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Ursula Nonnemacher spricht zu unserem Gesetzentwurf „Gesetz zur Antidiskriminierung im Land Brandenburg (Landesantidiskriminierungsgesetz – LADG Bbg)“

>> Zum Gesetzentwurf „Gesetz zur Antidiskriminierung im Land Brandenburg (Landesantidiskriminierungsgesetz – LADG Bbg)“ (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Vor wenigen Jahren haben wir gemeinsam mit allen Fraktionen um eine Antirassismusklausel in der Verfassung gerungen. Seitdem steht in Artikel 7 a unserer Landesverfassung: „Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.“ Unser Gesetzentwurf ist die logische und zwingende Fortsetzung: Erst durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz wird der Verfassungsauftrag mit Leben gefüllt.

Es soll Opfern von Diskriminierungen dabei helfen, sich gegen solche zur Wehr zu setzen. Zugleich möchten wir mit dem Gesetz in der öffentlichen Verwaltung eine Kultur der Vielfalt und Toleranz fördern. Dabei geht es uns nicht nur darum, Betroffene von rassistischen Diskriminierungen stärker zu unterstützen. Das Landesantidiskriminierungsgesetz adressiert auch über das Landes-gleichstellungsgesetz und das Behindertengleichstellungsgesetz hinaus alle Menschen, die durch staatliche Institutionen wegen ihrer Abstammung, Nationalität, Sprache, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität, ihrer sozialen Herkunft oder Stellung, einer Behinderung, ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung, aus rassistischen Gründen und aufgrund ihres Lebensalters diskriminiert werden.

Damit lehnen wir uns an Artikel 12 der Landesverfassung an, der es verbietet, Personen aufgrund der genannten Diskriminierungstatbestände ungleich zu behandeln. Durch die Verbindung der Kategorien mit einem „und“ statt einem „oder“ tragen wir der Tatsache Rechnung, dass Diskriminierungen oft mehrdimensional sind. So leidet zum Beispiel eine Frau mit einer Behinderung und mit Migrationshintergrund noch einmal ganz anders unter Diskriminierungserfahrungen.

Zwar gibt es bereits ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – das sogenannte AGG - auf Bundesebne. Dieses deckt aber nur die Gebiete des Arbeits- und Zivilrechts ab. Bei Diskriminierungen durch staatliche Stellen – wie z.B. durch einen Lehrer oder eine Polizistin - ist da AGG nicht anwendbar. Diese Regelungslücke wollen wir schließen. Betroffene können sich dann nicht nur gegen einen diskriminierenden Vermieter oder Arbeitgeber zur Wehr setzen, sondern auch gegen einen diskriminierenden Behördenmitarbeiter. Mit dem Gesetzentwurf greifen wir zudem Vorgaben aus zwei EU Richtlinien auf, die bisher noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt wurden.

Auch möchte ich daran erinnern, dass das Land Brandenburg am 26. September 2011 als drittes Bundesland der „Koalition gegen Diskriminierung“ beigetreten ist. Ziel der Vereinbarung war, es nicht bei bloßen Absichtserklärungen zu belassen, sondern gemeinsame Anstrengungen gegen Diskriminierung zu unternehmen. In Zeiten, in denen auch das Land Brandenburg starke Zuwanderungszahlen zu verzeichnen hat, gewinnt diese Aufgabe an Aktualität. Laut Migrationsbericht der Landesregierung lebten Ende 2015 insgesamt rund 88.000 Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft im Land Brandenburg, Ende 2011 waren es noch rund 49.000. Die Beratungsfälle stiegen laut Umsetzungsbericht des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ bei der Antidiskriminierungsberatung des Vereins Opferperspektive im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent an. Besonders häufig traten Diskriminierungen von Geflüchteten auf dem Wohnungsmarkt und beim Zugang zu Bankkonten auf. Die Antidiskriminierungsberatung berichtet aber auch von vereinzelt aufgetretenen Problemen und Diskriminierungsfällen bei der Polizei oder in den Schulen des Landes Brandenburg:

  • So habe ein Polizist einen Anzeigenden aufgrund seiner Hautfarbe zunächst nicht als Opfer, sondern als Täter behandelt.
  • Der lobenswerte aber – im Vergleich zu einem Gesetz- wenig verbindliche Diskriminierungsfreiheitserlass für die Polizei des Landes Brandenburg vom 10.September 2014 werde von einzelnen Polizistinnen und Polizisten nicht hinreichend beachtet.
  • Die Teilnahme an Antidiskriminierungsschulungen sei in einigen Bereichen (z.B. polizeiliche Führungsebene) teilweise gering bis kaum vorhanden.

Was den Bereich Schule angeht, kommt ein Bericht der Bundesantidiskriminierungsstelle aus dem Jahr 2013 zu folgenden Ergebnissen: Bereits in der Grundschule herrsche eine Ausgrenzungspraxis vor, die Chancenungleichheit fördert. Rechtlich mangele es in den Ländern an einem umfassenden Schutz vor Diskriminierung. Weder gebe es ausreichend ausdrückliche Verbote von Benachteiligungen, noch seien Wege für eine Beschwerde und den Rechtsschutz klar definiert. Hier müssten Schutzlücken geschlossen werden. So neigten beispielsweise LehrerInnen dazu, selbst bei gleicher Leistung Kindern mit Migrationshintergrund oder „niedriger sozialer Herkunft“ seltener eine Gymnasialempfehlung auszusprechen. „Schwul“, „Schwuchtel“ oder „Lesbe“ sind gängige Schimpfwörter auf den Schulhöfen, wie eine Berliner Umfrage ergab. Nach Angaben von SchülerInnen machten sich sogar ein Drittel des Lehrkörpers über nicht geschlechtskonforme Lebensweisen lustig. Berichten der Antidiskriminierungsberatung in Brandenburg zufolge würden an einzelnen Schulen insbesondere kopftuchtragende Schülerinnen und deren Mütter abwertend behandelt. Da diese Schulen aber um ihr gutes Image bemüht seien, gebe es dort offiziell keine Diskriminierung.

Im vergangenen Jahr wurde aufgrund der steigenden Zuwanderungszahlen gerade der Brandenburger Verwaltung, der Polizei und den Schulen eine hohe Kraftanstrengung abverlangt. Sie haben diesen Einsatz gut gemeistert und er verdient unser ausdrückliches Lob. Nichtdestotrotz ist – wie Studien und Berichte schon seit Jahren zeigen sowie Verfassungs- und EU- Vorgaben es vorsehen, gesetzgeberischer Handlungsbedarf festzustellen. Konkret beinhaltet unser Gesetzentwurf ein ausdrückliches Verbot von Ungleichbehandlungen. Darüber hinaus sieht es Maßnahmen zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbotes vor. Hierzu gehören beispielsweise ein Klagerecht für Antidiskriminierungsverbände sowie die Möglichkeit, auf Grundlage des Gesetzes einen Schadensersatz geltend zu machen. Wege für den Rechtsschutz werden damit klarer definiert. Bedenken einer drohenden Klagewelle von QuerulantInnen wurden auch bei Erlass des AGG geäußert, haben sich aber nicht bewahrheitet. Ganz im Gegenteil: Die Leiterin der Bundesantidiskriminierungsstelle Christine Lüders spricht sich vielmehr für mehr Durchsetzungskraft des AGG aus und betont den Nachholbedarf beim Diskriminierungsschutz im öffentlichen Bereich.

Zudem sieht das Landesantidiskriminierungsgesetz sogenannte positive Maßnahmen vor wie zum Beispiel Fortbildungen oder die Berücksichtigung von Minderheitenrechten im Vorfeld des Erlasses von Gesetzen oder Verwaltungsakten. Die Landesverwaltung soll selbst eine Kultur der Wertschätzung von Vielfalt und Toleranz praktizieren, daneben soll sie Auftragnehmende bei der Vergabe öffentlicher Aufträge entsprechend in die Pflicht nehmen.

Außerdem schaffen wir mit dem Gesetzentwurf eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die im Land Brandenburg 1999 eingerichtete Landesstelle für Chancengleichheit. Sie soll die Aufgaben der Landesgleichstellungsbeauftragten, des Landesbehindertenbeauftragen und der Landesintegrationsbeauftragten nicht ersetzen, sondern mit ihnen zusammenarbeiten. Sie hat eine Beratungsfunktion, bekommt Akteneinsichts- und Beteiligungsrechte und soll dem Landtag regelmäßig Bericht erstatten. Ich bedauere, dass die damals eingerichtete Landesantidiskriminierungsstelle heute in diesem Umfang nicht mehr existiert. Solange es in Brandenburg keine starke Landesantidiskriminierungsstelle gibt, die sich für die Belange benachteiligter Menschen einsetzt, ist es für einige im Land einfach zu sagen, dass es Diskriminierungen nicht gibt.

Das AGG verbietet bereits den Bürgerinnen und Bürgern, andere Personen zu diskriminieren. Mit einem Landesantidiskriminierungsgesetz fordern wir Respekt und Toleranz nicht mehr allein von den Bürgerinnen, sondern fangen vorbildlich bei uns selbst an.

>> Zum Gesetzentwurf „Gesetz zur Antidiskriminierung im Land Brandenburg (Landesantidiskriminierungsgesetz – LADG Bbg)“ (pdf-Datei)

Der Gesetzentwurf wurde in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie und in den Rechtsausschuss überwiesen.