- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Das Versagen bundesrepublikanischer Sicherheitsbehörden beim NSU-Komplex und wohl auch im Fall des Terroristen Amri hat erschreckende Mängel unseres staatlichen Sicherheitssystem offenbart, trotz oder sogar wegen der sogenannten „Sicherheitspakete“, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 bundespolitisch geschnürt worden sind. Deren Auswirkungen auf Bürger- und Freiheitsrechte sind zurecht kritisiert und ihr sicherheitspolitischer Nutzen zurecht bezweifelt worden. Denn während uns mit den erweiterten Überwachungsbefugnissen mehr Sicherheit vorgegaukelt worden ist, wurde die Qualitätskontrolle bezüglich der Sicherheitsbehörden vernachlässigt, so dass die Rechtsterroristen des „NSU“ unbehelligt Weitermorden konnten. Wie wir heute wissen, hat es Verfassungsschutzbehörden und Polizei nicht an Befugnissen oder Technik gefehlt, sondern schlicht an einer wirkungsvollen Nutzung der vorliegenden Informationen. Das gilt für das untergetauchte Neonazi-Trio wie für den islamistischen Terroristen Amri. Es kommt auf die Analysekompetenz an und darauf, ob vorhandene Informationen überhaupt abgerufen werden können.
Bevor wir hier über den Einsatz von zusätzlichen Überwachungs-Möglichkeiten für den Brandenburgischen Verfassungsschutz reden, sollte uns die grundlegende Überarbeitungsbedürftigkeit unseres Verfassungsschutzgesetzes klar sein. Schon die bisherigen Expertenanhörungen im NSU-Untersuchungsausschuss haben offenbart, dass die Handlungsmöglichkeiten des BB Verfassungsschutz recht bescheiden, die Standards veraltet, aber auch die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten absolut unzureichend sind.
Denn eine zentrale Erkenntnis aus dem sicherheitspolitischen „NSU“-Desaster lautet: Eine gute Arbeit der Verfassungsschutzbehörden setzt eine exzellente Kontrolle ihrer Arbeit voraus – und davon sind wir in Brandenburg weit entfernt, weil die Empfehlungen von Experten-Kommissionen und den bisherigen Untersuchungsausschüssen bei uns nicht gesetzgeberisch umgesetzt worden sind. Ein entsprechendes Gutachten unseres Parlamentarischen Beratungsdienstes von letztem Sommer weist auch in diese Richtung. Demnach müssen insbesondere die Befugnisse und die personellen Ressourcen unserer Parlamentarischen Kontrollkommission erweitert werden. Zudem muss die Führung von V-Leuten mindestens strenger geregelt werden.
In diesem Kontext ist auch über den Handlungsspielraum der Verfassungsschutzbehörde zu reden. Die technischen Entwicklungen im digitalen Zeitalter machen Anpassungen erforderlich. So kann eine Telekommunikationsüberwachung nur dann die gewünschte Wirkung erzielen, wenn alle Telefongeräte und Telefonkarten einer Zielperson bekannt sind. Um sie zu ermitteln, kann ein so genannter IMSI-Catcher hilfreich sein, dessen Nutzung die CDU mit dieser Gesetzesänderung ermöglichen möchte.
Den CDU-Vorschlag kann man bei wohlwollender Betrachtung als handwerklich misslungen betrachten – bei weniger Wohlwollen stellt er einen schweren Angriff auf die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz unbescholtener Bürgerinnen und Bürger dar. Denn ein IMSI-Catcher simuliert eine Mobilfunkzelle und greift darin nicht nur die Telefon- und die Telefonkarten-Kennungen einer Zielperson ab, sondern auch die Daten von unzähligen anderen Mobilfunknutzern. Deshalb sehen die Verfassungsschutzgesetze von Bund, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, auf welche die CDU beispielhaft verweist, für die Daten Dritter ausdrücklich ein „absolutes Verwertungsverbot“ und eine unverzügliche Löschung vor. Eine solche Regelung hält die Brandenburger CDU-Fraktion hingegen für verzichtbar, obwohl sie das Problem durchaus benennt.
Je nach Modell kann mit dem IMSI-Catcher sogar abgehört werden. Deshalb müssen die Hürden für den Einsatz des IMSI-Catchers genauso hoch sein wie für die Telekommunikationsüberwachung selbst – andernfalls wären illegale Abhörmaßnahmen unkontrollierbar möglich. Auch das hat die CDU nicht berücksichtigt oder nicht berücksichtigen wollen.
Den vorliegenden Vorschlag lehnen wir folglich ab. Wir stehen einem Einsatz des IMSI-Catchers durch die Verfassungsschutzbehörde skeptisch, aber nicht generell ablehnend gegenüber. Um sachgerecht entscheiden zu können, muss in Experten-Anhörungen detailliert geklärt werden, über welche technischen Möglichkeiten die Geräte verfügen und welche datenschutzrechtlichen Sicherheitsvorkehrungen für ihren Einsatz getroffen werden müssen. Wir würden daher eine Überweisung in den Innenausschuss befürworten – mit dem Ziel, das Verfassungsschutzgesetz in Gänze sorgfältig zu überarbeiten.