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Ursula Nonnemacher zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE „Drittes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Wer nach der rechtsterroristischen Mordserie des „NSU“ und dem islamistischen Terroranschlag von Anis Amri weiterhin den Versuch wagen will, die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit einem Nachrichtendienst zu schützen, der muss dafür gute Gründe finden – und einen Verfassungsschutzgesetz-Entwurf vorlegen, der sicherstellt, dass der Nachrichtendienst auch wirklich dem Schutz der Verfassung dient und nicht dem Gegenteil. Denn allzu oft waren die Verfassungsschutzbehörden nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems – auch in Brandenburg.

So hat der Informant „Piatto“ zeitweise den deutschen Brückenkopf zur Neonazi-Terrorgruppe „Combat 18“ in England gebildet. Und V-Mann Toni S. hat die Hassmusik-Strukturen, die er aufklären sollte, als Neonazi-Geschäftsmann maßgeblich geprägt und sogar Mordaufrufe auf CDs verbreitet. All das geschah mit Wissen des Brandenburger Verfassungsschutzes.

Trotz der Erfahrung mit diesen beiden Fulltime-Nazis will die rot-rote Regierungskoalition dem Verfassungsschutz künftig die Anwerbung von Rechtsextremisten ermöglichen, sofern ihre „alleinige Lebensgrundlage“ nicht „auf Dauer“ von den Geld- oder Sachzuwendungen des Verfassungsschutzes abhängt. Im Klartext: Wer einen Versand für neonazistische Hassmusik betreibt, kann verpflichtet werden – wer für 450 Euro im Monat seinen Kameraden Kampfsport-Training gibt, ebenfalls. Es soll also möglich bleiben, dass der Verfassungsschutz den überwiegenden Lebensunterhalt von Neonazis und anderen Extremisten finanziert und ihnen damit ermöglicht, sich hauptberuflich extremistisch zu betätigen. Das ist verantwortungslos!

Hinzu kommt, dass dieser mangelhaft begrenzte Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nach dem vorliegenden Gesetzentwurf auch noch mangelhaft kontrolliert werden soll. So soll die Parlamentarische Kontrollkommission nur mit Zustimmung des Innenministers Beschäftigte des Verfassungsschutzes befragen dürfen. Ein unbeschränkter Zugang der Landesdatenschutzbeauftragten zur Verfassungsschutzbehörde ist schlicht nicht vorgesehen. Fehlanzeige auch, was persönliche Zugangs-, Akteneinsichts- und Befragungsrechte für die PKK-Mitglieder sowie Sondervoten in den PKK-Berichten betrifft. Damit bleibt der Gesetzentwurf hinter mehreren Verfassungsschutzgesetzen in Deutschland zurück, die nach dem NSU-Desaster bereits geändert worden sind.

Dieser schlecht kontrollierte Verfassungsschutz soll sich künftig bei Banken nicht nur die Personalien von Kontoinhabern, sondern zudem Einblick in die Kontenbewegungen verschaffen dürfen. Und von Telekommunikationsanbietern sollen auch jene Kundendaten abgegriffen werden, „mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird“. Was soll daraus werden – eine Online-Durchsuchung ohne Staatstrojaner?

Und welche Personengruppen soll der Verfassungsschutz überhaupt auf diese massiv grundrechtsverletzende Weise überwachen? Denn sofern es um Straftaten geht, ist die Polizei zum Einsatz solcher Mittel befugt und – anders als der Verfassungsschutz – auch dafür zuständig. Zur Erinnerung: Es sind nicht nur Terroranschläge strafbar, sondern bereits deren Vorbereitung und sogar die Vorbereitung der Vorbereitung. Spionage und Gewalt sind ebenso strafbar.

Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht nur die Frage, ob der Brandenburger Verfassungsschutz solche nachrichtendienstlichen Mittel benötigt, sondern viel grundsätzlicher, ob ein Bundesland wie Brandenburg überhaupt einen Nachrichtendienst zum Schutz der Verfassung braucht? Vieles spricht dafür, dass ein unabhängiges Institut für Verfassungsschutz, das auf wissenschaftlicher Basis arbeitet, mehr zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung beitragen könnte als ein Nachrichtendienst. Denn die demokratische Zivilgesellschaft ist regelmäßig besser informiert als die bisherigen Verfassungsschutzbehörden.

Wir Bündnisgrüne werden daher– sofern Punkt für Punkt abgestimmt wird – allenfalls den wenigen Verbesserungen zustimmen, die der Gesetzentwurf im Bereich der Kontrolle vorsieht. Wir befürworten folglich auch die zusätzlichen Stellen für die Parlamentarische Kontrollkommission im Bereich der Landtagsverwaltung und der Fraktionen. 37 neue Stellen für den Verfassungsschutz sind uns jedoch zu viele. Sinnvoll wären weitere Fachleute für die Analyse. Aber in den ersten zwei von mehreren Ausschreibungen, die bereits veröffentlicht wurden, werden ausgerechnet V-Mann-Führer gesucht.

Ein Wort noch zum umfangreichen Änderungsantrag der CDU: er ist für uns nicht zustimmungsfähig, da er den Einsatz des Staatstrojaners vorsieht. Im Bereich der Kontrolle des Verfassungsschutzes geht er aber deutlich über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen hinaus. Auch der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere der V-Mann-Einsatz wird stärker reglementiert. Respekt! Das dürfte der fortschrittlichste Verfassungsschutzgesetzentwurf sein, den eine CDU-Fraktion je vorgelegt hat und das freut uns!

Der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Innere und Kommunales stimmen wir zu, die Überweisung der Personalausstattung halten wir für entbehrlich, da doch der Innenminister bereits vollendete Tatsachen geschaffen hat!