- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Uns liegt ein Antrag vor, der sich teils wortwörtlich auf einen Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 9. Februar 2017, bekannt als der sog. 16-Punkte-Plan, bezieht.
Hierzu will ich zunächst anmerken, dass ich zwar begrüße, dass sich die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin zusammensetzen und nach einvernehmlichen Lösungen suchen. Ich warne aber auch davor, mit einem Beschluss dieses informellen Gremiums die Diskussion und Meinungsfindung in den Ländern und ein formelles Bundesratsverfahren zu ersetzen. Ein Antrag, der den Beschluss nun ohne vorherige fachliche Diskussion auf Landesebene einfach vorlegt, ist mit uns daher nicht zu machen. Darüber hinaus enthält der Antrag diverse Punkte, an denen ich mindestens grundrechtliche Bedenken anzumelden habe:
So lese ich gleich unter Punkt 1.a), dass die Möglichkeiten der Abschiebehaft für die Ausreisepflichtigen erweitert werden soll, von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht. Mir ist es wichtig zu betonen, dass es sich bei der Abschiebehaft gerade nicht um einen Freiheitsentzug als Strafe, sondern um einen Freiheitsentzug zur Sicherstellung der Abschiebung handelt. Menschen in Abschiebehaft sind nicht dort, weil sie eine Straftat begangen haben, sondern weil ihr Asylantrag negativ beschieden wurde und sie ausreisepflichtig sind. Das ist kein Verbrechen! Eine Ausweitung der Abschiebehaft hieße, präventiv Menschen einzusperren. Auch wenn sich diese Präventivhaft auf sogenannte Gefährder beziehen soll. Offen bleibt eine rechtsstaatlich wasserdichte Definition des „Gefährders“. Wie konkret muss die Gefahr für Leib und Leben sein, um dafür präventive Haft verhängen zu können? Zudem bleibt es von der Systematik her fraglich, eine solche Präventivhaft, für die ursächlich ja die Gefährlichkeit der Person ist, als Abschiebehaft einzuordnen.
Warum verhängen Sie dann keine präventive Strafhaft?
Auch enthält der Plan mehrere erhebliche Eingriffe in die Informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen. So soll die Überwachung von Ausländern bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses erleichtert werden (Punkt 1.b). Wie soll diese genau aussehen? SIM-Karten von Asylsuchenden aus Mobilfunkgeräten sollen herausverlangt und ausgewertet werden, gegebenenfalls mit Auswirkung auf die Entscheidung über den Asylantrag (Punkt 1.h)). Es bleibt offen, in welchen Fällen dies genau geschehen soll und wie ein solcher tiefgreifende Grundrechtseingriff gerechtfertigt wird. Hier ohne einen konkreten Gesetzentwurf pauschal einem Plan zuzustimmen – das werden wir ganz gewiss nicht tun. Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken melden wir auch bei dem Ansinnen an, Mehrstaatler, also auch deutsche Staatsangehörige, künftig ausländerrechtlichen Bestimmungen zu unterwerfen und bei den ergänzenden Vollzugszuständigkeiten des Bundes bei der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere den sogenannten Bundesausreisezentren. U.a. hierzu haben die Länder Berlin und Brandenburg in einer Protokollnotiz vertiefte rechtliche Prüfungen angemahnt.
Aus grüner Sicht müssen zudem unbedingt humanitäre Lösungen für Menschen gefunden werden, die mit langen Duldungen gut integriert bei uns leben.
Selbstverständlich ist eine Frage der Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz, dass Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, unser Land auch wieder verlassen müssen, so dem keine grundrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Hier begrüßen wir Bündnisgrünen, dass der sogenannte 16-Punkte-Plan vorsieht, die freiwillige Rückkehr Ausreisepflichtiger weiter zu stärken. Die Förderung der Reintegration von Rückkehrern in ihren Herkunftsländern halten wir für eine wichtige Vernetzung von Rückkehrpolitik und Fluchtursachenbekämpfung. Den Ansatz, dies sowohl mit finanzieller Förderung wie auch durch flächendeckende staatliche Rückkehrberatung zu tun, halten wir für richtig.
Auch die vielfach erwähnte bessere Vernetzung der unterschiedlichen involvierten Behörden, z.B. außenpolitische Kontakt zu den Botschaften der Herkunftsländer oder Passersatzbeschaffung halten wir vom Grundsatz her für sinnvoll.
Dennoch vermögen einige durchaus begrüßenswerten Ansätze meine grundsätzlichen Bedenken gegen gravierende Grundrechtseingriffe nicht zu entkräften: Wir lehnen ab!