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Ursula Nonnemacher zum Antrag der AfD-Fraktion „Volksentscheide auf Bundesebene“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Den ersten und einzigen Satz Ihres Antrages muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen. Verstehe ich Sie richtig: Sie als gesetzgebende Kraft, als Fraktion im LANDES-PARLAMENT fordern also die LANDES-REGIERUNG auf, sich auf BUNDESebene unter anderem bei der Bundesregierung für ein Gesetz einzusetzen, welches Volksentscheide auf Bundesebene vorsieht. Die Sache mit der Gewaltenteilung üben wir demnächst noch mal – schließlich sind Sie ja auch erst viereinhalb Jahre im Landtag vertreten.

Dieser klassische Schaufensterantrag in der Strickart „karo-einfach“ zeigt, dass Sie sich nicht im geringsten mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Welche Form der Volkgesetzgebung beabsichtigen Sie? Sollen hier durch Referenden von oben populistischen Beschlüssen gefasst werden? Oder soll es eine Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern geben, die über Volksinitiativen und Volksbegehren den Bundestag zur Befassung eines Anliegens zwingen können? Haben Sie dabei an die Abstimmung über einen Gesetzentwurf gedacht oder soll es sich um eine andere Vorlage handeln? Welche Quoren haben Sie auf welcher Ebene eines mehrstufigen Volksgesetzgebungsverfahrens im Blick und welche Bedingungen sollen für einfach gesetzliche und welche für verfassungsändernde Volksentscheide gelten? Arbeiten Sie auf die Abschaffung des Asylrechts oder ein Minarettverbot hin – Verfassungsänderungen mit Grundrechtseinschränkungen, wie sie die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes verhindern wollten – oder haben Sie tatsächlich ein Interesse an einer lebendigen Demokratie- und Diskussionskultur?

Bisher sind die Beiträge ihrer Partei zu einer friedlichen und demokratiefördernden Streitkultur ja gelinde gesagt mäßig ausgefallen.

Wir Bündnisgrünen wollen eine umfassende Demokratisierung der verschiedensten Lebensbereiche und setzen uns auch für Elemente direkter Demokratie in der Bundespolitik ein. Wir möchten Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide in die Verfassung einführen. Dabei dürfen die Rechte von Minderheiten und wesentliche Verfassungsprinzipien in keinem Fall durch Volksentscheide zur Disposition gestellt werden, denn zum Kern der Demokratie gehört die Mehrheitsentscheidung genauso wie der Minderheitenschutz.

Unsere Landesverfassung, unser sicher verbesserungswürdiges Volksabstimmungs-gesetz, die Regelungen der Kommunalverfassung sowie die mit dem Vertrag von Lissabon eingeführte Europäische Bürgerinitiative zeigen, dass es differenzierter Regelungen bedarf, will man direkte Demokratie so gestalten, dass sie zu einer Bereicherung wird und nicht zur Interessenvertretung einzelner instrumentalisiert werden kann.

Die Erfahrungen mit all diesen Instrumenten zeigen insbesondere, dass sich die wenigsten komplizierten Sachverhalte mit einer Ja-Nein-Frage per Referendum regeln lassen. Schauen Sie einmal über den Ärmelkanal und Sie sehen, welches Chaos entstehen kann, wenn eine Regierung einen groben Referendumsbeschluss umsetzen muss, der von verantwortungslosen Populisten angeheizt und in seinen Folgen nicht zu Ende gedacht war. Ihr Antrag setzt sich mit keiner dieser Fragen auseinander.

Aber das wollen Sie ja auch gar nicht! Die zentrale Botschaft dieses Antrages ist, dass kaum ein anderes Volk der westlichen Welt so in Unmündigkeit gehalten wird wie unseres. Das Ignorieren des übermächtigen Wunsches nach bundesweiten Abstimmungen kann (Zitat) „zu politischen Entwicklungen führen, die im Widerspruch zur eigentlichen Idee der Demokratie als `Herrschaft des Volkes` stehen.“

Stellt hier die AfD die Systemfrage?