Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Mit dem vorliegenden Antrag wollen die Koalitionsfraktionen allen Spekulationen um die Umsetzung einer Verwaltungsstruktur- und Gebietsreform in dieser Legislaturperiode offensichtlich den Boden entziehen und Koalition und Regierung auf eine gemeinsame Linie festlegen. Es wird jetzt also ernst. Dies ist der Startschuss für eine Debatte, die in ihrer Folge zahlreiche Änderungen auf allen Ebenen unseres Landes bringen kann. Umso wichtiger ist, diesen Prozess gut strukturiert und so offen zu gestalten, dass die Vertreterinnen und Vertreter von Gemeinden, Städten und Landkreisen und möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden und nicht der Eindruck entsteht, dass die da oben über die Köpfe der Menschen hinweg entscheiden.
Dass die CDU jetzt keinerlei Notwendigkeit für eine Reform sieht, überrascht und enttäuscht mich. Waren wir uns doch damals beim Einsetzungsbeschluss
(Zuruf der Angeordneten Richstein [CDU])
der Enquetekommission 5/2, an dem ich wesentlich mit Herrn Petke mitgearbeitet habe, einig, dass die demografischen und die finanziellen Probleme dieses Landes nicht mehr zu ignorieren sind und entsprechende Lösungen verlangen.
Meine Fraktion begrüßt es, dass dieser Startschuss noch in diesem Jahr gegeben wird. Noch längeres Warten der Koalitionsfraktionen wäre auch hochproblematisch gewesen. Die aufgeregte Diskussion in den letzten Wochen zu diesem Thema hat gezeigt, dass es falsch war, dass dieses so wichtige Thema der Zukunft unserer Gebiets- und Verwaltungsstrukturen im Wahlkampf insbesondere von der SPD völlig unter dem Deckel gehalten wurde. Der Wohlfühlwahlkampf des Ministerpräsidenten sollte nicht durch inhaltliche Diskussionen gestört werden. Die Quittung für diese Haltung folgte auf dem SPD-Parteitag am vergangenen Wochenende in Frankfurt mit einem für brandenburgische SPD-Verhältnisse miserablen Ergebnis. Auch das Grummeln an der kommunalen Basis in den kreisfreien Städten und Landkreisen kann nicht mehr ignoriert werden. Es häufen sich Resolutionen von Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen mit Beteiligung der Kommunalos der Koalitionsfraktionen, die jeglicher Änderung eine Absage erteilen. Die Überzeugungsarbeit in Ihren eigenen Reihen haben Sie sträflichst vernachlässigt. Das zeigt der dürftige und dünne Applaus hier und das zeigt auch, dass ein ehemaliger Innenminister Ihrer Regierung in Brandenburg an der Havel sich für die Kreisfreiheit unter jeden Bedingungen ausspricht. Das überzeugt die Menschen im Land nicht.
(Beifall B90/GRÜNE, CDU, AfD und der fraktionslosen Abgeordneten Frau Schülzke, Schulze und Vida)
Gut also, dass es endlich inhaltlich wird. Wie Sie wissen, hat meine Fraktion den Abschlussbericht und die Empfehlungen der Enquetekommission 5/2 im Wesentlichen mitgetragen. Dazu stehen wir auch heute. Wir begrüßen es, dass die Koalitionsfraktionen ebenso den Abschlussbericht der Enquetekommission als Grundlage für die geplanten Reformen ansehen, auch wenn wir in einigen Sachfragen, zum Beispiel bei der vorgeschlagenen Übertragung einzelner Landesaufgaben, Widerstand leisten werden und insbesondere bei der Stärkung der direkten Demokratie vor Ort deutliche Verbesserungen erwarten. Zudem legen wir großen Wert auf die Beantwortung der Frage nach den finanziellen Auswirkungen der Reform. Wir brauchen ein belastbares Konzept zur Teilentschuldung hochverschuldeter Kommunen und zur Anschubfinanzierung sowie Leitplanken zur Weiterentwicklung des Finanzausgleichsgesetzes.
Sehr verehrte Damen und Herren! Der vorgesehene Leitbildprozess muss jetzt - besonnen und gut vorbereitet - gestartet werden. Es muss sichergestellt werden, dass sich die Bürgerinnen und Bürger umfassend in den Leitbildprozess einbringen können und Bürgerbeteiligung nicht nur eine Alibiveranstaltung wird. Dazu muss die Landesregierung dem Landtag schon vor der Vorstellung des Leitbildes ein Konzept zur Bürgerbeteiligung vorlegen, das zeitlich und inhaltlich klar begründet ist. Sehr wichtig ist uns Bündnisgrünen die Feststellung, dass jede Reform nur mit einem Ausbau der Mitwirkungs- und Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger und einer Stärkung der kommunalen Gebietsvertretungen gelingen kann. Das Modell der brandenburgischen Amtsgemeinde bringt wesentlich bessere demokratische Legitimierung.
Auch die vorzugswürdige Aufgabenübertragung als Selbstverwaltungsaufgabe stärkt die lokale Demokratie. Verbesserungen erwarten wir aber auch bei den Elementen der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene. Überlegungen dieser Art finden sich auch im Abschlussbericht der Enquetekommission 5/2. Wir möchten, dass Sie in den vorliegenden Antrag, den wir an und für sich unterstützen würden, noch eingearbeitet werden. - Dankeschön.
(Beifall B90/GRÜNE)