Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag unserer Fraktion „Besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften stärker schützen“

>> Unserer Antrag Besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften stärker schützen (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Mit unserem Antrag möchten wir besonders gefährdete Menschen in Flüchtlingsunterkünften stärker vor Anfeindungen und Gewalt schützen. Besonderes Augenmerk benötigt die Gruppe der geflüchteten Frauen, Kinder, Homo- und Transsexuelle. Laut der Organisation „Women in Exile“ sind Gewalt und sexuelle Übergriffe gegen Frauen in Flüchtlingsunterkünften alltäglich. Für Frauen und Kinder kommen zu den fluchtbedingten Traumata Belastungen in teils stark belegten Erst- und Gemeinschaftsunterkünften hinzu. Diese Massenunterkünfte stellen auch eine besondere Gefahr für Angehörige der Gruppe von LSBTTI dar, die schon unter normalen Bedingungen häufig Opfer von Diskriminierung und Angriffen sind.

Der Fachberatungsdienst Zuwanderung, Integration und Toleranz in Brandenburg hat vor gut einem Jahr die Gewaltsituation in den Gemeinschaftsunterkünften im Land Brandenburg analysiert. Es wurde festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit der Eskalation von Konflikten mit zunehmender Belegungsdichte, mit wachsender Vielfalt der Herkunftsregionen und mit einem Mangel an Freizeitbetätigungen steigt.

Alle hauptamtlich und ehrenamtlich Beteiligten auf Landes- und auf kommunaler Ebene haben in den vergangenen Wochen und Monaten ihr Bestes gegeben, damit die zu uns geflüchteten Menschen ein Dach über den Kopf haben. Ihnen gilt unsere Hochachtung und Wertschätzung. Trotz der angespannten Situation kann auf Qualitätsmaßstäbe in den Unterkünften aber nur temporär verzichtet werden. Jetzt, nachdem sich die Lage etwas beruhigt hat und die Menschen mit winterfesten Unterkünften versorgt werden konnten, geht es darum, auch die Qualität der Unterbringung zu garantieren.

Die EU- Aufnahmerichtlinie schreibt vor, dass die Mitgliedsstaaten geschlechts- und altersspezifische Aspekte sowie die Situation von schutzbedürftigen Personen zu berücksichtigen haben. Insbesondere müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden, damit Übergriffe und geschlechtsbezogene Gewalt in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften verhindert werden. Daneben verpflichtet die UN- Kinderrechtskonvention die Bundesrepublik und das Land Brandenburg zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls in allen Angelegenheiten. Artikel 22 der Kinderrechtskonvention schreibt darüber hinaus den besonderen Schutz von Flüchtlingskindern vor.

Einige Aspekte wurden in Brandenburg bereits umgesetzt oder sollen umgesetzt werden. Die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt bekommt zum Beispiel einen Spielplatz und in den Gemeinschaftsunterkünften wurden Schulungen zur Streitschlichtung angeboten. Der Entwurf des Landesaufnahmegesetzes sieht vor, dass besonders schutzbedürftige Personen im Einzelfall in geeigneten Wohnungen oder Einrichtungen untergebracht werden müssen, wenn ihren besonderen Belangen in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht ausreichend Rechnung getragen wird.

Wir Bündnisgrüne finden diese Maßnahmen gut und unterstützen sie ausdrücklich. Allerdings reichen sie aus unserer Sicht nicht aus, um die Vorgaben aus der EU Aufnahmerichtlinie umzusetzen. Insbesondere gilt das Landesaufnahmegesetz, das der Umsetzung der Richtlinie dient, nicht für die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Brandenburg. Hier ist der Bedarf an Schutzmaßnahmen aber gestiegen, weil die mögliche Verweildauer in der Erstaufnahmeeinrichtung erst vor kurzem durch das sogenannte Asylverfahrens-beschleunigungsgesetz auf 6 Monate erhöht wurde. Das Innenministerium plant in der Erstaufnahme eine Aufstockung der Kapazitäten auf 10.000 Plätze. Zudem gilt es laut Aufnahmerichtlinie den Schutzbedarf besonders gefährdeter Flüchtlinge im Verfahren möglichst frühzeitig festzustellen – also je nach Verweildauer bereits in der Erstaufnahme.

Wir fordern daher eine getrennte Unterbringung von alleinreisenden Frauen an allen Standorten einer Erstaufnahmeeinrichtung. Ausreichend Rückzugsräume für besonders gefährdete Geflüchtete muss es in allen Flüchtlingsunterkünften geben.

Die Streitschlichtungskurse, die bisher nur in den Gemeinschaftsunterkünften durchgeführt wurden, finden wir gut. Sie sollten auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten werden. Streitigkeiten und Alltagskonflikte können zu einer emotionalen Aufladung und zu Solidarisierungseffekten aufgrund der ethnischen Herkunft oder der Religionszugehörigkeit führen. Hier ist es wichtig, das besonders geschulte Ombudspersonen deeskalierend bei Konflikten eingreifen können.

Zudem muss das bestehende Hilfs- und Informationsangebot für schutzbedürftige Geflüchtete ausgeweitet und besser bekannt gemacht werden. Viele Frauen kennen ihre Rechte nicht, haben häufig geringe finanzielle Ressourcen oder befinden sich in Abhängigkeitsstrukturen, die sich auch nach der Ankunft in Deutschland nicht sofort ändern. Durch Informationsbroschüren in allen relevanten Sprachen zu ihren Ansprechpartnerinnen und -partnern und einen Hinweis auf das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ können sie auf ihre Rechte besser aufmerksam gemacht werden. Eine besondere Aufmerksamkeit benötigen auch Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle, kurz LSBTTI. Für die Probleme von LSBTTI Flüchtlingen fehlt oft noch das besondere Bewusstsein. Das Personal in den Flüchtlingsunterkünften sollte daher auch im Umgang mit diesen Flüchtlingen sensibilisiert und geschult werden sowie die Fachberatung in diesem Bereich ausgebaut werden.

Zuletzt möchte ich noch auf die Situation der Frauenhäuser in den Landkreisen und kreisfreien Städten eingehen. Kommunale Gleichstellungsbeauftragte haben uns darauf hingewiesen, dass die Frauenhäuser aktuell stark belegt sind. Sie befürchten, dass dort für geflüchtete Frauen künftig nicht ausreichend Plätze zur Verfügung stehen. In vielen Bürgerkriegsländern gehören systematische Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen zur erklärten Kriegsstrategie. Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, leiden oft unter Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken. Angst ist ihr ständiger Begleiter, denn auch auf den Fluchtwegen sind sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Für geflüchtete Frauen, denen schon Gewalt angetan worden ist, fordern wir daher, die Unterbringung in den Frauenhäusern zu gewährleisten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

>> Unserer Antrag Besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften stärker schützen (pdf-Datei)

Unser Antragwurde angenommen.