- Es gilt das gesprochene Wort !
Anrede!
Seit es 1993 beschlossen wurde, wird das AsylbLG aus grundsätzlichen menschenrechtlichen Erwägungen heraus kritisiert. Denn dieses Gesetz führt zu einem diskriminierenden Ausschluss von Asylsuchenden aus der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Leistungen, die primär von Asylsuchenden, Geduldeten und Bleibeberechtigten bezogen wurden, betrugen weniger als zwei Drittel der Leistungen für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger. Die Beträge sind – entgegen § 3 Absatz 3 AsylbLG – in zwanzig Jahren niemals angepasst worden. In einem Kommentar von Juli dieses Jahres hat die Süddeutsche Zeitung geschrieben: „Das Asylbewerberleistungsgesetz lügt schon im Titel. In Wahrheit ist es ein Asylbewerberleistungsausschlussgesetz. Dieses Gesetz soll Flüchtlinge finanziell so kurz wie möglich halten, es soll sie abschrecken.“
Das Asylbewerberleistungsgesetz muss in der Tat im historischen Kontext gesehen und begriffen werden. Im August 2012 jährten sich zum zwanzigsten Mal die schrecklichen pogromartigen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen.Tagelang wurden im August 1992 die erschreckenden Bilder des brennenden Asylbewerberheimes, die johlende und Beifall klatschende Menge davor, die untätige Polizei, die spät agierende Feuerwehr und die Todesangst in den Gesichtern der Eingeschlossenen in allen Medien gezeigt. Aber Rostock-Lichtenhagen war kein Einzelfall. Es gab ähnliche Ausschreitungen in Solingen, in Mölln, aber auch in Brandenburg waren damals Feindseeligkeiten, Übergriffe und Brandanschläge an der Tagesordnung.
Eine große Zahl von Flüchtlingen aufgrund schwerster Menschenrechtsverletzungen auf dem Balkan, in Osteuropa und Teilen Afrikas traf auf eine durch den Transformationsschock der Nachwendejahre massiv verunsicherte Bevölkerung. Die Situation damals zeichnete sich zudem durch ein völliges Fehlen von professionellen Betreuungsstrukturen aus. Die ehemalige brandenburgische Ausländerbeauftragte Almuth Berger hat in einem eindrucksvollen Referat anlässlich der Tagung des Flüchtlingsrates am 1.9. die damalige Situation folgendermaßen beschrieben: „Statt Hilfen für die oft wirklich überforderten Kommunen zu geben, statt mehr Mitarbeiter im Bundesamt einzusetzen und die aufgestauten Berge von Anträgen schneller zu bearbeiten, statt Residenzpflicht, Arbeitsverbot und Heimunterbringung abzuschaffen oder wenigstens zu lockern, wurden die Gesetze verschärft.“ Die Haltung „Das Boot ist voll“, die Angst, von Kriminellen und angeblichen Wirtschaftsflüchtlingen überschwemmt zu werden und die Ausschreitungen an verschiedenen Stellen der Bundesrepublik wurden zum Anlass genommen, tiefgreifende Einschränkungen des Asylrechts durchzusetzen und bescherten uns das Asylbewerberleistungsgesetz als Abschreckungsinstrument.
Bei ihren Vorbereitungen für das AsylbLG 1992/1993 ging die damalige Regierungskoalition von der Annahme aus, dass - wie die Abgeordnete Prof. Monika Männle, ausführte - „die finanziellen Leistungen an Asylbewerber und die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Deutschland dazu führen, daß 60 Prozent der nach Westeuropa kommenden Asylbewerber sich die Bundesrepublik Deutschland als Asylland gewählt haben“.
Mit ihrem „Gesetzentwurf zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber“ verfolgte die damalige Regierung drei Ziele:
1. Potentiellen Asylsuchenden sollten durch deutlich reduzierte sozialrechtliche Transferleistungen angebliche „Anreize“ gestrichen werden, um „aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen“ und hier einen Asylantrag zu stellen.
2. Analoges wurde auch für bereits in Deutschland lebende abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber (sowie Geduldete) bezweckt: Auch ihnen sollten angebliche „leistungsrechtliche Anreize für ein weiteres Bleiben in Deutschland“ genommen werden. Sie sollten schnellstmöglich wieder ausreisen.
3. Und schließlich ging es um eine finanzielle Entlastung der durch die Aufwendungen für vermeintliche „Wirtschaftsflüchtlinge“ allein 1992 mit angeblich 17,5 Milliarden Euro völlig überlasteten Länder und Kommunen: Mit der Einführung des AsylbLG wurden für sie Einsparungen in Höhe von jährlich einer Milliarde Euro prognostiziert.
Dieser eingeschränkte Leistungsbezug sollte zunächst nur im ersten Jahr des Aufenthalts der Betroffenen gelten. Es wurde ein Dauerzustand daraus!
Mit Inkrafttreten des AsylbLG im Jahre 1993 erhielten Anspruchsberechtigte im Vergleich zu Sozialhilfeleistungen seitdem deutlich geringere Leistungen. Sie sind in zwanzig Jahren nicht ein einziges Mal an die Preisentwicklung anpasst wurden und lagen bei nur noch circa 60 Prozent der sonst üblichen Sozialhilfe. Vorrangiges Ziel war es, die AsylbewerberInnen und ihnen gleichgestellte ausländische Staatsangehörige von Leistungen der Sozialhilfe auszuschließen, die Leistungen einzuschränken und eher Sachleistungen als Geldleistungen auszureichen.
Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) („Hartz- IV-Gesetz“)vom 9. Februar 2010 hätte allen auch die Verfassungswidrigkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes klar sein können. Damals urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Berechnung der Hartz IV Regelsätze für Kinder und Erwachsene verfassungswidrig sei. Die Berechnungen seien intransparent und genügten nicht dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Intensiv wurde damals über viele Monate über eine gerichtsfeste Neuberechnung der Hartz- IV Regelsätze gestritten. Dass die erheblich darunter liegenden Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes ebenfalls das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzten, wurde ausgeblendet. Die Tendenz, dass in Deutschland von einer Regierung nicht mehr agiert, sondern nur noch auf höchstrichterliche Entscheidungen reagiert wird, setzte sich auch dabei fort. So bedurfte es erneut einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, bis dieses am 18. Juli 2012 unmissverständlich folgendes klarstellte: Art. 1 Absatz 1 des GG garantiert ein menschenwürdiges Existenzminimum, das durch entsprechende Leistungen gemäß des Sozialstaatsprinzips zu sichern ist. Es stellt ein einheitliches, das physische und soziokulturelle Minimum umfassendes Grundrecht dar und gilt für ausländische Staatsangehörige wie für deutsche Staatsbürger gleichermaßen. Hervorzuheben ist auch, dass Menschenwürde und Existenzminimum nicht durch migrationspolitische Erwägungen zu relativieren seien.
Durch dieses Grundsatzurteil des Verfassungsgerichts hat sich nach 20 Jahren das unseelige Asylbewerberleistungsgesetz endgültig erledigt; es gehört - was viele Menschenrechtsorganisationen seit langem fordern – abgeschafft. Für eine eigengesetzliche Regelung für Asylbewerber und bestimmte andere ausländische Staatsangehörige besteht keinerlei Notwendigkeit mehr: sie können und sie sollten in die Regelungen unserer Sozialgesetzbücher einbezogen werden wie alle anderen Menschen auch. D.h. sie haben entweder Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende oder auf Sozialhilfe. Damit erwerben sie auch die Möglichkeit auf Integration in den Arbeitsmarkt und das Recht auf Krankenversorgung. Das von den meisten Betroffenen als deprimierend und quälend empfundene jahrelange Herumhängen ohne Aussicht auf eine Beschäftigung hätte ein Ende!
Aber nicht nur aus menschen- und verfassungsrechtlichen Erwägungen macht das Asylbewerberleistungsgesetz keinen Sinn mehr, sondern auch aus finanziellen. Der Gesetzgeber ist zur Neuberechnung der Leistungen verpflichtet und diese müssen sich an den Leistungen nach SGB II oder XII orientieren. Das Argument der Kosteneinsparung für die öffentlichen Haushalte fällt also weg. Für die Kommunen und die Länderebene würde sich eine Eingliederung der Mehrzahl der Leistungsberechtigten ins SGB II und die damit obligatorische Krankenpflichtversicherung sogar finanziell entlastend auswirken. Zudem ist der Verwaltungsaufwand für die Aufrechterhaltung eines gesonderten Fürsorgesystems unverhältnismäßig hoch.
Außerdem würde mit dem AsylbLG auch das schikanöse Sachleistungsprinzip ein Ende haben: Essenspakete und Gutscheine würden endlich der Vergangenheit angehören!
Wir GRÜNEN wollen die diskriminierende Sonderbehandlung von Flüchtlingen nun ein für allemal beenden – sie sind keine Menschen 2. Klasse, ihnen sollen die bestehenden Sozialleistungssysteme zur Verfügung stehen! Wir freuen uns sehr, dass aus unserem Antrag ein gemeinsamer Antrag von drei Fraktionen hervorgegangen ist und dass der Landtag Brandenburg mit einer breiten Mehrheit die sehr honorige Bundesratsinitiative der Länder Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz begrüßt und unterstützt. Weitere A-Länder haben bereits ihre Zustimmung signalisiert. Die Landesregierung wird schon am 12. Oktober in der Ländervertretung zeigen können, in welcher Form sie die Bitte und den Auftrag des Landtages umzusetzen gedenkt: ob durch ein positives Votum oder gar durch Beitritt zur Initiative.