-Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
53 politisch links motivierte Gewaltstraftaten gab es laut Kriminalstatistik im vergangenen Jahr in Brandenburg. Das sind 53 zu viel! Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass rechtsextremistische Gewalttaten dreimal häufiger waren.
Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der AfD-Fraktion zum Linksextremismus darauf hingewiesen, dass linksextremistische Gewalt in Brandenburg seit 1990 nie die Dimension rechtsextremistischer Gewalt erreicht hat: „Rechtsextremisten haben 18 Menschen getötet, Linksextremisten keinen.“ Trotz dieser Sachlage hat AfD-Fraktionsvize Kalbitz in der vergangenen Woche behauptet, dass Linksextremismus „die gefährlichste Form der politischen Gewalt in der Gegenwart“ sei.
Dieser Realitätsverlust ist erklärbar: Je weiter rechts einer steht, desto mehr Linke sieht er – und wer extrem viele Linke sieht, wie der extrem rechte Kalbitz, auf den mag Links extrem bedrohlich wirken. Wie wir wissen, war der heutige AfD-Landesvorsitzende bis vor rund eineinhalb Jahren noch Vorsitzender eines rechtsextremen Vereins, der von einem ehemaligen SS-Hauptsturmführer und Mitglied der Leibstandarte „Adolf Hitler“ ins Leben gerufen worden war.
Die Große Anfrage der AfD ist der stümperhafte Versuch, die Linksextremismus-Gefahren aufzubauschen, um von den vielfältigen Rechtsextremismus-Bezügen der AfD und ihrer Aktivisten abzulenken. Wie gründlich das misslungen ist, das ist allerdings fast schon ein Kunststück. Denn man muss es erstmal hinbekommen, sage und schreibe 210 Fragen zu formulieren, die dermaßen ins Leere laufen. Der AfD ist das beispielsweise mit Fragen gelungen, für deren Beantwortung die Bundesregierung zuständig wäre oder die in Verfassungsschutzberichten längst beantwortet sind. Weitere Fragen betreffen eine Organisation, die in Brandenburg offenbar gar nicht existiert, sowie vermeintlich linksextremistische Internetseiten, die nicht auffindbar sind.
Die AfD-Fraktion ist derart extrem rechts, dass sie angenommen hat, sie könne die Landesregierung in einer „Linksextremismus“-Anfrage über die Parteien-Konkurrenz aus dem demokratischen Spektrum ausfragen. Demokratische Parteien werden vom Verfassungsschutz jedoch nicht beobachtet.
Indem sich die AfD sogar nach dem Bildungsniveau, der Religionszugehörigkeit, dem Migrationshintergrund und den Haushaltsgrößen von Mitgliedern der SPD, der Bündnisgrünen und der LINKEN erkundigte, hat sie ein Staatsverständnis offenbart, das mit einem demokratischen Rechtsstaat nicht vereinbar ist. Da Brandenburg kein totalitärer Überwachungsstaat ist, konnte die Landesregierung viele AfD-Fragen nicht beantworten.
Die AfD mag bedauern, dass Brandenburgs Verfassungsschutz anders als der bayerische keine Partei-LINKEN beobachtet – aber Bayerns Verfassungsschutz beobachtet auch den dortigen AfD-Landesvorsitzenden Petr Bystron. Jean-Pascal Hohm, der Mitarbeiter der brandenburgischen AfD-Landtagsfraktion war und im Landesvorstand der „Jungen Alternative“ sitzt, hat dem bayerischen AfD-Chef zu der „tollen Auszeichnung“ gratuliert, im Visier des Verfassungsschutzes zu sein.
Hohm hat in seiner Bewerbung als Bundesdelegierter der AfD Brandenburg geschrieben: „Wir sind Teil der Bewegung: Pegida auf der Straße, die Identitären auf dem Brandenburger Tor und die AfD im Parlament!“ Die „Identitären“ werden bekanntlich ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet. Und Hohm arbeitet inzwischen für den Verein „Ein Prozent“, der sich als „Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk“ sieht, zu dem ausweislich der Vereins-Homepage rund 60 Gruppen der „Identitären Bewegung“ zählen. Dem Verein „Ein Prozent“ bringen im Internet noch mehr AfD-Akteure ihre Sympathien entgegen als der „Identitären Bewegung“ selbst – zum Beispiel die AfD-Landesvorstandsmitglieder Steffen Kotré und Marian von Stürmer.
Kürzlich hat übrigens ein Bundesanwalt vor dem NSU-Untersuchungsausschuss von einem Zeugen aus der rechten Szene berichtet, den er vor 15 Jahren vernommen hat – Stefan Broschell. Broschell sitzt heute wie Jean-Pascal Hohm im AfD-Kreisvorstand Teltow-Fläming neben der Kreisvorsitzenden Birgit Bessin.
Die 211 Antwortseiten auf die Große Anfrage reichen nicht ansatzweise, um von den rechtsextremen Bezügen der AfD abzulenken. Dafür wissen wir aber endlich (Zitat): „Für die Parteien Die Rechte, Der Dritte Weg, DVU und NPD liegen keine Hinweise auf Verbindungen zu linksextremen Organisationen vor.“ Ein Glück!