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Sabine Niels spricht zum Brandenburgischen Justizvollzugsgesetz

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Ich schließe an Herrn Kuhnert an, der den Rest seiner Redezeit dafür genutzt hat, mich zu erwähnen. Gestern ging es ja um den Haushalt, den Einzelplan 04. Ich hatte in meiner gestrigen Rede schon erwähnt, dass ich sehr zufrieden bin, dass in dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Strafvollzug in Brandenburg tatsächlich unser Antrag aus dem Juni des letzten Jahres „Resozialisierung von Straftätern verbessern“, den wir Grüne gemeinsam mit CDU und FDP gestellt haben, Niederschlag gefunden hat. Tatsächlich sind damit Mehraufwendungen verbunden, finanzielle Mehraufwendungen für Umbauten und Ausstattung, die Qualifizierung des Personals und auch zur eventuellen Bereitstellung von mehr Personal - das wird man prüfen müssen.

Denn mit den Lockerungen, die hier vorgesehen sind und die wir sehr begrüßen, ist auch eines verbunden: Lockerungen im Strafvollzug können durchaus sehr personalintensiv sein, denn einige der Straftäterinnen und Straftäter müssen vollumfänglich bis zum letzten Hafttag begleitet werden. Es ist also nicht so, dass man mit dem bisherigen Personal einfach weiterarbeiten kann, sondern wir werden in der Anhörung vor allen Dingen darauf setzen - danke, Herr Kuhnert, ich freue mich auch auf die Debatte -, dass wir all das, was in diesem wunderbaren Gesetzentwurf aufgegriffen ist, in notwendiges Personal und in die notwendige Bereitstellung von Räumen für einen differenzierten Strafvollzug umrechnen.

Ich habe den Antrag „Resozialisierung von Straftätern verbessern“ erwähnt, der hier vor genau anderthalb Jahren von unserer Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeinsam mit den Fraktionen der FDP und der CDU eingereicht wurde. Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg hatte damals gesagt, dass sich die Punkte alle in dem Gesetzentwurf wiederfinden werden, den zehn Bundesländer geschaffen haben. Das ist richtig so. Was mich sehr erschüttert hat, ist, dass ich erst gar nicht verstanden habe, warum Danny Eichelbaum mich bittet, ihn hier heute nicht zu kritisieren, aber nach seiner Rede festgestellt habe, warum er mich gebeten hatte. Ich verstehe gar nicht, warum der Justizminister aufgefordert wurde, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Aber ich werde mit dem Kollegen von der CDU darüber reden, ob wir vielleicht einen Gegenentwurf einbringen wollen, der noch innovativer ist - ich bin sehr gespannt darauf.

Ich möchte tatsächlich im Rahmen der Anhörung im Rechtsausschuss qualifiziert diskutieren, ob wir es machen wollen, wie Hamburg es getan hat, so wie es jetzt im Entwurf steht: Lockerung in dem Sinne, dass die Möglichkeit besteht, ab dem ersten Hafttag den Antrag zu stellen - das ist nicht gleich genehmigt bekommen - oder ob wir den Schwanz einziehen - das machen die in Rheinland-Pfalz - und einfach auf die zehn Jahre zurückfallen, total egal, wie unsinnig das sein mag, uns einfach dem zu beugen, was die sogenannte öffentliche Meinung fordert. Denn es ist kein Gesetz zum Opferschutz - und ich diskreditiere kein einziges Opfer - wenn ich mich darum kümmere, dass Personen, die straffällig geworden sind, zu einem rechtskonformen Leben zurückfinden!

(Beifall GRÜNE/B90, DIE LINKE und SPD)

Das sind zwei verschiedene Baustellen, und es gibt überhaupt keinen inhaltlichen Widerspruch! Und es ist auch keine Fachdebatte, wenn man den künstlich konstruiert. Mich interessiert natürlich die öffentliche Meinung, und ich höre mir das auch an und sage dann auch etwas zu dem Thema „Täter-Opfer-Ausgleich“ oder auch zur Stiftung für den Opferschutz. Ich habe auch zusammen mit dem Weißen Ring zum Thema „Opfer“ Schulklassen durch Ausstellungen geführt, habe mit der Polizei zum Thema Prävention zusammengearbeitet: Wie wird man tatsächlich stark und kräftig und kann sich auch gegen Angriffe wehren? usw. usf. Aber wir müssen diese Themen sauber trennen, denn letzten Endes verhindern wir weitere Opfer, wenn wir gestärkte Persönlichkeiten aus der Haft entlassen. Und gestärkt ist man nicht, wenn man zehn Jahre im geschlossenen Vollzug war. Das ist eine Erkenntnis, die sich breit durchgesetzt hat, und die dürfen wir auch vertreten. Wir bilden auch eine öffentliche Meinung, wenn wir als Politikerinnen und Politiker gut qualifiziert, mit Einfühlungsvermögen, aber auch mit fachlicher Präsenz in die Öffentlichkeit gehen, unsere Meinung kundtun und unsere Debattenbeiträge einbringen. Dazu sind wir, verdammt noch mal, verpflichtet! Und wir haben gefälligst die Erkenntnisse aus den Justizvollzugsanstalten und die der Forensik einzuflechten. Das ist die Aufgabe, Wissenschaft und Praxis zu verbinden und politisch sinnvolle Entscheidungen zu fällen.

"In Unfreiheit ein selbstständiges rechtskonformes Leben für die Freiheit einzuüben stellt eine besondere Herausforderung dar." Das ist ein Zitat meiner eigenen Rede. Damit will ich einfach noch mal betonen - ich habe es vor anderthalb Jahren gesagt: Die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizvollzugsdienst ist schon deswegen wichtig, weil sie einen verdammt harten Job haben, sie müssen nämlich auch jeden Tag in den Knast. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90, DIE LINKE und FDP)