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Rede im Landtag: Kein Mensch flieht ohne Grund!

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Zuschauer*innen auf der Tribüne und an den Bildschirmen,

Kein Mensch flieht ohne Grund!

Niemand verlässt ohne Not seine Heimat und macht sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft, womöglich noch über die gefährliche Route über das Mittelmeer.

Das scheint hier für viele nicht ganz klar zu sein. Dass die AfD krude Ansichten in der Flüchtlingspolitik vertritt, ist ja nichts Neues. Das hat Dr. Berndt in seiner Rede gerade mal wieder deutlich gemacht. Es ist wirklich schwer erträglich, Ihrer Hetze gegen Geflüchtete hier zuzuhören.

Aber dass der Innenminister von „Asyltourismus“ spricht und der CDU-Fraktionsvorsitzende die Asylverfahren an die EU-Außengrenzen verlagern will, das halten wir für sehr kritisch.

Nicht ohne Grund gelten bei uns das Grundrecht auf Asyl, die EU Grundrechte-Charta und die Genfer Flüchtlingskonvention.

Wir wissen aus unserer Geschichte, wie wichtig es ist, Menschen, die in Not sind, Schutz und ein neues Zuhause zu bieten.

Dafür stehen wir Bündnisgrüne in dieser Koalition ein!

Brandenburg hat in den letzten Jahren gezeigt, dass wir ein weltoffenes Land sind und das Geflüchtete hier willkommen sind.

Dazu haben auch die vielen Ehrenamtlichen mit ihrem großartigen Einsatz beigetragen. Es ist an der Zeit, das „Bündnis für Brandenburg“, das der Ministerpräsident 2015 ins Leben gerufen hatte, wieder zu aktivieren.

Auch jetzt werden auf allen Ebenen wieder große Anstrengungen unternommen, um die Menschen, die aus der Ukraine und aus vielen anderen Kriegs- und Krisengebieten zu uns kommen, aufzunehmen, unterzubringen, zu integrieren.

Wir wissen: Die Kommunen stehen vor großen Herausforderungen.

Das Land unterstützt die Kommunen nach Kräften. Zusätzlich zu den Bundesmitteln und den Mitteln aus dem Landesaufnahmegesetz sollen aus dem Brandenburgpaket für das Jahr 2023 49 Millionen Euro für den Bau von Unterkünften an die Kommunen fließen.

Potsdam macht es gerade vor: Durch ein Sonderbauprogramm in serieller Bauweise entstehen in Rekordzeit neue Wohnungen, für Geflüchtete ebenso wie für Menschen mit kleinem Einkommen.

Mit knapp fünf Millionen Euro werden außerdem zusätzliche Stellen für die Migrationssozialarbeit im ganzen Land geschaffen.

Das Kabinett hat gerade beschlossen, mit weiteren Plätzen in Erstaufnahmeeinrichtungen und einer längeren Aufenthaltsdauer einen Puffer zu schaffen, um die Kommunen bei der Unterbringung zu entlasten. Wir würden empfehlen, diese Plätze nicht nur in Eisenhüttenstadt, Wünsdorf und Frankfurt (Oder) zu errichten, sondern sie über das Land zu verteilen. Zeit, die die Kommunen jetzt auch nutzen sollten, um neue Strukturen zu schaffen.

Es muss auch klar sein, dass das für Familien und Kinder nicht gilt! Sie müssen möglichst schnell, allerspätestens nach sechs Monaten, in den Kommunen und am besten in Wohnungen untergebracht sein. Denn Kinder sind besonders verletzlich. Deshalb werden die Kommunen und die Träger auch bei der Schaffung von Kita- und Schulplätzen und der Einrichtung von Willkommensklassen unterstützt.

Den Plänen des Innenministers für die Schaffung einer sogenannten „Landesübergangseinrichtung“ haben wir eine Absage erteilt.

Abschiebungen bringen den Kommunen kaum Entlastung. Denn die meisten Menschen kommen aus Kriegs- und Krisengebieten, in die aus humanitären Gründen gar nicht abgeschoben werden kann: Aus dem Bürgerkriegsland Syrien, aus dem von den Taliban unterdrückten Afghanistan, aus dem unter Krieg- und Terror leidenden Irak oder aus dem Iran, in dem seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amin im Gewahrsam der Sittenpolizei Polizei- und Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstrierende vorgehen. Kein Mensch flieht ohne Grund!

Wir wollen Chancen schaffen, dass vor Krieg, Terror, Unterdrückung und Klimakatastrophen geflohene Menschen hierbleiben, sich integrieren und einen

Beruf ausüben können.

Denn wir brauchen hier in Brandenburg Fach- und Arbeitskräfte!

Wir spüren es doch tagtäglich, dass wir einen enormen Bedarf haben: im Handwerk, in der Pflege, im Dienstleistungssektor, in der IT-Branche, in Kita und Schule: überall fehlt es an Personal!

Brandenburg gehört zu den drei Bundesländern mit der ältesten Bevölkerung. Die sogenannten Babyboomer aus den Jahren zwischen 1956 bis 1966 scheiden in den nächsten Jahren aus dem Arbeitsmarkt aus. Zusätzlich sind viele Menschen nach der Wende abgewandert.

Deutschlandweit beträgt der Bedarf ca. 400 000 Fachkräfte pro Jahr. In Brandenburg ist die Lücke besonders groß.

Deshalb brauchen wir Zuwanderung! Mit dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht, mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht, mit Integrations- und Sprachkursen sowie Bildungs- und Qualifizierungsangeboten kann der sogenannte „Spurwechsel“ für gut integrierte, erwerbstätige Asylbewerber*innen gelingen.

Das ist eine WinWin Situation: für Geflüchtete und für Brandenburg! Auch deshalb brauchen wir keine „Das Boot ist voll“ Rhetorik und dürfen wir die Stimmung nicht vergiften.

Die Aufnahme und Integration der Geflüchteten, aus der Ukraine und aus vielen anderen Ländern, wird funktionieren, wenn alle – Bund, Länder, Kommunen, die Zivilgesellschaft und Bürger*innen, geschlossen und solidarisch handeln.

Dafür leistet das Land seinen Beitrag. Brandenburg ist – und bleibt – ein gastfreundliches, weltoffenes und solidarisches Land.

Vielen Dank an alle, die sich für dieses Ziel engagieren!

Weiterführende Informationen

Rede zu: Aktuelle Stunde "Solidarisches Brandenburg - Geflüchtete aufnehmen und integrieren, Kommunen unterstützen, soziale Infrastruktur stärken!" (TOP 2 der 83. Plenarsitzung)