- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
An der Aufforderung an den Ministerpräsidenten oder die Fachminister eine Regierungserklärung abzugeben haben sich schon viele Oppositionspolitiker die Zähne ausgebissen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sind Regierungserklärungen nicht normiert. Der Begriff der Regierungserklärung wird nicht einmal erwähnt. Gleiches gilt für die Verfassung des Landes Brandenburg. Die verfassungsrechtliche Grundlage von Regierungserklärungen wird in der Richtlinienkompetenz der Bundeskanzler bzw. in Artikel 89 der Landesverfassung gesehen. Danach bestimmt der Ministerpräsident die Richtlinien seiner Regierungspolitik und ist für diese gegenüber dem Parlament verantwortlich. In welcher Form dies geschieht ist nicht festgelegt. Die Regierungserklärung ist eine mögliche Variante, kann aber nicht erzwungen werden.
Trotzdem ist die Forderung nach Abgabe einer Regierungserklärung natürlich ein probates Mittel der Opposition, auf schwerwiegende Probleme im Land hinzuweisen und von der Regierung eine Positionierung und zielgerichtetes Handeln zu verlangen. Und mit einem schwerwiegenden Problem haben wir es bei den Vorgängen um die manipulierte polizeiliche Kriminalitätsstatistik ohne Frage zu tun. Seit März 2014 ist bekannt, dass eine Dienstanweisung im Bereich der Polizeidirektion West vom 25.8.2013 entgegen der offiziellen Erhebungsrichtlinie des Bundeskriminalamtes anwies, mehrere Taten zu einer zusammenzufassen und damit die Kriminalitätsbelastung herunterzurechnen. Die Richtlinie musste dann auch auf öffentlichen Druck zurückgezogen und im April 2014 durch eine andere Dienstanweisung ersetzt werden. Aus Presserecherchen, den Ausschussdiskussionen und durch Akteneinsicht wissen wir, dass es bereits im Jahr 2013 klare Aussagen von Seiten des Bundes- und Landeskriminalamtes gab, dass die praktizierte Zählweise nicht richtlinienkonform war und explizit vor der Gefahr einer Verfälschung der PKS gewarnt wurde. Dies war der Polizeiführung auch bekannt. Nach intensiven Auseinandersetzungen im Innenausschuss vom 15. Januar 2015 hat der Innenminister die PKS zur Chefsache erklärt und eine äußerst aufwändige Nacherhebung der Kriminalitätsstatistik 2014 vornehmen lassen. Die Differenz von 3985 Fällen und auch die Korrektur der Aufklärungsquote macht deutlich, dass an der Erfassung und damit an der Kriminalitätsstatistik in Gänze gedreht wurde. Die Manipulationen haben bei einzelnen Delikten und in verschiedenen Inspektionen die Zahlen um bis zu 60% verändert! Auch der Innenminister, dessen klarer Wille zu korrektem Vorgehen über jeden Zweifel erhaben ist, hat die falschen Zahlen für 2013 in seiner Pressekonferenz vom 27.März eingeräumt. Es reicht aber nicht, nur nach vorne zu schauen und auf maximale Distanz zu seinem verantwortlichen Staatssekretär zu gehen. Wieviel langatmige Vorträge über Tateinheit und Tatmehrheit in juristischem und polizeifachlichem Sinn haben wir uns anhören müssen, wieviel Ausführungen über Interpretationsspielräume bei der PKS! Diese Interpretationsspielräume hat es nicht gegeben. Wenn am 22. April der Arbeitskreis der Innenministerkonferenz in einem Beschluss noch einmal bekräftigt, dass eine einheitliche Statistik auch einheitlich anzuwenden ist, so ist dass keine neue Erkenntnis, sondern eher eine Peinlichkeit für Brandenburg. Auch der hilflose Versuch und völlig untaugliche Versuch für die manipulierten Zahlen einzelne schlechtgeschulte Polizeibeamte und -beamtinnen verantwortlich zu machen, dürfte kaum tragen.
In der Sitzung des AIK am 23. April hat der Ministerpräsident dem im Zentrum der Vorwürfe stehenden Innenstaatssekretär und ehemaligen Polizeipräsidenten Feuring sein Vertrauen ausgesprochen. Der Innenminister hat es vermieden, ihm sein Vertrauen nicht auszusprechen. Die Ankündigung, dass seit zwei Wochen bekannt sei, dass sich Herr Feuring beruflich verändern möchte, kann nur noch als peinlich gewertet werden. Politische Verantwortung sieht anders aus. Der politische Kommentator des rbb hat der Landesregierung beim Abgang von Herrn Feuring die Note 4 minus erteilt. Er hat damit milde zensiert! Die Vorgänge um die gefälschte Polizeiliche Kriminalitätsstatistik erschüttern das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei und die Landesregierung, sie erschüttern das Vertrauen der Polizeibediensteten in ihre Führung und sie werden sich mit einem Tunnelblick nach vorne nicht beheben lassen. Die Evaluierung der Polizeistrukturreform ist gerade im Abschluss begriffen und schon wieder ist es da, das Misstrauen, ob man der Evaluation trauen kann, ob die Zahlen valide oder neue Zielzahlen schöngerechnet werden. Wer eine Krankheit behandeln will, braucht eine klare Diagnose. Wer sich vor der Diagnostik drückt oder eine Fehldiagnose akzeptiert, wird auch in Zukunft keine Besserung erreichen können.
Es geht bei der PKS um Vertrauensverlust in einem Kernbereich staatlichen Handelns und es geht um Führungsversagen. Dazu ist eine Regierungserklärung allemal angebracht.