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Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde auf Antrag der AfD-Fraktion „Solidarpaket für die deutsche Bevölkerung: Unsere Leute nicht alleine lassen“

– Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Die AfD Fraktion schreibt in ihrem Antrag, die aktuelle Stunde diene der Diskussion, wie die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland verhindert werden könne. In Wahrheit dient ihr Antrag dazu, die in Deutschland zu beobachtende Spaltung entlang der Flüchtlingsfrage zu vertiefen. „Unsere Leute“, die gegenüber den Flüchtlingen zurückgesetzt werden, wie der Antrag suggeriert, müssen durch ein Solidarpaket gestärkt werden. Die sich dabei aufdrängende Frage, wie sich deutsche Bevölkerung definiert, nämlich ethnisch oder durch die Staatsangehörigkeit, wird auch gleich mitbeantwortet: Es geht um die, die ihre kulturellen und familiären Wurzeln in unserem Land haben und schon lange in Deutschland leben. Deutsche mit Migrationshintergrund sind hier ausdrücklich nicht gemeint. Auf anderen einschlägigen Plakaten heißt es da einfacher: „Unser Volk zuerst!“

Die Linksfraktion hat den heiklen Spagat, die Sozialstaatsdebatte mit der Flüchtlingsfrage zu verbinden in ihrer Aktuellen Stunde im Dezember versucht und gegenteilig orchestriert: „Soziale Sicherheit für alle“. Der AfD geht es aber nicht um den kompensierenden oder vorsorgenden Sozialstaat, um gerechte Wirtschafts- oder Arbeitsmarktpolitik. Der AfD geht es um das Schüren des Sozialneides. Sie hat sich auf das Segment Ängste und Bedrohungen spezialisiert und adressiert diese in vielfältigen Variationen. Die Komplexität der modernen Welt, der atemberaubend schnelle Zuwachs von Wissen und Information, die Bedrohungen der Globalisierung, die Undurchschaubarkeit internationaler Krisen und Verträge erzeugen in vielen Bürgerinnen und Bürgern Angst und Abwehr. Wenn man dann noch nicht einmal deutschen Institutionen wie Franz Beckenbauer, dem ADAC oder VW trauen kann, ist die Verunsicherung perfekt. Wie einfach und schön ist es da doch, sich ein Deutschland losgelöst von Raum und Zeit, ein Auenland im Biedermeier zu phantasieren, abgeschottet von den Zumutungen der heutigen Welt!

Nein, der AfD geht es nicht um Sozialpolitik und um Gerechtigkeit – dazu genügt ein Blick in ihre Wahlprogramme. Die AfD lehnt den Mindestlohn ab und warnt vor allzu expansiver Sozialpolitik und Sozialromantik. Das Loblied von Eigeninitiative und Leistungsprinzip, Eliten- und Begabtenförderung, die Verdammung von Genderpolitik und Arbeitsmarktprogrammen, die ja nur zu Mitnahmeeffekten und Wettbewerbsverzerrungen führen – das sind ihre programmatischen Aussagen. Hinzu kommt eine Steuerpolitik à la Paul Kirchhof, die flat tax zu Gunsten hoher Einkommen, die Forderung nach Abschaffung der Erbschaftssteuer, keine Vermögensteuer und das Vertrauen auf die heilende Hand des Marktes und der Vorrang der Privatwirtschaft vor öffentlicher Daseinsvorsorge. Die AfD betreibt Klientelpolitik gegen die Interessen normal und gering verdienender Arbeitnehmer, schwingt sich aber vorgeblich zu deren Interessensvertretung auf, indem sie ja immer den Sündenbock in der Tasche hat.

Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander? Das Rentenniveau sinkt? Die Reallöhne stagnieren? Die Mieten steigen und der Eintrittspreis fürs Hallenbad ist teurer geworden – schuld daran ist sicher der Flüchtling! Besonders absurd wird es, wenn ein zorniger alter Mann mit großbürgerlicher Attitüde mit seinem Jaguar quer durch die Republik hetzt als selbsternannter Anwalt des „Kleinen Mannes“, dabei aber eigentlich einen unerbittlichen Rachefeldzug gegen seine alte Partei führt, die seine Genialität nie so richtig zu schätzen wusste.

Dass die AfD ein gutes Gespür für Kränkung, Wut und Abstiegsängste hat, dass sie das Gefühl des „zu kurz gekommen zu sein“ und „sich ungerecht behandelt zu fühlen“ geschickt adressiert, ist ihr nicht abzusprechen. Nur hat die AfD keine Antworten! Weder auf die gerechte Sicherung unserer Sozialsysteme noch auf die Flüchtlingsfrage. Nicht umsonst warnt Herr Gauland davor, dass die Partei an einer Koalition „zugrunde gehen“ würde und die Übernahme von Regierungsverantwortung für seinen „gärigen Haufen“ (Zitat!) tödlich wäre.

Ungeachtet der dringenden Notwendigkeit in Deutschland mehr gegen Kinder- und Altersarmut, gegen verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit und für Bildungsgerechtigkeit zu tun, halte ich die Forderung von Sigmar Gabriel nach einem Sozialpaket für Deutsche zweieinhalb Wochen vor schwierigen Wahlen für fahrlässig. Er greift die dumpfen Vorurteile der AfD-Vereinfacher auf und bestätigt sie dadurch. Den Rechtspopulismus bekommt man nicht dadurch in den Griff, dass man seinen falschen Axiomen hinterherrennt. Oder, um Cem Özdemir zu zitieren: „Der Verunsicherung der Bevölkerung begegnet man mit Besonnenheit und Haltung, nicht mit Panik und Orientierungslosigkeit.“