- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
In der letzten Plenarsitzung dieser Wahlperiode präsentiert die Landesregierung die Handlungsempfehlungen aus ihrem Prestigeprojekt, dem Runden Tisch gegen Kinderarmut. Unsere bündnisgrüne Fraktion hatte das Design und den Zeitplan des Projekts – nicht aber die Priorisierung dieses Themas - in den vergangenen Jahren immer wieder stark kritisiert. Das Ministerium wollte der Komplexität des Themas angemessen und dazu noch partizipativ begegnen. Beides ist grundsätzlich zu begrüßen. Dennoch hat das Ministerium bei der Ausgestaltung dieses Vorhabens Fehler gemacht.
Viel zu lange vollzog sich die Arbeit des Runden Tisches, ohne Probleme zu konkretisieren, denen mit landesseitigen Maßnahmen hätte begegnet werden können. Die jeweils im Turnus eines Jahres in Angriff genommen Schwerpunkte zeichnen nun zwar ein umfassendes Bild von Armutsfolgen. Neue Erkenntnisse hat die Landesregierung damit jedoch nicht generiert. Vieles davon war bereits bekannt und schon lange und mehrfach empirisch bestätigt! Warum, fragen wir uns, wurde nicht auf Vorhandenes aufgebaut? Angeboten hätten sich da die Ergebnisse der Zusammenarbeit der Böll-Stiftung mit dem Deutschen Kinderhilfswerk, auf die sogar der Zwischenbericht verwies. Wie groß das Ausmaß der vertanen Arbeit ist, illustrieren die jetzt vorliegenden Handlungsempfehlungen. Von 22 im Bericht identifizierten Handlungsempfehlungen ist das Land in 16 als verantwortlich adressiert.
Eine konkrete Empfehlung an die Landesregierung ist die bessere Ausfinanzierung der Schuldner- und Insolvenzberatung. Auch das ist nicht brandaktuell. Bereits seit langem mahnen die zuständigen Verbände die negativen Folgen ihrer Unterfinanzierung an. Im Zuge der letzten Haushaltsverhandlungen hatten wir Bündnisgrüne dann auch bemängelt, dass die Landesregierung die Mittel für die Schuldnerberatung nur um 160.000 Euro pro Jahr anheben wollte. Nachvollziehbar nötig gewesen wäre das Doppelte, diese Summe bestätigt sich in den Handlungsempfehlungen. Andere Bundesländer haben die Beratungsstellen übrigens bereits entsprechend ausfinanziert, unserer Kenntnis nach ohne Bericht eines Runden Tisches.
Auch viele andere Empfehlungen greifen im Prinzip wieder auf, was wir in den vergangenen Jahren hier im Landtagsplenum beziehungsweise im Ausschuss diskutiert haben. Die hohe Relevanz von Sprachförderung beispielsweise. Gerade bei Befunden im Bereich Sprach- und Sprechstörungen gibt es eine deutlich negative Korrelation: Je niedriger der sozialökonomische Status, desto häufiger entwickeln die Kinder eine solche Entwicklungsstörung. Die vorgeschlagenen Fördermaßnahmen für diese Kinder bleiben aber mit der Empfehlung, bestehende Programme weiterzuführen und eventuell auszubauen, leider reichlich vage. Und genau das lässt sich für die meisten der aufgeführten Maßnahmen sagen. Das Meiste hiervon war bereits lange da. Auch der Vorschlag, bestehende Programme, die sich ähneln, miteinander zu verknüpfen, zum Beispiel das Netzwerk Gesunde Kinder und die Frühen Hilfen, ist eine sehr sinnvolle, aber keine neue, Idee. Wir fordern das bereits die ganze Legislaturperiode über.
Trotzdem ist nicht alles schlecht. Die Etablierung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Land und kommunaler Ebene in der Bekämpfung von Kinderarmut lässt uns wirklich hoffen. Und auch die Gesundheitsberichterstattung ist immer wieder in den höchsten Tönen zu loben. Sie bietet einen exzellenten Überblick über die gesundheitliche Lage von Kindern im Land Brandenburg, und die Auswertungsmöglichkeit nach sozialem Status macht sie zu einem wertvollen Fundus für Präventionsmaßnahmen.
Auch wenn es eine gute Nachricht ist, dass das Kinderarmutsrisiko in den letzten Jahren deutlich gesunken ist: Die Chancen für ein gutes Leben sind immer noch ungleich verteilt. Für die Politik leiten sich deutliche Aufträge ab. Eine Basis dafür hätte die nächste Landesregierung hiermit!