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Ursula Nonnemacher spricht zu den Anträgen „Anerkennung von Gruppen in der Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg“ und „Das Parlament zum zentralen Ort der öffentlichen Debatte machen!“

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>> Unser Antrag „Das Parlament zum zentralen Ort der öffentlichen Debatte machen!“ (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Alterspräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste!

Die mit der heutigen konstituierenden Sitzung beginnende 6. Wahlperiode des Landtages Brandenburg weist schon zu Beginn einige Besonderheiten auf, die sich auch in den vorliegenden Anträgen zur Geschäftsordnung spiegeln. Da ist einmal die mit 47,9% historisch schlechte Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl am 14. September zu nennen. Da ist zum anderen die Tatsache, dass erstmals in Brandenburg über die Gewinnung eines Direktmandates nach § 3 Absatz 1 des Brandenburgischen Landeswahlgesetzes drei fraktionslose Abgeordnete der Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen/Freie Wähler in den Landtag eingezogen sind. Zu den Besonderheiten gehört sicherlich auch, dass eine Fraktion noch vor der Konstituierung des Parlamentes einen Abgeordneten aus ihren Reihen ausschließt und somit die Zahl fraktionsloser Abgeordneter auf 4 erhöht. Diese Beschleunigung von Fliehkräften wird uns vermutlich noch weiter beschäftigen.

Doch bleiben wir zunächst bei den Abgeordneten von BVB /Freie Wähler. Diese beantragen durch Herrn Vida in die Geschäftsordnung des Landtages für drei Abgeordnete der gleichen Partei, politischen Vereinigung oder Listenvereinigung einen Gruppenstatus aufzunehmen und die Gruppe von wenigen Ausnahmen abgesehen bezüglich Rechten und Pflichten den Fraktionen gleichzustellen. Ungeachtet der Tatsache, dass in Brandenburg fraktionslose Einzelabgeordnete durchaus Möglichkeiten haben ihr Mandat auszuüben und sich angemessen zu artikulieren, stehen wir dem Antrag durchaus wohlwollend gegenüber. Es ist immer Politik von Bündnis 90/Die Grünen gewesen, demokratische Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte zu stärken und nicht Ausgrenzungspolitik zu betreiben. Dies stößt gelegentlich an Grenzen und immanente Widersprüche, wenn es um demokratische Mitwirkungsrechte für Gruppen geht, die demokratische Rechte einschränken oder gar abschaffen wollen. Damit will ich keinesfalls andeuten, dass dies auf BVB/Freie Wähler zuträfe. Die Verleihung eines Gruppenstatus durch die Geschäftsordnung des Landtages, ggf verbunden mit Änderungen des Abgeordneten- oder Fraktionsgesetzes setzt aber zweifellos Maßstäbe und lässt sich nicht beliebig an- und abschalten. Sie muss gut durchdacht sein und die Abstufung zwischen den parlamentarischen Partizipationsmöglichkeiten einer Fraktion und einer Gruppe müssen sorgfältig herausgearbeitet werden.

Aus dem gesagten wird deutlich, warum meine Fraktion bei Sympathie in der Sache große Schwierigkeiten mit dem Änderungsantrag des Abgeordneten Vida zur Erarbeitung der Geschäftsordnung hat: bis zum 1.12. ist dies nicht bis zur Beschlussreife leistbar. Der Hauptausschuss wird – wie schon erwähnt – nicht vor November bestellt sein und in ein oder zwei Sitzungen sind die Regelungen zur Bestimmung von Rechten und Pflichten von Abgeordnetengruppen nicht mit der notwendigen Sorgfalt zu bestimmen. Wir denken darüberhinaus, dass der zu bildenden Hauptausschuss gut beraten wäre, in einer Anhörung von Sachverständigen die verfassungsrechtlichen Implikationen und die Regelung in anderen Ländern zu beleuchten. Den Änderungsantrag mit dieser zu knappen Fristsetzung müssen wir daher leider ablehnen.

Dies bedeutet keineswegs, dass die Angelegenheit auf die lange Bank geschoben und den Abgeordneten von BVB/Freie Wähler verbesserte Arbeitsbedingungen unbotmäßig lange vorenthalten werden sollen. Ggf kann hier durch wohlwollende Anwendung des § 100 der vorläufigen Geschäftsordnung interimsmäßig Abhilfe geschaffen werden. Der künftige Hauptausschuss wird sich zügig ein Verfahren überlegen müssen, wie die verschiedenen Anforderungen an eine überarbeitete Geschäftsordnung abzuarbeiten sind. Die Diskussionen zum Gruppenstatus und Änderungen quasi zur Optimierung des „inneren Dienstbetriebes“ sind schneller anzugehen und umzusetzen; darauf weist die Formulierung „im I. Quartal 2015“ hin.

Der von meiner Fraktion vorgelegte und ebenfalls zu überweisende Antrag zur Einsetzung einer Arbeitsgruppe „Parlamentsreform“ weitet den Blick von der inneren Verfasstheit des Parlamentes auf seine Außendarstellung und Außenwirkung und sieht demzufolge auch einen längeren Zeitrahmen vor. Die schon erwähnte niedrige Wahlbeteiligung, die Tatsache, dass viele Bürgerinnen und Bürger gar nicht wissen, von welcher Koalition sie regiert werden oder kaum eine Ministerin oder einen Fraktionsvorsitzenden kennen, kann uns allen nicht gleichgültig sein. Der Landtag muss als lebendiges Zentrum unserer parlamentarischen Demokratie und als zentraler Ort der öffentlichen Debatte stärker erlebbar werden. Ein wichtiger Schritt dazu ist der Umzug vom Brauhausberg – diesem Zauberberg der Reichskriegsschule und SED-Bezirksleitung – ins Zentrum Potsdams gewesen. Das stark gestiegene Interesse am Landtagsschloss ruft auch gesteigertes Interesse an der parlamentarischen Arbeit hervor. Hier gilt es auch mit den Mitteln der Geschäftsordnung anzusetzen, die Debattenkultur zu fördern und die Relevanz der Landtagsarbeit den Bürgern näher zu bringen. Negativbeispiele lassen sich viele finden: ich denke nur an die drei aktuellen Stunden im Juni-Plenum vor der Wahl. Wenn wir als Bewohner des Elfenbeinturmes wirklich Verbesserungen erwirken wollen, ist der Blick von außen unerlässlich! VertreterInnen aus Verbänden und der Wissenschaft, von Besuchergruppen und Medien müssen uns spiegeln, was sie fesselt, wo ihre Interessen liegen.

Mit Befriedigung nehmen wir zur Kenntnis, dass sich auch die designierte Parlamentspräsidentin dieser Aufgabe widmen möchte, dass Parlament und die Politik für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar und verständlich zu machen. Diese Form der Beschäftigung mit Geschäftsordnungsfragen wird sich in einem anderen Zeitmaß bewegen müssen als die Entscheidung über einen wie auch immer ausgestalteten Gruppenstatus. Der Hauptausschuss hat auf jeden Fall viel Arbeit vor sich. Den Antrag 6/14 des Abgeordneten Vida werden wird ablehnen, der Überweisung der übrigen Anträge stimmen wir gerne zu.

>> Unser Antrag „Das Parlament zum zentralen Ort der öffentlichen Debatte machen!“ (pdf-Datei)

Der Antrag wurde an den Hauptausschuss überwiesen.