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Ursula Nonnemacher spricht zu unserem Antrag „Unterhaltsvorschuss als familienpolitische Leistung erhalten"

>> Unser Antrag „Unterhaltsvorschuss als familienpolitische Leistung erhalten" (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Der Unterhaltsvorschuss wurde im Jahr 1980 eingeführt. Der Staat zahlt ihn an Alleinerziehende, wenn der andere Elternteil sich finanziell nicht an der Fürsorge für das gemeinsame Kind beteiligt. In mehr als 90% der Fälle sind es die Väter, die nicht zahlen. Der Anteil der Alleinerziehendenfamilien liegt im Land Brandenburg bei fast einem Drittel, und damit weit über dem Bundesdurchschnitt. Fast die Hälfte dieser Familien bekommt gar keinen Kindesunterhalt vom dazu verpflichteten Elternteil. Das Risiko für Kinderarmut ist in diesen Familien außerordentlich hoch. Der Staat springt hier mit dem Unterhaltsvorschuss unterstützend ein. Diese wichtige familienpolitische Leistung kann die Armut wenigstens graduell abmildern. Abmildern nur, nicht abwenden. Das liegt erstens daran, dass der Unterhaltsvorschuss nicht alle alleinerziehenden Eltern erreicht. Bisher wird er nur für maximal sechs Jahre und nur bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes gezahlt. Zweitens sind die Beträge des staatlichen Unterhaltsvorschusses oft um ein Vielfaches niedriger, als der eigentliche Unterhalt durch den Vater wäre. Die Höhe des Unterhalts, der eigentlich durch den Vater zu zahlen wäre, orientiert sich an der sogenannten Düsseldorfer Tabelle, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern berücksichtigt. In der niedrigsten Stufe beträgt der monatliche Unterhalt für Kinder bis fünf Jahren 342 Euro, für Kinder bis 12 Jahren 393 Euro. Im Gegensatz zum Unterhaltsvorschuss sind die Väter auch über das zwölfte Lebensjahr hinaus verpflichtet, finanziell zum Aufziehen der Kinder beizutragen. Im Vergleich dazu die Zahlen der staatlichen Ausfallleistung: Für Kinder bis fünf Jahren erhalten die Mütter 150 Euro, für Kinder bis elf Jahren 201 Euro im Monat. Und das, noch einmal, für längstens 6 Jahre, und nur, bis das Kind 12 Jahre alt ist. Danach stehen sie alleine da.

Natürlich versucht der Staat, sich seine Vorleistung für den nicht gezahlten Unterhalt von den Vätern zurück zu holen. Die Rückholquoten sind jedoch ziemlich niedrig. Im Land Brandenburg gelingt das bei nur 23% der Väter. Die Landesregierung möchte diese Quote erhöhen, zu Recht. Die Frage ist bloß, wie. Es gibt wenig Kenntnis über die Ursachen des eher erfolglosen Rückgriffs des Staats auf die unterhaltsverpflichteten Väter. Mit Sicherheit hängt das auch damit zusammen, dass es kein ausreichendes Wissen über die Gründe gibt, warum so viele Väter keinen oder nur einen unzureichenden Unterhalt zahlen. Hier muss die Landesregierung ran.

Die Bundesregierung muss dringend an die Reform des Unterhaltsvorschusses. Sie plant seit längerem, die Situation für die Alleinerziehendenfamilien endlich zu verbessern. Nun hat das Bundeskabinett dazu im Dezember einen Gesetzentwurf beschlossen, der zum Ziel hat, die Leistungen auszubauen. Unterhaltsvorschuss soll zukünftig für eine unbegrenzte Dauer und bis zur Volljährigkeit der Kinder gezahlt werden. Damit ist die Bundesregierung absolut auf dem richtigen Weg. Das verspricht eine deutlichere Unterstützung von Alleinerziehendenfamilien und mehr Teilhabemöglichkeiten für die Kinder.

Absolut unverständlich ist es daher, dass das Gesetzgebungsverfahren nun durch die bisher noch nicht geklärte Finanzierung zwischen Bund und Ländern ins Stocken geraten ist! Natürlich dürfen die Länder nicht einseitig auf den zusätzlichen Kosten sitzen bleiben. Trotzdem dürfen wir jetzt nicht alle Vorschläge akzeptieren. Einer lautet, durch die Abschaffung der Vorrangigkeit des Unterhaltsvorschusses gegenüber dem Leistungsbezug aus dem ALG II, Geld einzusparen oder eher zu verschieben. Für die betroffen Frauen bedeutet das, dass sie zukünftig keinen Unterhaltsvorschuss mehr bekämen, sondern zusätzliche Leistungen aus dem Arbeitslosengeld II. Das ist aus Bündnisgrüner Sicht ein völlig falsches Signal. Den Unterhaltsvorschuss bekommen Alleinerziehende doch nicht, weil sie arm sind, sondern, weil sich der andere Elternteil nicht an der Existenzsicherung des Kindes beteiligt! In der Diskussion muss ganz deutlich unterschieden werden: Der Unterhaltsvorschuss ist keine reine Sozialleistung für Frauen, sondern eine familienpolitische Leistung. Der Unterhaltsvorschuss rückt im Gegensatz zu Leistungen aus dem SGB II die Mitverantwortung des anderen Elternteilteils an der Existenzsicherung des Kindes in den Mittelpunkt.

Für das Land Brandenburg ist das eine wichtige Entscheidung. Der Anteil der alleinerziehenden Familien, die von Arbeitslosengeld II abhängig sind, ist im Bundesvergleich besonders hoch. Oft stecken sie im Sozialleistungsbezug förmlich fest. Mit einer eventuellen Abschaffung der Vorrangigkeit des Unterhaltsvorschusses gegenüber dem ALG II wird gerade dieses Problem nicht behoben, sondern zementiert. Können wir wirklich wollen, dass noch mehr Alleinerziehende in den ALG II-Leistungsbezug gedrängt werden?

Besonders abwegig erscheinen diese Überlegungen hinsichtlich einer Berechnung des Bundesfamilienministeriums, dass nach einer gelungen Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes fast 35 Prozent der Alleinerziehenden vollständig aus einem ergänzenden ALG II-Bezug ausscheiden könnten.

Und: Was würde es bedeuten, wenn Alleinerziehende statt des Unterhaltsvorschuss Arbeitslosengeld II bekämen? Müssten sie dann dem Arbeitsmarkt vollumfänglich zur Verfügung stehen? Würden ihnen Geschenke, Zuwendungen abgezogen? Diese und viele andere problematische Folgen sind bisher nicht abschließend diskutiert worden.

Auch die rechtlichen Möglichkeiten zur Rückforderung des Unterhaltes von den Vätern wären durch das Auszahlen von SGB II Leistungen deutlich erschwert. Kann die Landesregierung das angesichts der schon jetzt mageren Quote wirklich wollen?

Frauen, und insbesondere Mütter, haben leider immer noch nicht die die gleichen Chancen, ihr Leben selbstbestimmt und unabhängig zu bestreiten. Unabhängigkeit hängt stark mit Geld zusammen, also mit Einkommen oder Vermögen. Obwohl in Brandenburg mittlerweile 46% der Mädchen gegenüber 35% der Jungen das Abitur ablegen und die weibliche Erwerbsbeteiligungsquote in Brandenburg mit 73% hoch ist, sind unter den Teilzeitbeschäftigten drei Viertel Frauen. Viele davon unfreiwillig, viele, die gerne mehr arbeiten und damit mehr verdienen würden. Mir selbst sind zahlreiche Beispiele aus dem Medizinbetrieb bekannt, wo alleinerziehende Frauen wegen ihrer kleinen Kinder Arbeitszeit reduzieren mussten, insbesondere da sie im Schichtdienst beschäftigt waren. Wollten sie einige Jahre später wieder mehr arbeiten – da es sich als Familie von einem halben Krankenschwestergehalt auch nicht wirklich gut lebt – wurde ihnen das verwehrt. Der Arbeitgeber hat lieber Leasing-Kräfte eingestellt.. Arbeitsrechtlich ist das leider möglich, und zwar solange, wie wir kein Rückkehrrecht auf Vollzeit haben. Auch das Beispiel der Frontal 21-Journalistin Birte Meier spricht Bände. Als sie entdeckte, dass ihr männlicher Kollege Netto mehr verdiente als sie Brutto, stockte das ZDF ihr, der langjährigen, erfolgreichen Mitarbeiterin nicht etwa sofort das Gehalt auf ein gleiches Niveau auf. Nein, sie möchten sie lieber gleich ganz gehen lassen, gegen Zahlung einer Abfindung. Ein Entgeltgleichheitsgesetz? Könnte eventuell helfen. Aber vom jetzigen Kompromiss, der eine Regelung nur für größere Unternehmen ab 200 Mitarbeiter*innen vorsieht, werden viele Frauen nicht profitieren. Die meisten Frauen arbeiten in kleineren Unternehmen, wo die Gehaltsunterschiede dazu aber oft am größten sind.

Wer angesichts dieser Beispiele, und angesichts der überwältigenden Anzahl alleinerziehender Mütter noch von Genderwahn spricht, will absichtlich nicht erkennen, dass Frauen täglich Diskriminierungen erfahren. Diese strukturellen Ungerechtigkeiten müssen wir beseitigen.

Deswegen finden wir: Das Land muss seinen Einfluss im Bundesrat nutzen, um den Sozialleistungsbezug für möglichst viele alleinerziehende Frauen zu beenden. Wir bitten daher die Landesregierung sich vehement für eine Ausweitung des Unterhaltsvorschuss einzusetzen, aber einem Lösungsvorschlag, der mehr Frauen ins Arbeitslosengeld II drängt, im Bundesrat nicht zuzustimmen.

Der Ausschussbefassung sehen wir mit Freude entgegen.

>> Unser Antrag „Unterhaltsvorschuss als familienpolitische Leistung erhalten" (pdf-Datei)

Der Antrag wurde in den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport überwiesen.