>> Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Landesaufnahmegesetz (pdf-Datei)
- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Um es gleich vorwegzunehmen: Vom neuen Landesaufnahmegesetz hatten wir Bündnisgrüne uns ein stärkeres Signal erhofft. Im Dezember fanden wir noch, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf könne das Land anfangen, eine Willkommensinfrastruktur für geflüchtete Menschen aufzubauen. Denn für uns ist und war das der klare Handlungsauftrag für ein Gesetz zur Aufnahme von geflüchteten Menschen. Uns leitet die Frage: Was brauchen wir, damit aus ihnen Nachbarn, Arbeitskolleginnen und -kollegen und Kitafreundinnen werden? Ein Teil unserer Antwort ist: Dialog, Begegnung und im Alltag gelebte Wertevermittlung. Zum Ankommen gehört aus grüner Sicht mehr als irgendein Dach über dem Kopf! Im Referentenentwurf waren einige Ansätze, die die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge deutlich verbessert und ihnen mehr als ein bloßes Dach über dem Kopf ermöglicht hätten. Leider sind diese Ansätze im Laufe des gesetzgeberischen Verfahrens verschwunden. Wir haben das bedauert, und versucht über Anträge im Sozialausschuss aus dem Landesaufnahmegesetz wieder eher ein Willkommensinfrastrukturgesetz zu machen. Zwei werden wir heute noch einmal stellen, exemplarisch für alle unsere Änderungsanträge, und weil wir sie so wichtig finden.
Ähnlich erging es unserem Antrag, mit dem wir eine bessere psychosoziale Versorgung für geflüchtete Menschen erreichen wollten. Er verbrachte sieben Monate im Sozialausschuss, immer mit dem Versprechen der Koalitionsfraktionen, viele unserer Forderungen würden durch das neue Landesaufnahmegesetz erfüllt werden. Jetzt weist sogar die Robert-Bosch-Stiftung in ihrem Kommissionsbericht zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten auf eklatante Mängel bei der psychosozialen Versorgung von Asylsuchenden hin. Unser Antrag macht viele Vorschläge, wie sie in Brandenburg verbessert werden kann. Nur einen davon hat die Landesregierung aufgegriffen und stellt den Geflüchteten endlich mehr Sozialarbeiter*innen an die Seite, der Rest wurde abgelehnt. Eine besonders bittere Pille ist die fehlende Bestandsgarantie für die Behandlungsstelle traumatisierter Flüchtlinge in Fürstenwalde. Die Mitarbeiter*innen dort verfügen über Fachkenntnisse und jahrelange Erfahrungen in der Diagnostik und Therapie traumatisierter Flüchtlinge, die wir unbedingt benötigen. Die Psychiatrischen Institutsambulanzen und niedergelassenen Psychotherapeut*innen können diese Aufgabe nicht 1:1 übernehmen. Ich wiederhole mich deshalb seit sieben Monaten: Die Beratungsstelle muss als zusätzliches professionelles Angebot für psychisch erkrankte Flüchtlingen erhalten bleiben. Vermutlich haben wir aber mit dem Ausbau der Migrationssozialarbeit das Ende der Fahnenstange der psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen erreicht.
Wir wollen einige Weichen Richtung Integration mit dem Landesaufnahmegesetz besserstellen. Aufgezählt sind das: 1. Mehr Geld für Kreise und kreisfreie Städte, wenn sie für geflüchtete Menschen Wohnungen und Wohnverbünde bereitstellen statt Gemeinschaftsunterkünfte,
2. Geflüchtete Menschen sollten höchstens 15 Monate in einer Gemeinschaftsunterkunft leben müssen,
3. Die Gemeinschaftsunterkünfte sollen sich in einer städtebaulich integrierten Lage befinden,
4. In einer Gemeinschaftsunterkunft sollten nicht mehr als 100 Menschen zusammenleben müssen, 5. Gemeinschaftsunterkünfte sollten so gebaut werden, dass darin höchstens vier Menschen sich eine abgeschlossene Wohneinheit mit eigener Küche und eigenem Bad teilen müssen,
6. Die Migrationssozialarbeit soll unabhängig sein.
Alle unsere Änderungswünsche zielen darauf ab, Integrationshemmnisse abzubauen, statt sie zu zementieren oder neue aufzubauen. Wir wollen in Brandenburg lebenswerte Quartiere schaffen, mit einer guten sozialen Durchmischung. Auf die Dauer können dort alle gemeinsam leben: Menschen mit und ohne Fluchthintergrund, Studierende, Menschen mit wenig Geld oder Ältere.
Dafür müssen die Landkreise und kreisfreie Städten mehr Geld für Wohnungen und Wohnverbünde bekommen. Im Moment wohnen 70% der Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften und nur 30% in Wohnungen. Damit ist Brandenburg in Bezug auf die Wohnungsquote eins der bundesweiten Schlusslichter, Flächenländer wie Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz kommen auf 65 - 83%. Das ist widersprüchlich, weil in einigen Kommunen ein hoher Wohnungsleerstand besteht. Außerdem ist für uns immer noch klar, dass Wohnungen der beste Ort sind, an dem die neu ankommenden Menschen sich auf die Beschulung ihrer Kinder konzentrieren können, auf das Lernen der deutschen Sprache, auf das Kennenlernen der Werte und Gebräuche im neuen Land, auf die Jobsuche. Wir sehen ein, dass nicht sofort alle, nicht sofort überall und auch nicht zu jedem Zeitpunkt Geflüchtete in Wohnungen oder Wohnverbünden leben können. Wir fordern aber, dass Geflüchtete spätestens nach 15 Monaten aus den großen Gemeinschaftsunterkünften in Wohnungen und Wohnverbünde umziehen sollten. Wir fordern auch, auf die Bedingungen für Gemeinschaftsunterkünfte zu achten. In Gemeinschaftsunterkünften sollten maximal 100 Menschen wohnen, nicht mehr. Wir wissen, und können es sicher alle nachempfinden, dass in großen Gemeinschaftsunterkünften das Konfliktpotenzial steigt, je mehr Menschen auf engem Raum ohne Beschäftigung und mit wenig Privatsphäre zusammenleben müssen. In der Analyse des Fachberatungsdienstes Zuwanderung, Integration und Toleranz im Land Brandenburg (FaZIT) zeigt sich ein zusätzlicher Zusammenhang zwischen Konflikten und der Wohnform: Je mehr Menschen sich Küche und Bad teilen müssen, desto eher gibt es Streit. Jetzt soll eine Toilette für 10-15 Menschen reichen, eine Kochplatte für drei Personen und 10-12 sollen sich eine Dusche teilen. Wir finden, wenn neue Gemeinschaftsunterkünfte gebaut werden, sollen sie abgeschlossene Wohnbereiche mit einer Küche und einem Bad haben, die von höchstens vier Personen benutzt werden. Das bietet mehr Schutz für Familien mit Kindern, alleinreisende Frauen, Menschen mit anderer sexueller Orientierung (LGBTI) und andere besonders gefährdete Flüchtlinge. Als Grüne stellen wir natürlich auch die Frage der Nachhaltigkeit, sprich der Nachnutzung. Wofür sollen diese Riesenunterkünfte genutzt werden, wenn in Zukunft mal weniger Geflüchtete nach Brandenburg kommen? Wer möchte dann dort wohnen? Das ist auch einer der Gründe, zusätzlich natürlich zu den besseren Integrationsperspektiven, warum wir die Unterkünfte mitten in den Kommunen haben wollen. Wir kritisieren die Landesregierung, die sich im Gesetzentwurf dazu nicht deutlicher bekennt. Unser Änderungsantrag, den wir hier heute nochmal stellen, verwendet mit der Forderung nach einer städtebaulich integrierten Lage von Gemeinschaftsunterkünften exakt dieselbe Formulierung, die sich noch im Referentenentwurf zum Landesaufnahmegesetz fand. Die jetzige Formulierung, dass die Unterkünfte die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen sollen, ist enttäuschend schwach.
Mehr Mut hätten wir uns auch bei der Übertragung der Migrationssozialarbeit an nichtstaatliche dritte Träger gewünscht. Wir finden auch, dass die Sozialarbeiter*innen organisatorisch und fachlich unabhängig vom Träger der Unterkunft sein müssen. Sonst sind Konflikte vorprogrammiert, und es ergeben sich Aufgabenvermischungen, die in letzter Konsequenz dem ethischen Kodex Sozialer Arbeit widersprechen.
Der vorliegende Entwurf des Landesaufnahmegesetzes ist schwächer, als er sein müsste. Das ist kein Willkommensinfrastrukturgesetz geworden. Deswegen enthalten wir uns. Unserem Antrag stimmen wir natürlich zu.
Unser Änderungsantrag und Entschließungsantrag wurden abgelehnt.