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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU "Gesetz zur Änderung des BB Polizeigesetzes"

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

„Wer wesentliche Freiheiten opfert, um vorübergehend ein kleines Maß an Sicherheit zu gewinnen, verdient weder das eine noch das andere und wird am Ende beides verlieren.“ Dies wusste unter anderem Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika. Sicherheit und Freiheit bedingen einander. Sie müssen sich im Gleichgewicht befinden, um dauerhaft bestehen zu können. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie zieht sich spätestens seit der Antike durch unsere Geschichte und ist heute Grundlage unserer Verfassung und unseres Rechtsverständnisses. Sicherheit und Sicherheitsbedürfnis müssen der Wahrung der Grundrechte und der Entfaltung der Bürgerinnen und Bürger im Staat dienen und dürfen diese nicht gefährden. Hierfür steht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dies gilt auch in Zeiten terroristischer Bedrohung und außenpolitischer Unwägbarkeiten.

Lese ich nun aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes, könnte man meinen, Sie hätten von dieser Balance zwischen Freiheit und Sicherheit noch nicht allzu viel gehört. Die Ausweitung der sog. Schleierfahndung und der Videoüberwachung, steht in keinem Verhältnis zu ihrem Nutzen. Sie begründen diese Grundrechtseingriffe mit einer Zunahme der Kriminalität und terroristischen Bedrohung. Dabei sind die von Ihnen genannten Ausweitungen weder zielgerichtet noch zur tatsächlichen Gefahrenabwehr geeignet:

1. Sie schlagen etwa vor, Videoüberwachung auch im Falle einer konkreten Gefahr zuzulassen (§ 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 GE BbgPolG n.F.). Bereits jetzt ist eine Überwachung zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an bestimmten Orten oder zu bestimmten Anlässen vermehrt Straftaten drohen (§ 31 BbgPolG). Bereits in unserer Debatte im Januar habe ich mich dahingehend geäußert, dass ein solch gezielter Einsatz von Videoüberwachung punktuell zur Aufklärung von Straftaten beitragen und sinnvoll sein kann.

Gerade aber bei konkreten Gefahren ist Videoüberwachung zur Gefahrenabwehr völlig ungeeignet. Droht sich eine Gefahr zu konkretisieren, hilft nur das konkrete Abwehren der Gefahr, beispielsweise durch das Eingreifen von Sicherheitskräften. Die Aufzeichnung einer Straftat verhindert diese aber nicht mehr und nützt allenfalls der Strafverfolgung, was in den Kompetenzbereich des Bundesgesetzgebers fällt.

2. Des Weiteren fordern Sie eine automatisierte Zusammenführung und Auswertung des gewonnenen Bild- und Tonmaterials durch Algorithmen, soweit dies nicht gesetzlich ausgeschlossen ist (§ 31 Abs. 6 GE BbgPolG n.F.). Insbesondere die automatisierte Auswertung stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, dessen Reichweite Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht gerecht werden. Auch hier erschließt sich nicht, inwieweit dieses Vorgehen noch für die Gefahrenabwehr geeignet sein soll oder ob bereits der Bereich der Strafverfolgung und damit die Kompetenz des Bundesgesetzgebers betroffen ist. Bei der zunehmenden Präzision neuer Aufnahmegeräte, die nicht nur das Aussehen, sondern auch den gesundheitlichen Zustand einer Person und mehr erkennen können, dürfte zudem eine Verlängerung der Löschungsfrist auf einen Monat nicht mehr verhältnismäßig sein. Diese Form der massenweisen Datensammlung und -speicherung lehnen wir Bündnisgrünen ab.

3. Schließlich fordern Sie Personenkontrollen ohne konkreten Anlass (§ 12 GE BbgPolG n.F.). Ich darf daran erinnern, dass die Identitätsfeststellung bereits jetzt in einer Vielzahl von Fällen, insbesondere zur Abwehr einer Gefahr und bei der vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, möglich ist (§§ 11, 12 BbgPolG). Warum nun gerade Ihr Ausweitungsvorschlag geeignet sein soll, die Kriminalität einzudämmen - darauf bleiben Sie uns die Antwort schuldig. Klar ist nur, dass er verfassungsrechtlich mindestens bedenklich ist, ich verweise auf ein Urteil des Verfassungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht jederzeit befürchten müssen, von der Polizei kontrolliert zu werden, ohne dass ein konkreter Verdacht besteht.

Ihren Antrag lehnen wir ab. Denn denken Sie daran: Wer zu viel Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird am Ende beides verlieren.