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Ursula Nonnemacher spricht zum Bericht der Landesregierung „Neunter Bericht des Ministers des Innern und für Kommunales an den Landtag über bestimmte Maßnahmen der Datenerhebung auf Grund des Brandenburgischen Polizeigesetzes“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Insgesamt – und hier wiederhole ich meine Einschätzung aus der 1. Lesung gerne – zeigt der Bericht, dass die Brandenburger Polizei maßvoll und verantwortungsbewusst mit den Ermächtigungen des Polizeigesetzes umgeht und bestimmte Maßnahmen wie Wohnraumüberwachung und Videoüberwachung gefährdeter Objekte gar nicht zur Anwendung gebracht wurden. Im Zentrum der Ausschussberatungen stand – wie schon in den Vorjahren – die Entwicklung der Straftaten im videoüberwachten Bereich des Potsdamer Hauptbahnhofes und im angrenzenden Raum.

Und diese Zahlen haben es in sich: noch nie seit der Einführung der Überwachungskameras in der Ära Schönbohm im Jahr 2000 war die Zahl der Straftaten im überwachten Bereich so hoch wie im Berichtsjahr 2015. Sie haben sich mit einem Anstieg um 125% binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt. Der oft postulierte Effekt der Verhinderung von Straftaten durch abschreckende Videoüberwachung lässt sich dadurch ganz sicher nicht belegen. Schaut man sich das weitere, nicht kameraüberwachte Bahnhofsumfeld an – Thema Verdrängungseffekte – so ist auch dort ein trauriger Rekord an Straftaten zu verzeichnen.

Im Bahnhofsbereich hat sich insbesondere die Anzahl der Fahrraddiebstähle verdoppelt, auch unter laufender Kamera.

Das ursprüngliche Konzept der Videoüberwachung war ja auch davon ausgegangen, dass die Bilder der Kameras laufend ausgewertet und bei Straftatverdacht sofort eingegriffen werde. Eine Vorstellung, die sich anhand der benötigten personellen Ressourcen schnell als Illusion herausgestellt hat. „Wir wissen, dass wir nicht reagieren können“, wird dazu der brandenburgische GdP-Vorsitzende Schuster zitiert. Die punktuelle Hilfe der Videoüberwachung bei der Aufklärung von Straftaten – prominenteste Beispiele sind der U-Bahntreter von Berlin und der Mord an den Kindern Elias und Mohammed – kann hier auch nicht belegt werden.

Die zweimaligen Ausführungen des MIK blieben leider in vielem vage und konnten zentrale Fragen nicht schlüssig beantworten. Der Hinweis auf die steigende Einwohnerzahlen, die steigenden Pendlerzahlen und die Zunahme der Radfahrer sind vom Ausmaß nicht geeignet, die erwähnte Verdoppelung der Straftaten zu erklären. Der mehrfach gegebene Hinweis, dass die Wirksamkeit der Videoüberwachung bei der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten wissenschaftlich schwierig zu belegen sei, entbindet im Rahmen eines so exponierten Berichtes aber nicht davon, genau dies zu versuchen, wenigstens für den Bereich Aufklärung. Für die Vereitelung einer in Durchführung begriffenen Straftat leistet die Überwachung nichts – dazu bräuchte es die reale Präsens von mehr Sicherheitspersonal. Wieviele Straftäter konnten nachträglich durch die vorhandenen Bilder identifiziert und verurteilt werden? Welche nicht? Lag es an technischen Problemen wie dem Aufnahmewinkel oder der Qualität der Aufnahmen? War die 48 Stunden-Speicherungsfrist das Problem?

Sicherlich gehören Bahnhofsvorplätze und insbesondere der Hauptbahnhof der Landeshauptstadt, zu den neuralgischen Punkten, bei denen eine Videoüberwachung vertretbar ist. Es ist auch gerechtfertigt bei anhaltend hoher abstrakter Gefährdungslage durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland über weitere zu überwachende Orte mit besonderem Gefährdungspotential nachzudenken. Wir sollten aber kühlen Kopf bewahren und uns klar machen, wo die Möglichkeiten und Grenzen dieser Maßnahmen liegen. Das Beispiel vom Köln Hauptbahnhof, wo mehrere Dutzend Überwachungskameras nicht dazu beitragen konnten, dass aus 1300 Anzeigen in der Silvesternacht mehr als 22 Strafverfahren wurden, macht nachdenklich. Und dabei ging es nicht darum, Kollege Petke, dass diese Kameras nur auf Zugabfertigung ausgerichtet waren. Die Bundesbahn selbst teilt mit, dass sie bei der Überwachung safety und security – also Zugabfertigung und Personenschutz durch Straftaten im Blick hat. Den Bericht der Metropolitan Police, dass auf 1000 Überwachungskameras in London lediglich die Aufklärung einer Straftat komme, habe ich schon im Ausschuss erwähnt.

Videoüberwachung und die anderen Ermächtigungen des Polizeigesetzes sind schwerwiegende Grundrechtseingriffe. Sie müssen einen erkennbaren – im Idealfall messbaren – sicherheitspolitischen Mehrwert für die Bevölkerung bringen.