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Ursula Nonnemacher spricht zum Bericht der Landesregierung „Umsetzung des Handlungskonzepts 'Tolerantes Brandenburg'“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Oft habe ich mich im Laufe des letzten Jahres gefragt, wie es uns ergehen würde, hätten wir das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ nicht. Was wäre, wenn nicht die Mobilen Beratungsteams unermüdlich in den Kommunen helfen würden, verhärtete Fronten abzubauen und eine Kultur des differenzierten Meinungsaustauschs zu befördern; wenn wir nicht die vielen Initiativen in der Jugendarbeit hätten, die junge Menschen schon möglichst früh an eine lebendige demokratische Streit- und Debattenkultur heranführen; wenn es die Beratung und Schulung von Migrantinnen und Migranten zum deutschen Staatswesen oder wenn es die Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Demokratie und Integration nicht gäbe. Kurz: wenn es nicht den gesellschaftlichen Dialog und all die mit dem Konzept einhergehenden Mitgestaltungsmöglichkeiten gäbe. Dann ginge es uns womöglich so wie unsern Nachbarn in Sachsen, wo sich rechtsextreme und rechtspopulistische Strukturen mancherorts so verfestigt haben, dass sie kaum noch eine konstruktive politische Debatte zulassen; von rechtsextremen Straftaten ganz zu schweigen. In Brandenburg, so bereits das Fazit der Expertise zum Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ aus dem Jahr 2014 sind „feste strukturelle Grundlagen vorhanden, um auch neuen Herausforderungen im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit erfolgreich begegnen zu können.“

In den politischen Wirren der Weimarer Republik, in einer Situation wachsenden Antisemitismus bemerkte Kurt Tucholsky einst: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“ Damals war die Polizei auf dem rechten Auge vollständig blind und jeder kritische Geist wurde als Nestbeschmutzer oder Verräter abgestempelt. In Brandenburg können wir heute mit Stolz sagen, dass wir diesen Fehler nicht noch einmal begangen haben. Nach anfänglichem Zögern und Relativieren haben wir schon in den Neunziger Jahren– in einer Zeit, in der die Gewaltbereitschaft gegen Fremde und Andersdenkende einen ersten Höhepunkt erreichte– der Realität ins Auge geblickt und mit dem noch immer aktuellen Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ gegengesteuert. Einige der Mitglieder des Beratungsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus feierten kürzlich ihren 20. bzw 25. Geburtstag. Heute sind es diese funktionierenden, stabilen Strukturen, die es uns erlauben, angemessen auf den erstarkenden Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zu reagieren.

Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit wurden durch den starken Anstieg von Geflüchteten und Asylsuchenden seit dem September 2015 förmlich „geboostert“. Bei den asylkritischen Protesten war bemerkenswert, dass die Grenze zwischen bürgerlichen Protesten und rechtsextremistischen Agitationsformen zunehmend ins Verschwimmen geriet. Eine wachsende rechtsextremistische Szene, die zunehmende Gewaltbereitschaft und die Anschlussfähigkeit bis in die bürgerliche Mitte werden auch durch die Kriminalitätsstatistik belegt:

1.664 politisch rechtsmotivierte Straftaten stellten 2016 einen traurigen Höchststand dar. Noch trauriger stimmte die Qualität der Straftaten: Auch die Gewaltdelikte mit fremdenfeindlichem Hintergrund erreichten einen Höchststand von 138 Straftaten, die rechtsmotivierten Gewaltdelikte stiegen um 29,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Handlungskonzept des Toleranten Brandenburg ist aktueller denn je und hat seine Partner – insbesondere die MBTs in den letzten anderthalb Jahren wirklich gefordert.

Auf Seiten der Zivilgesellschaft hat sich gezeigt, dass viele Partnerinnen und Partner im Kampf gegen den Rechtsextremismus sich zugleich stark für die Integration von Geflüchteten engagieren. Von daher war es richtig – ich hatte anfangs Bedenken – das Tolerante Brandenburg und das Bündnis für Brandenburg unter dem Dach der Staatskanzlei zusammenzuführen. Auch die Bezüge zur Koordinierungsstelle für bürgerschaftliches Engagement schaffen Synergien. Das Tolerante Brandenburg ist eine Erfolgsgeschichte, aber es bleibt weiterhin viel zu tun. Packen wir's an!