- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Die Gruppe BVB/Freie Wähler hat uns fünf Gesetzentwürfe zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vorgelegt, die sachlich und inhaltlich hier in einem Gesetzentwurf hätten vorgelegt werden müssen. So hat meine Fraktion es übrigens im letzten Plenum mit dem Gesetzentwurf zur Vereinfachung der kommunalen Abgabenerhebung selbstverständlich getan. Ich hoffe, dass das Überstrapazieren unserer parlamentarischen Regeln nicht zu einem Dauerzustand wird. Ihrem Anliegen nützt diese Atomisierung von Anträgen zum Kommunalabgabengesetz jedenfalls nichts.
Inhaltlich findet sich leider auch nicht sehr viel Neues und schon gar nichts, das eine weitere Befassung oder gar Unterstützung wert wäre. Alles in Allem sind die vorliegenden 5 Gesetzentwürfe Lobbypolitik für die Gruppe der Grundstückseigentümer zulasten von Kommunen und Allgemeinheit. Am deutlichsten zeigt sich das darin, dass Sie bei keinem der Gesetzentwürfe auf die finanziellen Folgen oder die Kostendeckung eingehen. Wenn diese Regelungen beschlossen würden, wären die Auswirkungen klar: Grundstückseigentümer werden finanziell entlastet und die Kommunen müssten höhere Ausgaben für Investitionen stemmen, bzw. würden auf den Risiken sitzen bleiben, die sich durch den Beitragsausfall bei den Altanliegern ergeben würden. In der Folge bedeutet dies höhere kommunale Verschuldung, geringere Investitionen der Kommunen und höhere Gebühren- und Steuerbelastung für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist Lobbypolitik a la BVB/ Freie Wähler. Im Wahlkampf mag man damit punkten können, aber eine durchdachte Politik für unser Land wird daraus noch lange nicht. Das werden auch die Menschen nicht honorieren, denen Sie jetzt vorgaukeln, Sie würden ihrer Interessen vertreten.
Die Brandenburgerinnen und Brandenburger haben ein Recht auf Ehrlichkeit der Landespolitik. Das liefern Sie leider nicht:
Exemplarisch deutlich wird das in ihrem Gesetzentwurf zur Mitbestimmung im Anliegerstraßenbau. Da ist schon der Name des Gesetzentwurfs irreführend. Ehrlicher wäre hier der Titel „Gesetzentwurf zur Entlastung von Grundstückseigentümern von Straßenausbaubeiträgen“.
Aber bessere Beteiligung von Anliegern bei Straßenausbaumaßnahmen können wir gerne reden. Hier gibt es wirklich Verbesserungsbedarf im Verfahren. Aber der wichtigste Punkt ist für Sie doch die Möglichkeit, dass die Anlieger Ausbaumaßnahmen gänzlich zum Scheitern bringen können, wenn sie bei einem Anteil der Straßenbaubeiträge von über 65% an den Gesamtkosten nicht zustimmen. Wie soll das konkret ausgestaltet werden? Soll jeder Anlieger das gleiche Stimmrecht haben? Hat ein Anlieger, der nur eine kleine Garage an der Straße hat, das gleiche Stimmrecht wie ein Eigentümer eines großen, dicht bebauten Grundstücks?
Große Sprengkraft hat auch ihr Punkt c), der eine völlige Umdefinierung des wirtschaftlichen Vorteils durch eine beitragspflichtige Maßnahme bedeutet. Geht das Gesetz derzeit von einem wirtschaftlichen Vorteil des Grundstückseigentümers durch eine Straßenbaumaßnahme aus, so lässt ihr Entwurf dies nicht mehr gelten. In der Folge müsste die Gemeinde jedem einzelnen Grundstückseigentümer nachweisen, dass er oder sie einen wirtschaftlichen Vorteil durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile hätte. Wie dieser Nachweis geführt werden soll, sagen Sie auch in der Begründung nicht. Die Folge einer solchen Regelung wären mehr bürokratischer Aufwand, höhere Kosten für die Planung und noch mehr Widersprüche und Rechtsstreitigkeiten vor Gericht. Ein Traum für Anwälte, die sich auf Kommunalrecht spezialisieren wollen.
Ähnliches gilt bei ihrem Gesetzentwurf zur fairen Anrechnung von Zuschüssen bei kommunalen Beiträgen: Zuwendungen Dritter, also im Wesentlichen des Landes Brandenburg, sollen nicht mehr vollständig den gemeindlichen Anteil einer Maßnahme mitfinanzieren, sondern auch die Beitragspflichtigen mit entlasten. Das ist schon sehr abenteuerlich, würde es doch zu einer Subventionierung der Grundstückseigentümer durch das Land als dem einzigen Fördermittelgeber führen.
Mit Ihrem Gesetzentwurf zur Durchführung von Musterverfahren im Bereich der Kommunalabgaben haben Sie jetzt endlich auch mit CDU und AfD gleichgezogen und einen eigenen Antrag dazu eingebracht, für den das gleiche gilt, was ich hier schon mehrfach gesagt habe.
Für Sie wiederhole ich es gerne noch einmal:
- Musterverfahren sind auch nach derzeitiger Rechtslage möglich, es wird auch Gebrauch davon gemacht.
- Im Abgabenrecht unterscheiden sich die Fälle meist beträchtlich hinsichtlich Grundstücksfläche, Geschossigkeit, Innen/Außenbereich, Bebauungsplangebiet, Gewerbenutzung etc. Wirklich identische Fälle, wie sie für Musterklagen benötigt werden, die sich nicht gegen eine Gebührensatzung richten, werden sich kaum finden lassen.
- Ein befriedender Effekt durch Musterklagen ist nicht zu erwarten, da bei verlorenem Musterverfahren individuell weiter geklagt werden kann und wird. Die in Aussicht gestellte Entlastung der Gerichte findet dadurch nicht statt.
- Mit erheblicher Unsicherheit bei der Beitrags- und Gebührenerhebung der Kommunen in allen Bereichen des KAG ist zu rechnen.
Eine intensive Befassung mit der Einführung von Musterklagen im KAG fand auch schon im Rahmen einer Anhörung des Innenausschusses am 23.5.2013 statt.
Der Gesetzentwurf zur Abschaffung von Altanschließerbeiträgen ist aus Sicht der Freien Wähler sicherlich der Höhepunkt ihres Antragspakets. Dabei ist diese Frage mit der Einführung der Verjährungshöchstfrist doch endgültig geregelt. Fakt ist, dass die Aufgabenträger der Wasserver- und -entsorgung ihre Beitragserhebung bis Ende 2015 abgeschlossen haben müssen. Die Kommunen, die dies noch nicht abgeschlossen haben und sich derzeit beeilen müssen, wollen Sie jetzt noch ausbremsen und gegenüber den Kommunen benachteiligen, die die Beitragserhebung abgeschlossen haben. Das Gerechtigkeitsempfinden der sogenannten Altanschließer als alleinigen Maßstab für die Gesetzgebung heranzuziehen ist ein bisschen sehr dünn.
Anrede
Da wo es im Kommunalabgabenrecht Probleme gibt, die gelöst werden müssen, sind wir Grünen immer gesprächsbereit. Aber so eindeutige Lobbypolitik, die nur eine Gruppe im Blick hat, entspricht nicht unserem Politikverständnis – insbesondere dann nicht, wenn dabei die Folgen der gemachten Vorschläge überhaupt nicht bedacht werden.
Da die aufgeworfenen Fragen sogar schon Gegenstand von Anhörungen im Innenausschuss waren, lehnen wir entgegen unserer sonst üblichen Praxis auch die Überweisung ab.