- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
„Was denn noch?“ werden sich wohl einige bei unserem Antrag gedacht haben. Denn wir reden in einer Zeit über die politische und ökonomische Teilhabe von Frauen, in der ganz viele denken: die Frauen haben doch in Deutschland im Prinzip schon alles erreicht. Und ja, unser Grundgesetz legt fest, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Aber, wie erstaunt waren kürzlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Delegation aus Togo hier im Landtag, als sie hörten, dass es in Deutschland kein Parité-Gesetz gibt! Und geradezu als hinterwäldlerisch befand eine Besuchergruppe, die vornehmlich aus Migrantinnen und Migranten bestand, den geschlechtsspezifischen Lohnunterschied bei uns! Exemplarisch stehen diese Beispiele für die Notwendigkeit des ergänzenden Auftrags im Grundgesetz, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern voranzubringen und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken.
Aber viel zu oft nehmen wir alle im Alltag Nachteile und Ungerechtigkeiten für Frauen stillschweigend hin. Verweisen auf individuelle Probleme, da wo in Wahrheit strukturelle Hindernisse bestehen. Setzen auf Freiwilligkeit bei Fördermaßnahmen, obwohl längst klar ist, dass sich so nichts bewegt. Als wäre es nicht genug, dass uns der (west-)deutsche Müttermythos seit Jahrzehnten so hartnäckig verfolgt, kommen jetzt noch die Gespenstergeschichten der Rechtspopulisten auch hier im Brandenburger Landtag dazu. Uns gruseln deren Geschichten von der natürlichen Geschlechterordnung, der klassischen Familie und dem homogenen Volk! Wir wollen nicht in eine Gesellschaft zurück, in der gleiche Rechte und die Hälfte der Macht für Frauen nicht als Gerechtigkeit, sondern als Bedrohung gesehen wird! In der Menschen aufgrund bestimmter, willkürlich gewählter Merkmale von Teilhabe ausgeschlossen werden! Uns Bündnisgrünen wird immer mehr klar: die tatsächliche Gleichstellung wird eben nicht automatisch immer weiter voranschreiten, sie ist ein hartes und wichtiges Politikfeld. Wir müssen weiter für die Rechte von Frauen und Mädchen streiten. Nichts wird besser, wenn wir nichts mehr dafür tun oder nicht mehr darüber reden. Fast scheint die Aussage von Carolin Emcke eine Mahnung an uns zu sein: „Freiheit ist nichts, das man besitzt, sondern etwas, das man tut.“
Und dann – zum Glück! – wird an bestimmten Terminen, wie dem internationalen Frauentag, dem Tag gegen Gewalt an Frauen oder dem Equal Pay Day, Frauenpolitik öffentlich sichtbar. Die Liste der Themen ist lang, viel zu lang für nur ein paar Termine im Jahr. Die brandenburgische Frauenwoche nimmt sich aktuell unter dem Motto „Frauen MACHT faire Chancen“ der fehlenden gleichberechtigten politischen Teilhabe von Frauen an. Warum ist das wichtig? Frauen sind - 67 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik und 26 Jahre nach Gründung des Landes Brandenburg - nicht gemessen an ihrer Bevölkerungsmehrheit von fast 51 Prozent politisch repräsentiert. Im Brandenburger Landtag stehen wir mit einem Frauenanteil von fast 40% noch relativ gut da. Im Bundestag liegt er nur bei 36,8 %. Besonders deutlich wird aber der Ausschluss von Frauen an demokratischer Teilhabe in den kommunalen Parlamenten. Sie sind dort durchschnittlich nicht mal mit 25% vertreten, auch hier im Land!
„Wir leben in verfassungswidrigen Zeiten!“, so kommentiert die Rechtsprofessorin Laskowski diesen statistischen Befund. Das wollen wir nicht länger hinnehmen! Wir verfolgen deshalb mit Spannung den Ausgang der Popularklage zu einem Parité Gesetz vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Ziel ist die Überprüfung, inwieweit die überwiegend männerdominierten Wahllisten gegen die Bayerische Verfassung verstoßen. Denn wie können durchweg geschlechterungleich besetzte Parlamente die politischen Belange und Interessen aller Bürgerinnen und Bürger vertreten? Ginge die Klage durch, besteht die Hoffnung, dass zukünftig Wahllisten quotiert besetzt sein müssen. Und ja, eine Quote kann wesentlich mehr erreichen, als es auf den ersten Blick erscheinen mag! Wir Grüne haben gerade 30 Jahre Quote gefeiert. Das war nicht nur ein gleichstellungspolitischer Meilenstein, es hat den gesellschaftlichen Diskurs bis heute verändert. Eine verbindliche Quote wird die Verantwortung auch an die politischen Akteure geben und diese zum Handeln bewegen müssen. Sie müssen dann Strukturen schaffen, in denen Frauen die Hälfte der Macht und die Hälfte der Verantwortung bekommen. Dann gewinnen wir alle: Vielfalt führt nachweislich zu mehr Innovation und Qualität.
Deswegen ist es ein Riesenmanko unseres Landesgleichstellungsgesetzes, dass dessen Regelungen für die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten nicht gelten! Deren Rechte sind vom Goodwill der Hauptverwaltungsbeamten und der kommunalen Verordneten abhängig. Das segelt unter der Flagge der kommunalen Selbstverwaltung. Aber gerade hier haben wir bei marginalem Frauenanteil echte Männerclubs und die Frage stellt sich, welche Priorität sie einer frauenfreundlichen Gemeinde beimessen.
Weibliche Vorbilder wirken sich auch positiv auf die Motivation anderer Frauen aus, verantwortungsvolle Aufgaben und Positionen anzunehmen. Wie wichtig starke weibliche Vorbilder sind, sehen wir im Land bei der Berufswahl junger Frauen. Laut zurufen möchte man ihnen, dass ein Mann keine Altersvorsorge ist! Es ist kein gutes Zeichen für die brandenburgische Bildungspolitik, wenn die Mehrheit junger Frauen hier immer noch eine Ausbildung aus nur zehn Berufen wählt. Darunter sind die „typischen Frauenberufe“ Friseurin, Verkäuferin oder Bürokauffrau. Diese sind oft weit weniger anerkannt und geringer entlohnt als klassische „Männerberufe“. Kein Wunder also, dass Frauen in Deutschland im europäischen Vergleich am wenigsten zum Haushaltseinkommen beitragen, wie die OECD jüngst darstellte.
Hinzu kommt, dass Frauen viel häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Von allen erwerbstätigen Frauen in Brandenburg sind 37% in Teilzeit, im Vergleich zu nur 11% bei den Männern! In vielen Fällen beruht auch das nicht auf einer freien Wahl. Vielmehr wird hier der Tatsache Rechnung getragen, dass Frauen noch immer die Hauptlast tragen, wenn sie Beruf und Familie vereinbaren wollen. 75% der unbezahlten Sorge-Arbeit – sei es Kindererziehung, sei es Pflege von Familienangehörigen - erledigen Frauen. Daran hat allerdings auch die Bundesfamilienpolitik Schuld. Das Ehegattensplitting setzt falsche und durchaus gefährliche Anreize für Frauen, keiner oder nur einer geringfügigen Erwerbsarbeit nachzugehen. In der Folge sind Frauen, die aufgrund jahrelanger unbezahlter Pflegearbeit in der Familie keiner bezahlten Arbeit nachgehen konnten, in ihren beruflichen Fähigkeiten dequalifiziert und haben kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Es erstaunt dann nicht, dass in Brandenburg die Mehrzahl der Minijobs von Frauen ausgeführt werden. Bestehende Geschlechterverhältnisse in Bezug auf das Einkommen werden damit zementiert.
Paradoxerweise bestraft das deutsche Unterhaltsrecht im Trennungsfall dann aber die Frauen. Und auch ihre Kinder. Wie unglaublich hoch der Anteil der Väter ist, die sich im Trennungsfall nicht an der finanziellen Fürsorge für ihre Kinder beteiligen, darüber haben wir gerade im Januar hier im Landtag debattiert. Deswegen müssen wir auch die sich wandelnden Rollenbilder von Jungen, Männern und Vätern in den Blick nehmen.
Im nächsten Jahr feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland. Wie vieles ist noch immer unerledigt! Lassen Sie uns deshalb im Jahr 2017 für die Vorgaben aus dem Grundgesetz kämpfen. Gleiche Rechte für Frauen und Mädchen: Jetzt erst recht!