellungsbedarf gibt. Das ist allerdings eine Aufgabe der Bundespolitik, und wie Sie wissen, Herr Vida, gilt gerade bei möglichen Bundesratsinitiativen, dass sie nur bei Einvernehmen in der Koalition möglich sind. Dementsprechend werden wir Ihren Antrag hier heute ablehnen.
Es gibt aber neben diesen juristischen Fragen zwei wichtige Faktoren, die die Dringlichkeit des Themas sehr begrenzen:
1.- Die Pflicht zur Kontaktdatenerfassung wurde mit der zweiten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung, die am 9. Februar 2022 in Kraft getreten ist, in Brandenburg fast vollständig beendet. Gaststätten, Kinos, Sportanlagen und Friseure sind nunmehr nicht mehr zur Kontaktdatenerfassung verpflichtet. Damit besteht aktuell nur noch für Gesundheitseinrichtungen nach § 23 der Eindämmungsverordnung diese Auflage.
Der zweite wichtige Umstand ist, dass die Gesundheitsministerin den Vertrag mit den Betreibern der LUCA-App letzte Woche fristgemäß zum 31. März 2022 gekündigt hat. Das ist folgerichtig, weil in der Praxis die entstandenen Kosten und der Aufwand für die Gesundheitsämter in keinem Verhältnis zum Nutzen der App stehen. Ich begrüße es aber auch deshalb, weil damit eine Abkehr vom datenschutzrechtlich problematischen Prinzip der zentralen Datenspeicherung einhergeht.
Aus diesen beiden Gründen können wir mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass die Frage einer Nutzung der Daten in Brandenburg nicht in nächster Zeit in irgendeiner Form relevant werden wird.
Trotzdem möchte ich aber meine verbleibende Redezeit nutzen um zu erläutern, warum ich mich darüber freue, dass die Freien Wähler dieses Thema hier auf die Tagesordnung gesetzt haben.
Denn auch wenn die konkrete Frage der Nutzung der Daten aus der LUCA-App nicht mehr relevant werden dürfte: im Grundsatz geht es hier heute um sehr grundsätzliche Fragen von Privatsphäre und Vertrauen in Staatliche Institutionen.
Aus gutem Grund wird in unserem Land normalerweise nicht protokolliert, wer wann mit wem welches Restaurant oder welchen Club besucht. Und das, obwohl solche Daten vielleicht helfen würden, in bestimmten, sehr seltenen Konstellationen eine schwerwiegende Straftat aufzuklären. Das Grundgesetz setzt solchen anlasslosen Datensammlungen sehr enge Grenzen, und das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend auch Versuche zur Einführung einer Vorratsdatenspeicherung ein ums andere Mal abgeblockt.
Aufgrund der außergewöhnlichen Notlage einer Pandemie haben alle demokratischen Parteien gemeinsam bei den Bürger*innen dafür geworben, normalerweise undenkbare Einschränkungen hinzunehmen, zu denen eben auch die Kontaktdatenerfassung gehörte. Die große Mehrheit der Menschen hat sich daran gehalten, um gemeinsam die Pandemie zu bekämpfen. Sie haben dabei auf die Versprechen vertraut, die bei Einführung des Gesetzes gegeben wurden. Das Versprechen war, dass die Daten aus der Kontaktnachverfolgung unter keinen Umständen für andere Zwecke genutzt würden.
Ich bin froh, dass es in Brandenburg nach Auskunft der zuständigen Ministerien bisher keine Zugriffe auf die Daten aus der Kontaktnachverfolgung gab. Aufgrund der Aussetzung der Erfassung gehe ich auch davon aus, dass es dabei bleiben wird.
Aber die widerrechtlichen Zugriffe auf LUCA-Daten in anderen Bundesländern und die Schlagzeilen der letzten Wochen mit Spekulationen über mögliche Nutzung der Daten haben in meiner Wahrnehmung bereits zu einem erheblichen Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt. Wir sollten uns darüber bewusst sein, was solche Debatten in der ohnehin schwierigen Lage angesichts der Pandemiebedingten Einschnitte für viele Menschen auslösen.
Was lernen wir nun aus der ganzen Sache? Für mich ist die größte Lehre, dass der Staat deutlich stärker als bisher die Vorgaben der DSGVO zu Datensparsamkeit ernstnehmen muss.
Bereits sehr früh wurde durch führende Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Ländern das Konzept der anonymen, dezentralen Kontaktnachverfolgung entwickelt, das später in der vom Bund bereitgestellten Corona-Warn-App zum Tragen kam. Damit etablierte der Staat eine Lösung, die bereits vom Grundprinzip her unnötige Datensammlungen technisch verhindert.
Es wurde genau analysiert, welche Datenverarbeitungen absolut notwendig sind, und dann ein System entwickelt, das tatsächlich nur diese absolut notwendigen Datenverarbeitungen vornimmt. Dieses Grundprinzip von Datenschutz durch Technikgestaltung ist in der DSGVO festgeschrieben und sollte für jedes Staatliche IT-Projekt gelten. (Und ganz nebenbei übrigens auch von Privaten) Nur so kann die umfassende Digitalisierung von Staat und Verwaltung gelingen. Denn nur so kann das Vertrauen der Bürger*innen in diese Systeme sichergestellt werden. Dabei geht es auch nicht nur um Fragen der Nutzung von Daten für Sicherheitsbehörden, sondern mindestens genauso um das Risiko für Hackerangriffe das von großen Datenbergen ausgeht und das geeignet ist, das Vertrauen in den Staat massiv zu beschädigen wenn es zu schwerwiegenden Vorfällen kommt.
Sollte es dazu kommen, dass wir in Brandenburg wieder in größerem Umfang eine Pflicht zur Kontaktnachverfolgung einführen müssen, dann muss diese auf die Corona-Warn-App setzen und damit verhindern, dass wir überhaupt wieder in eine derartige Bredouille kommen zur Frage, wie mit den daten umgegangen wird.
Ich möchte schließen mit einem Appell an alle Bürger*innen: bitte nutzen Sie die offizielle corona-Warn-App. Lassen Sie sich nicht von den Schlagzeilen verunsichern, denn bei dieser App entstehen keine personenbezogenen Daten, die zweckentfremdet werden können. Deshalb rate ich Allen, dieses Einfache Mittel um sich selbst und andere zu schützen witer zu nutzen, auch wenn die Pflicht entfällt.