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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Sichere Herkunftsstaaten Marokko, Algerien und Tunesien - Brandenburg muss im Bundesrat zustimmen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Erst im Oktober 2015 hat der Bundesgesetzgeber nunmehr sechs Westbalkanstaaten auf die Liste sicherer Herkunftsstaaten gesetzt. Nach den erschreckenden Vorfällen in Köln sollen jetzt auch Marokko, Algerien und Tunesien auf die Liste genommen werden. Die CDU fordert in ihrem Antrag, Brandenburg soll im Bundesrat zustimmen. Diesen Antrag lehnt meine Fraktion entschieden ab. Ich verurteile die Übergriffe auf Frauen in Köln auf das Schärfste. Ich wehre mich aber dagegen, dass das Konzept „sicherer Herkunftsstaat“ hier zum Spielball politischen Gutdünkens fernab rechtsstaatlicher Erwägungen mutiert.

Dies widerspricht den Grundprinzipien des Asylverfahrens, nämlich einer individuellen, sorgfältigen Prüfung von Anträgen, diametral. Was mich aktuell besonders stört, ist die Symbolpolitik, die sie damit betreiben.

Symbolpolitik, weil – wie wir von Innenminister Schröter wissen – Brandenburg für Flüchtlinge aus Algerien, Marokko und Tunesien gar nicht zuständig ist. Welche Auswirkungen hat ihr Anliegen also für Brandenburg, wenn es hier überhaupt keine Nordafrikaner gibt?

Symbolpolitik, weil ein Großteil der aktuell zu uns kommenden Schutzsuchenden nicht aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, sondern aus Krisen- und Kriegsgebieten stammt. Die Asylstatistik des BAMF für Januar 2016 vermerkt knapp 54% Asylanträge aus Syrien, 13% aus dem Irak und rund 10% aus Afghanistan.

Ihr Antrag ist auch Symbolpolitik, weil Menschen, die aus diesen Ländern kommen, gar nicht abgeschoben werden können, wenn ihnen die nötigen Papiere fehlen. Dass Bundesinnenminister de Maizière bei seinem Besuch in Rabat nun erreicht hat, dass die dortige Regierung sich bei der Identifizierung marokkanischer Staatsangehöriger künftig kooperativer zeigt, mag man als Erfolg verbuchen. Aber zu welchem Preis?

Jeder weiß: Marokko, Tunesien und Algerien sind nicht sicher. Hierzu zitiere ich mal aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 3. Februar 2016:

In Algerien wird die Todesstrafe verhängt, Frauen werden faktisch und rechtlich diskriminiert, bei Demonstrationen kommt es zu verbotenen Misshandlungen. Auch in Marokko wird die Todesstrafe verhängt, für homosexuelle Handlungen gilt ein erhöhter Strafrahmen. In Tunesien beanstanden Nichtregierungsorganisationen dubiose Todesfälle von Personen in Gewahrsam oder Haft, Journalisten, und Blogger, die Kritik an Sicherheitskräften üben, müssen mit Strafen rechnen, homosexuelle Handlungen werden mit Haftstrafe von drei Jahren belegt. So beschreibt die Bundesregierung eine unbedenkliche Menschenrechtslage. Das Bundesverfassungsgericht verlangt klar und eindeutig: 'Für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat muss Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen' (BVerfGE 94, 115).“

Wenn wir nicht sichere Länder als sicher erklären, hat dies nicht nur fatale Auswirkungen auf das individuelle Grundrecht auf Asyl, wir stellen auch einen Persilschein für die Menschenrechtslage in den dortigen Ländern aus. Schon jetzt werden die Pläne in Marokko als enormer diplomatischer Gewinn und auch als Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara gewertet. Marokko hat aber nach einhelliger Auffassung aller Mitgliedsstaaten der EU sowie der Afrikanischen Union keinen Anspruch auf das 1975 besetzte Gebiet.

Die Ausweitung sicherer Herkunftsländer führt dazu, dass Menschen aus bestimmten Ländern in Brandenburg diskriminiert werden und das zu einer Zeit, in der die Stimmung ohnehin schon aufgeheizt ist. Es kann nicht sein, dass ein Heimleiter ein albanisches Kind nicht zum Schulunterricht anmeldet – wie vor kurzem in Joachimsthal geschehen - weil es aus einem sicheren Herkunftsland kommt und ja ohnehin abgeschoben wird.

Hessen wird laut Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen eine Entwicklungspartnerschaft mit einer Region des Westbalkans schließen, um die Vereinbarung der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin in Bezug auf den Zugang der Menschen aus den Balkanstaaten zum Arbeitsmarkt und die Entwicklungsperspektive dieser Länder mit Leben zu erfüllen. An Stelle die Landesregierung aufzufordern, im Bundesrat zuzustimmen, bittet meine Fraktion diese zu prüfen, ob nicht auch sie eine Entwicklungspartnerschaft mit einem bereits für sicher erklärtem Herkunftsstaat für erwägenswert hält.